Nekrolog für unser Mitglied Werner Kochmann

Prof. Dr. Werner Kochmann; Foto: BBAW-Archiv

 

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den Industriechemiker Prof. Dr. Werner Kochmann

Am 30. Januar 2020 verstarb im Alter von 89 Lebensjahren das Korrespondierende Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR, der langjährige Forschungsdirektor des Chemkombinats Bitterfeld (CKB), unser Mitglied Prof. Dr. Werner Kochmann.

Wir verlieren mit ihm einen außergewöhnlich kreativen Wissenschaftler und zugleich sehr erfolgreichen Industriechemiker, der vor und nach 1990 Wesentliches zur Entwicklung der chemischen Industrie in der Region Bitterfeld-Wolfen beigetragen hat. Von seinem erfolgreichen Wirken zeugen auch mehr als 500 Patente, an denen Werner Kochmann beteiligt war.

Werner Kochmann stammt aus einfachen sozialen Verhältnissen. Zur Sicherung des familiären Lebens “organisierte” er als Jugendlicher nach Kriegsende Brennmaterial und Lebensmittel und kam auf diesem Wege mit der amerikanischen Besatzungsmacht in Halle in Kontakt. 7 Tage verbrachte er daraufhin im “Roten Ochsen”, der von den Amerikanern als Gefängnis genutzt wurde. Seine Mutter befreite ihn von dort und entschied, dass ihr Sohn nicht weiterhin zur Schule gehen, sondern einen Beruf erlernen sollte. Er wurde Bauschlosser und beendete diese Lehre nach 3 Jahren mit sehr guten Zeugnissen. An der Martin-Luther Universität Halle (MLU) holte er das Abitur nach, studierte Chemie und promovierte bei W. Langenbeck. Schon während seiner Berufsausbildung faszinierte ihn die Kunstschmiederei, die ihn sein gesamtes Leben lang begleitete. Eine Vielzahl von metallischen Abfallprodukten verwandelte sich in seiner häuslichen Schmiedewerkstatt zu gediegenen Kunstwerken. Auch hier erreichte er Professionalität, wie seine Mitgliedschaft im Verband der Bildenden Künstler der DDR bezeugt.

In seiner beruflichen Tätigkeit, in der er bald die Funktion des Abteilungsleiters Forschung im Chemiekombinat Bitterfeld erreichte, hat er seine bemerkenswerte Kreativität und die Förderung seiner Mitstreiter unter Beweis gestellt. Für die Rationalisierung der Bi58-Produktion (Schädlingsbekämfungsmittel) erhielt er mit seinem Kollektiv 1973 den Nationalpreis II. Klasse für Wissenschaft und Technik der DDR. Den gleichen Preis bekam er im Kollektiv 1976 als Bereichsleiter für Organische Chemie und Pflanzenschutz für die Entwicklung der Camposan-Produktion (Wachstumsregler für Getreidepflanzen) im CKB. Seine profunden Kenntnisse in der technischen organischen Chemie fanden ihren Niederschlag im Standardwerk “Technische Organische Chemie” von M. Fedtke, W. Pritzkow und G. Zimmermann. Seit 1979 lehrte  er als Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

1990 wurde Werner Kochmann Vorstandsvorsitzender der Chemie AG Bitterfeld-Wolfen. Er konnte in dieser zweijährigen Funktion die Entwicklung und Ansiedlung neuer Firmen fördern. Für seine Verdienste hierbei erhielt er 2010 im Rahmen des sehr erfolgreichen 3. Jahrestreffens der Chemie-Senioren der GDCh in Wolfen die Ehrennadel der Stadt Bitterfeld-Wolfen. Diese Veranstaltung stand unter dem Thema „Die Mitteldeutsche Chemieregion – wie Phönix aus der Asche“ und wurde von ihm mit vorbereitet.

Im Ruhestand fand Werner Kochman Zeit und Gelegenheit seinen Hobbys, der indischen Philosophie und antiken indischen Literatur sowie seiner Schmiedekunst intensiv nachzugehen. Mit Blick auf die historische Stahlerzeugung vermochte er ihr neue Seiten abzugewinnen. Sein starkes kulturhistorisches Interesse fand im altertümlichen Stahl der Inder und im sagenumwobenen “Wielands Schwert” ein neues Betätigungsfeld. Es reichte vom Verfüttern von Stahlspänegemischen an Gänse, dem Verwerten ihres Kots zu schmiedbarem Stahl, der historisch nachempfundenen Herstellung von Damaszenerstählen mittels spezieller historischer Beimischungen z. B. von seltenen Erden und dem Nachweis von Fullerenen und Nanotubes mit modernen analytischen Methoden, sowie deren Bedeutung für die einzigartigen Eigenschaften von Damazenerstählen. Hierbei fand er in Prof. Peter Paufler, Physiker/Kristallograph an der TU Dresden, einen geeigneten Partner.

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