Bericht zum Vortrag von Prof. Dr. Klaus Stöhr „Kann man sich auf Pandemien vorbereiten?“
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin veranstaltete ihre öffentliche Oktober-Plenarveranstaltung am 10.10.2024 zum Thema „Kann man sich auf Pandemien vorbereiten?“.
Referent hierzu war Prof. Dr. Klaus Stöhr (MLS), dessen Fokus in der Forschung auf den Gebieten Epidemiologie und Vakzinologie liegt. Die Veranstaltung fand im Ratssaal des Historischen Rathauses Berlin-Friedrichshagen statt.
Einleitend begrüßte Gerda Haßler, Präsidentin der Leibniz-Sozietät, die Teilnehmenden und stellte den Referenten vor. Klaus Stöhr leitete viele Jahre das WHO Global Influenza Program, das u.a. die Viruszusammensetzung der Influenzaimpfstoffe zweimal jährlich festlegt. Er war der Pandemiebeauftragte der WHO, der globale WHO SARS-Forschungskoordinator während des SARS-CoV1-Ausbruchs 2003 und leitete die internationale wissenschaftliche Forschungsgruppe, die das Virus entdeckte. Danach arbeitete er für 12 Jahre in der Forschung und Entwicklung von Impfstoffen in der Industrie. Seit 2018 ist er freier Berater.
Die Antwort von Klaus Stöhr auf die Frage im Titel des Vortrags lautete: Vorbereiten auf Pandemien – ja, verhindern von Pandemien – wohl nicht! Das ergibt sich schon aus den Lehren der Ausbrüche durch RNA-Viren in den letzten Jahrzehnten. Alle Erreger stammten von tierischen Vorläuferviren ab, wurden zoonotisch auf den Menschen übertragen und benötigten häufig Jahrzehnte bis ihre Übertragungswege auf den Menschen erkannt wurden. Die Erreger wurden mehrfach auf den Menschen übertragen und waren meistens ohne wesentliche Anpassung leicht von Mensch zu Mensch übertragbar.
Der Referent führte aus, dass die Vorbereitung auf medizinische Krisensituationen sich nicht wesentlich von der für andere Krisen unterscheidet: Das Armamentarium zur Bekämpfung ist weitestgehend identisch. Wesentlich bleibt, dass man aus Krisen lernt. Ohne Aufarbeitung wird man die Fehler der letzten Pandemie wiederholen.
Bezogen auf die Covid-19-Pandemie stellte Klaus Stöhr fest, dass viele der wissenschaftlichen Erkenntnisse früherer Pandemien bei der Pandemiebekämpfung nicht berücksichtigt wurden. Das gilt für Deutschland, aber auch weltweit. Schon zu Beginn der Pandemie hätte man auf Grundlage vorhandener Erkenntnisse eine auf die gesamte Dauer und den unweigerlichen, feststehenden Endzustand ausgerichtete Strategie entwickeln müssen. Das ist in vielen Ländern nicht geschehen.
Da der Erkenntnisfortschritt vom wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Streit um die beste Lösung lebt, müssen Kompromisse zwischen Gesundheit, Freiheit und Wirtschaft gefunden werden, die tragfähig sind. Dabei muss die Politik ergebnisoffen an einer unabhängigen Beratung interessiert sein und auch das organisatorische Umfeld für die tragfähigsten Entscheidungen schaffen.
Das Interesse der Teilnehmenden an den Ausführungen von Klaus Stöhr bestätigte sich durch die nachfolgende intensive Diskussion. Es ist vorgesehen, den Inhalt des Vortrags in einem Artikel in Leibniz Online zu publizieren.
Gerhard Pfaff