Sitzung des AK “Gesellschaftsanalyse und Klassen”; Bericht

Bericht zur Sitzung des Arbeitskreises „Gesellschaftsanalyse und Klassen“
am 07. März 2014

„Erfahrungen und Konsequenzen der Enquete-Kommission ‚Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität‘ des Bundestages“ – so war thematisch die Sitzung des Arbeitskreises am 7. März 2014 überschrieben. Genau mit dieser Schwerpunktsetzung sollte sich an Diskussionen anschließen lassen, die schon mehrfach – vor allem etwa in der Sitzung im Juni des Vorjahres – im Arbeitskreis zu Wachstum und Wachstumskritik stattgefunden hatten. Mit Ulrich Brand (Professor für Internationale Politik an der Universität Wien) war dafür nicht nur ein Kenner der aktuellen Debatten zu Gast, vor allem war er als einer der eingeladenen Wissenschaftler selbst Mitglied dieser Enquete-Kommission.

Der Schwerpunkt sollte für die Diskussionsrunde deshalb auch auf diesem Aspekt, auf Erfahrungen und Einsichten aus der Arbeit der Enquete-Kommission liegen. Denn nach der Meinung von Brand, wie er sie in einigen Interviews geäußert hatte, war die Enquete-Kommission gescheitert. Und sie war, wie er in einem Interview nachgeschoben hatte, „sinnvollerweise gescheitert“. Sie war also einmal daran gescheitert, dass sie sich gerade mit einem zentralen Thema – nämlich dem von Wachstum bzw. der Frage nach den Treibern von Wachstum – zu wenig auseinander gesetzt hatte. Und sie war eben deshalb, quasi mit der Aussicht auf eine solche neue Debatte, sinnvollerweise gescheitert.

In diesem Spannungsbogen bewegte sich auch ein Teil der Diskussion im Arbeitskreis, nachdem Ulrich Brand noch einmal mit einem überaus interessanten Vortrag die Arbeit der Enquete-Kommission skizziert hatte. Es ging mehr um die Gründe dafür, weshalb eben Auseinandersetzungen blockiert waren und auch darum, wie ein solches Vorgehen begründet wurde, welche Argumente also etwa vorgebracht wurden, um an der Selbstverständlichkeit von Perspektiven nicht zu rütteln. Es ging diesmal weniger um eine eigenständige Auseinandersetzung mit dem Wachstumsbegriff. Verblüffend war eher die Erkenntnis, mit welcher unerschütterlichen Einfachheit etwa Ökonomen aus der neoklassischen Tradition an der Zentralstellung von Wachstum festhalten. Und es scheint ja auch, so jedenfalls eine überzeugende Interpretation, mit der Erweiterung eines Kranzes von Indikatoren um das BIP genau diese Auffassung befestigt.

Allerdings war Brand auch sicher, dass die Kommission trotz seiner generellen Kritik an ihr auch einige beachtliche Ergebnisse erreicht hat, die etwa objektive Grenzen des Wachstums betreffen oder auch die übergreifende Einsicht, dass technologische Innovationen nicht ausreichen würden, um auf einen „vernünftigen“ Wachstumskurs zu kommen, sondern so oder so Reduktion auch unvermeidlich sei. In einem recht breiten, eher oppositionellen Spektrum haben sich zudem einige Gemeinsamkeiten gezeigt, die für die Chancen eines neuen, übergreifenden sozial-ökologischen Gestaltungsprojektes sprechen würden. Zudem stellen die weit über 800 Seiten und auch 60 Sondervoten einen zweifellos informativen Fundus dar.

Diesem Aspekt eröffnete Chancen wurde übergreifend zugestimmt, während in der Frage nach den möglichen Umsetzungen doch auch im Arbeitskreis die Meinungen auseinander gingen. Dabei spielten zwei weitere Fragen eine Rolle, die von Ulrich Brand im Rückblick auf die Enquete aufgeworfen wurden: Einmal die nach den Möglichkeiten, welche eine eher langsam und inkrementell agierende bürgerliche Demokratie bieten würde für erforderliche politische Sprünge. (Inwieweit war vielleicht das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein solcher Sprung? Wo und wie können solche Sprünge entstehen?) Dann aber war es auch die Frage, ob Politik überhaupt für wissenschaftliche Sichtweisen, für wissenschaftliche Beratung offen sei? Hier scheint sich doch eher immer wieder eine „epistemische Selektivität“ zu behaupten, die Neues dann in einen Modus von Selbstverständlichkeit übersetzt.

Beide Fragen führten gewiss schon über die Wachstumsproblematik hinaus in einen Kontext gesellschaftlicher Gestaltung oder Veränderung, also von Transformationen. Damit war ein übergreifender Schwerpunkt des Arbeitskreises für 2014 angesprochen, dem hier zunächst nur mit einem Hinweis auf den Workshop am 11. April gefolgt wurde. Zu diesem Workshop wird noch separat eingeladen. Die Arbeitskreissitzung am 7. März hat zweifellos eine ganze Fülle von Anregungen gebracht, die mit dem Bericht nicht aufgeführt werden können, die aber sowohl in die Debatten zur Transformation eingehen wie zu separaten Sitzungen führen sollten.

Für weitere Informationen oder/und begleitende Texte zum Thema: thomas@biss-online.de .

Michael Thomas

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