Arbeitskreis Emergente Systeme, Information und Gesellschaft

Name des Arbeitskreises

Emergente Systeme, Information und Gesellschaft (AK ESIG)

Gründung: 2015

Sprecher des Arbeitskreises und beteiligte Wissenschaftler

Prof. Dr. Wolfgang Hofkirchner; wolfgang.hofkirchner@gsis.at
Prof. Dr. Hans-Jörg Kreowski; kreo@uni-bremen.de

Innerhalb des Arbeitskreises findet die Kommunikation über eine Mailingliste mit mehr als 50 Mitgliedern statt, die nur teilweise auch Mitglieder der Leibniz-Sozietät sind. Darüber hinaus gibt es keinen formellen Mitgliederstatus, so dass auch „Freunde“ und Interessierte dazuzählen.

Gegenstand und Aufgaben

 Der Arbeitskreis wurde am 5. Juni 2015 auf dem IS4IS Summit Vienna 2015 “The Information Society at the Crossroads – Response and Responsibility of the Sciences of Information” im Rahmen des Tracks “Emergent Systems, Information and Society” gegründet. Die Tagung zur Zukunft der Informationsgesellschaft fand an der Fakultät für Informatik der Technischen Universität Wien statt und wurde von der Leibniz-Sozietät mitorganisiert. Die Tagung „Informatik und Gesellschaft“ 2015 in Berlin, die von der Leibniz-Sozietät und der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft zu Ehren von Klaus Fuchs-Kittowski anlässlich seines 80. Geburtstages veranstaltet wurde, bereitete die Gründung des Arbeitskreises vor, der auf dem Lebenswerk Fuchs-Kittowskis aufbauen und es ehrend fortsetzen kann.

Inhaltlich geht es bei dem Arbeitskreis um ein wissenschaftliches, disziplinübergreifendes Verständnis von Information in Natur, Technik und Gesellschaft und um die Wechselbeziehungen zwischen Systemansätzen und Informationswissenschaften mit besonderer Berücksichtigung von Informatik und Gesellschaft. In dem Maße, in dem Information und Informationstechnik zum Schlüssel für die Zukunft der Gestaltung der menschlichen Gesellschaft werden, kommt es auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Beiträgen von Systemtechnik, Systemwissenschaften und Informatik zur weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft an – weit über eine rein technologische Betrachtung hinaus. Der Arbeitskreis trägt zur Grundlegung der Informationswissenschaften bei, indem er systemtheoretische Ansätze zu soziotechnischen Systemen ausarbeitet, die soziale Informationsprozesse vermitteln. Er bildet eine transdisziplinäre Gruppe, die auf der Expertise von zwei wissenschaftlichen Gemeinschaften aufbaut:

  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der evolutionären Systeme mit dem Ausgangspunkt der allgemeinen Systemtheorie, bei der es um Selbstorganisation und Information geht und die die Philosophie der Systeme, der Information und der Technologie sowie die Theorien lebender und sozialer Systeme umfasst,
  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet von Informatik und Gesellschaft, die die gesellschaftlichen Auswirkungen von Informations- und Kommunikationstechnologien untersuchen und die gesellschaftliche Verantwortung von Informatikerinnen und Informatikern hervorheben.

Das Kernthema des Arbeitskreises ist, zur Bewertung von Technologien beizutragen und bei der Problemanalyse technologische Systeme als Teil sozialer Systeme im Blick zu haben. Die Perspektiven von soziotechnischen Systemen sollen untermauert werden durch die Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der Systemevolution. Informationstechnologien müssen für eine globale nachhaltige Informationsgesellschaft als ein möglicher und notwendiger Schritt in der Evolution der Menschheit auf der Erde ausgestaltet werden. Im Kontext des systemtheoretischen Teils des Arbeitskreises wird die Emergenz betont. Sie ist als spontane Herausbildung neuer permanenter Systemstrukturen und Eigenschaften offener Systeme infolge der Kooperation seiner Elemente – meist mit der konstituierenden Selbstorganisation einer systemtypischen Art –, ein herausragendes Phänomen von außerordentlicher theoretischer und praktischer Bedeutung. Emergenz ist auch intrinsisch mit der Entstehung von Information verbunden. Informationsgeschehen findet sich bereits in der Evolution der natürlichen Systeme, erhält aber in der gesellschaftlichen Entwicklung eine zentrale Bedeutung für eine Transformation, die Humanität und Überleben sichern kann. Das Verhältnis von Emergenz und Informationsgeschehen spielt bei der Frage der Gestaltung soziotechnischer Systeme, die das soziale Informationsgeschehen vermitteln, eine entscheidende Rolle.

Arbeitsweise

Der Arbeitskreis kooperiert international mit der International Society for the Study of Information (IS4SI). Er ist deckungsgleich mit einer Special Interest Group der IS4SI unter dem englischen Titel “Emergent Systems, Information and Society”. Bis 2018 war er auch eine Forschungsgruppe des Bertalanffy Center for the Study of Systems Science in Wien, seitdem fortgeführt von The Institute for a Global Sustainable Information Society (GSIS) in Wien. Die internationalen Bezüge des Arbeitskreises spiegeln sich in der Mitgliedschaft wider. Nach Stand vom 31. Dezember 2021 kommen von den 51 Mitgliedern 28 aus Deutschland und 8 aus Österreich. Die übrigen 15 verteilen sich auf Brasilien, Dänemark, Ecuador, Großbritannien, Kanada, Schweden, Schweiz, Spanien, Südafrika, USA und die Tschechische Republik. Hinsichtlich der Aktivitäten des Arbeitskreises ist eine Konstante die Zusammenarbeit mit der IS4SI, insbesondere durch Organisation von Teilveranstaltungen im Rahmen der internationalen Konferenzen der IS4SI. Außerdem organisiert der Arbeitskreis Konferenzen im Rahmen der Leibniz-Sozietät sowie interne Arbeitstreffen, Kolloquien und die Einladung einzelner Mitglieder an verschiedenen Orten. Der Arbeitskreis hat auch eine ausgeprägte Vortrags- und Publikationstätigkeit entwickelt.

Ergebnisse, Publikationen, Aktivitäten

Abgesehen von den ersten beiden Aktivitäten, die die Gründung des Arbeitskreises betreffen, ist im Folgenden eine Auswahl von Ereignissen der letzten fünf Jahre aufgelistet, die für den Arbeitskreis besondere Bedeutung haben und an denen jeweils mehrere AK-Mitglieder beteiligt waren und signifikante Beiträge geleistet haben:

  • Der Arbeitskreis auf dem “IS4IS Summit Vienna 2015” im Rahmen des speziell zu diesem Zweck organisierten Tracks „Emergent Systems, Information and Society“ gegründet. Ein erster Tagungsband unter dem Titel “The Future Information Society – Social and Technological Problems” ist 2017 als Band 8 der “World Scientific Series in Information Studies” erschienen und wurde von Wolfgang Hofkirchner mitherausgegeben. Der zweite Tagungsband “Information Studies and the Quest for Transdisciplinarity – Unity through Diversity” ist im selben Jahr als Band 9 der genannten Reihe wieder von Wolfgang Hofkirchner mitherausgegeben worden. Im Nachgang zur Konferenz wurde ebenfalls 2017 ein Sonderheft des “European Physical Journal Special Topics” zum Thema “Information in Physics and Beyond” erstellt, das Beiträge zur Entwicklung der Informationsstudien enthält, die in der Physik ihren Ausgangspunkt nehmen.
  • Der Arbeitskreis wurde am 10. Dezember 2015 in Berlin im Rahmen eines ganztägigen Kolloquiums unter dem Titel „Theoria cum praxi et commune bonum: Emergente Systeme. Information und Gesellschaft – Problemstrukturen und Lösungsansätze“ den Mitgliedern der Leibniz-Sozietät vorgestellt. Alle Vorträge sind in der Internetzeitschrift „Leibniz Online“, Nr. 32/2018 publiziert.
  • Auf Vermittlung von Wolfgang Hofkirchner wurden im Nachgang zu einem Arbeitskreis-Treffen einige AK-Mitglieder eingeladen, Beiträge zum “Handbook of Cyber-Development, Cyber-Democracy, and Cyber-Defense” einzureichen. Das Handbuch wurde von Elias G. Carayannis, David F. J. Campbell und Marios P. Efthymiopoulos 2018 im Springer-Verlag herausgegeben und enthält vier Beiträge aus dem Arbeitskreis: “The political economy of drone warfare” (Hamid Ekbia), “Privacy in cyberspace – threats and prospects” (Tomáš Sigmund), “Cyberwar and cyberpeace” (Stefan Hügel, Hans-Jörg Kreowski und Dieter Meyer-Ebrecht) und “Cybersubsidiarity: towards a global sustainable information society” (José María Díaz Nafría).
  • Anfang 2017 startete der Arbeitskreis ein Forschungsprojekt, in welchem die Informations- und Computerethik in eine systemwissenschaftliche Perspektive gestellt wird. Koordiniert wird das Projekt von Tomáš Sigmund und Wolfgang Hofkirchner. Bisher fanden im Rahmen des Projekts drei Workshops in Wien statt: vom 23. bis 27. Januar, vom 15. bis 19. Mai und vom 13. bis 17. November 2017. Finanziell wurde das Projekt vom Department für Systemanalyse an der Fakultät für Informatik und Statistik der Wirtschaftsuniversität Prag sowie vom Bertalanffy Center unterstützt.
  • Auf dem IS4SI 2017 Summit “Digitalisation for a Sustainable Society – Embodied, Embedded, Networked, Empowered through Information, Computation & Cognition!”, der vom 12. bis 16. Juni in Göteborg stattfand, hat der Arbeitskreis die Organisation dreier Workshops übernommen:(1) “Possibility and actuality: towards a manifesto on evolutionary systems”, (2)

“Digital netizens at the crossroad of sharing and privatizing” und (3) “Transhumanism – The proper guide to a posthuman condition or a dangerous idea?”. Der dritte Workshop wurde unterstützt vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) und vom Bertalanffy-Zentrum Wien.

  • Anlässlich des Besuchs von Robert K. Logan am 21. und 22. August 2017 in Wien wurde ein weiteres Projekt gestartet. Die Frage, die beantwortet werden soll, lautet: Warum und wie wurden in der Anthroposoziogenese die kognitiven Grundlagen dafür gelegt, dass unsere Spezies die Fähigkeit zum systemischen Denken erworben hat?
  • Am 21. und 22. September 2017 fand an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin eine gemeinsame Tagung der Arbeitskreise „Emergente Systeme, Information und Gesellschaft“ und „Gesellschaftsanalyse und Klassen“ statt. Der erste Tag stand unter dem Motto „Rationale und irrationale Diskurse im Zeitalter der Digitalisierung“, veranstaltet von Rainer E. Zimmermann und Frank Fuchs-Kittowski in Kooperation mit dem Institut für Design Science München und dem Bertalanffy-Zentrum Wien. Zehn Beiträge wurden von den Mitgliedern des Arbeitskreises gehalten. Für den zweiten Tag lud der Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse und Klassen“ zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Transformation – Digitalisierung – Arbeit“ ein.
  • Am 8. Dezember 2017 fand in Berlin das Kolloquium „Technik und Literatur“ anlässlich des 70. Geburtstags von Wolfgang Coy statt. Es wurde von der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften und dem Arbeitskreis organisiert. Die fünf Vorträge von Gerhard Banse, Frieder Nake, Claus Pias, Gabriele Dietze und Thomas Macho haben verschiedene Aspekte der Beziehung von Technik und Literatur ausgeleuchtet.
  • Ende 2017 stellte die IEEE die zweite Version ihres Textes “Ethically Aligned Design: A Vision for Prioritizing Human Well-Being with Autonomous and Intelligent Systems” der Öffentlichkeit vor, der von einer Reihe von einschlägigen Komitees einer globalen Initiative der IEEE zur Ethik mit autonomen und intelligenten Systemen verfasst wurde. Wolfgang Hofkirchner nahm am Komitee für Klassische Ethik teil, das sich in einem Kapitel u.a. mit grundlegenden Definitionen, die den Unterschied zwischen Mensch und Maschine betreffen, auseinandersetzt und den achtlosen Umgang mit der Anthropomorphisierung kritisiert.
  • Am 5. und 6. April 2018 fand in Linz im Rahmen der 10. Konferenz des Subjektorientierten Geschäftsprozessmanagements ein Workshop des Arbeitskreises zur Prozessgestaltung in der Gemeinwohlökonomie (Towards Common Process Understanding in Collective Welfare) statt. Es ging um einen inter- und transdisziplinären Diskurs zwischen Angehörigen der Wirtschaftsinformatik, Vertreter:innen der Gemeinwohlökonomie, Personen, die sich mit Informationsethik beschäftigen, und Systemtheoretiker:innen. Es sollten wesentliche Prozesse der Gemeinwohlökonomie identifiziert und mit Erkenntnissen aus dem Geschäftsprozessmanagement konkretisiert werden. Geleitet wurde der Workshop von Christian Stary, Wolfgang Hofkirchner und Manfred Blachfellner.
  • Das von den AK-Mitgliedern José María Díaz Nafría und Teresa Guarda koordinierte Drittmittelprojekt glossaLABläuft seit 2019 und hat die Entwicklung einer interaktiven und offenen Plattform für konzeptionelle Erläuterung von Wissen zum Ziel. An dem Projekt sind beteiligt: Universidad Estatal Península de Santa Elena (Ecuador), Madrid Open University (Spain), GSIS – The Institute for a Global Sustainable Information Society (former UTI Group) (Austria), BITrum – Grupo de investigación (Spain), Universidad de León (Spain), Institute for Design Science (Germany), International Society for the Study of Information (Austria), Yachay University of Technology (Ecuador) und Universidad Politécnica Salesiana (Ecuador).
  • Am Dezember 2019 fand an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin eine Tagung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin gemeinsam mit der HTW Berlin und der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik, System- und Informationstheorie zum Thema Zukunft der Arbeit – soziotechnische Gestaltung der Arbeitswelt im Zeichen von »Digitalisierung« und »Künstlicher Intelligenz« statt. Sie wurde organisiert von den LS- und AK-Mitgliedern Peter Brödner und Klaus Fuchs-Kittowski. Beide haben auch den Tagungsband herausgegeben, der 2020 im Berliner trafo Wissenschaftsverlag erschienen ist.
  • Die Fakultät für Informatik und Statistik der Wirtschaftsuniversität Prag hat mit GSIS ein Memorandum für ein gemeinsames Projekt zu Information Ethics, Responsibility and Sustainability für die Jahre 2020 bis 2022 unterzeichnet. Es löst das bisherige Projekt Systems Approaches to Information Ethics Das Projekt wird von Tomáš Sigmund und Wolfgang Hofkirchner koordiniert.
  • Wolfgang Hofkirchner und Hans-Jörg Kreowski haben einen Sammelband zum Thema Transhumanism: The Proper Guide to a Posthuman Condition or a Dangerous Idea?, editiert, der 2021 in der Reihe Cognitive Technologies von Springer International Publishing erschienen ist. Er enthält u.a. Beiträge von AK-Mitgliedern: Klaus Kornwachs: Transhumanism as a Derailed Anthropology.Tomáš Sigmund: Senseless Transhumanism. Adriana Braga und Robert K. Logan: The Singularity Hoax: Why Computers Will Never Be More Intelligent than Humans. Wolfgang Hofkirchner: Promethian Shame Revisited: A Praxio-Onto-Epistemological Analysis of Cyber Futures. Christian Stary: Co-creation in Transhuman Realities: Setting the Stage for Transformative Learning.
  • Vom 14. bis 16. September 2021 fand ein Workshop zum Thema Digital Humanism – How to shape digitalisation in the age of global challenges? statt, organisiert vom Arbeitskreis zusammen mit dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) im Rahmen des International Society for the Study of Information (IS4SI) Summit 2021, online. Julian Nida-Rümelin und Rainer E. Zimmermann haben am ersten Tag die Hauptvorträge gehalten. Außerdem wurden 24 Vorträge zu den eingereichten Beiträgen gehalten, weitgefächert geordnet in acht Gruppen: Futures of science and technology, Education and development, Global strategies, Evolution of technology, Values for design, Design, Concepts of digitalisation und Humanism in the Anthropocene. Die Autorinnen und Autoren kamen aus 15 Ländern auf fünf Kontinenten. Kurzfassungen der Vorträge werden in den Proceedings von MDPI erscheinen und Langfassungen in der Zeitschrift New Explorations.
  • Am 26. November 2021 fand in Kooperation mit der Gesellschaft für Wissenschaftsforschung eine ganztägige Online-Tagung des Arbeitskreises zum Thema Cyberscience – Wissenschaftsforschung und Informatik. Digitale Medien und die Zukunft der Kultur wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Tagung wurde organisiert von Gerhard Banse und Klaus Fuchs-Kittowski. Es ist vorgesehen, Vorträge und Diskussionsbeiträge der Tagung in der Reihe „Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften“ zu publizieren.

 


Nähere Informationen zu den einzelnen Punkten und zu einer Reihe weiterer AK-bezogener Aktivitäten findet man unter https://gsis.at/ .

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