Nekrolog für unser Mitglied Horst Haase

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V. trauert um ihr Mitglied, den Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Horst Haase

Am 07.05.2021 ist der Professor für Literaturwissenschaft Horst Haase, Mitglied der Leibniz-Sozietät, im Alter von 92 Jahren verstorben

Foto: https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Haase_(Literaturwissenschaftler)

Horst Haase wurde 1929 in Schönwalde, nördlich von Berlin, geboren. Sein Vater war dort Bauarbeiter und sein Sohn begann dort kurz vor Kriegsende ein ähnliches Leben: Nach dem Schulbesuch war er als Hilfsschlosser und als Land- und Maschinenarbeiter tätig. Doch sehr bald, noch vor Beginn der DDR, konnte er eine Vorstudienanstalt besuchen und dort eine Hochschulreifeprüfung bestehen. Noch 1948 begann er mit dem Studium von Deutsch, Geschichte und Pädagogik an der pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität.

Nach dem Studium begannen die schrittweise wachsenden Funktionen von Horst Haase am Germanistischen Institut der Humboldt-Universität zunächst mit der Aspirantur, dann zum Assistenten und Oberassistenten bei den Germanisten. Seine Promotion erfolgte 1956 zum Thema „Die Antikriegsliteratur in der Zeitschrift Die weißen Blätter“, die Habilitation 1963 zum Thema „Johannes R. Bechers Gedichtband Der Glückssucher und die sieben Lasten (1938) – ein wichtiger Schritt auf dem Wege der Erneuerung der deutschen Nationalliteratur“. Johannes R. Becher war auch in der nachfolgenden Zeit ein zentrales Thema in den Publikationen von Horst Haase.

1964 wurde er als Professor mit Lehrauftrag für Neuere und Neueste Deutsche Literatur an die KMU Leipzig berufen. Hier hat er viele Studierende für die (ältere und neuere) deutsche Literatur begeistern können. Zahlreiche Publikationen sind damals entstanden. Ende 1969 wurde er zum Professor für Literatur an das Institut für Gesellschaftswissenschaften (später Akademie für Gesellschaftswissenschaften) beim ZK der SED berufen. Die Zeit, die er dort verbracht hat, war auch wieder mit einer Fülle überlegender und fragender Darstellungen verbunden. Er hat nicht etwas verbreitet, sondern immer wieder nach Antworten und Wegen gesucht. Auf dem VII. Kongress der Internationalen Vereinigung für Germanische Sprach- und Literaturwissenschaft 1985 in Göttingen hat Horst Haase einen stark beachteten Vortrag gehalten. Auf dem Gebiet der Kulturwissenschaft unterhielt er immer auch gute Beziehungen nach Österreich und Ungarn. Leider sind die meisten seiner zahlreichen Arbeiten heute kaum oder gar nicht mehr erreichbar. 1990 musste er in den zunächst vorläufigen Ruhestand treten.

Horst Haase hat recht früh (Mitte der 90er Jahre) die damals noch junge Leibniz-Sozietät besucht. 1998 wurde er als Mitglied aufgenommen. Er hatte davor bereits Anteil an der Entstehung von Band 3 unserer Abhandlungen der Leibniz-Sozietät. Sein Beitrag für diesen Band findet sich noch in unserer Homepage. Der gesamte Band ist heute nur schwer erreichbar. Im Sitzungsbericht Nr. 85 (2006) findet sich sein Beitrag „Von der Mathematik zur (schönen) Literatur – Helga Königsdorf“. Helga Königsdorf war eine bekannte Mathematikerin an der Akademie der Wissenschaften, die schließlich auch zu den bekanntesten Schriftstellerinnen der DDR gehörte. Und Horst Haases letzter Beitrag in der LS, „Technik, Wissenschaft, Individuum als Aspekte in Robert Musils Mann ohne Eigenschaften“, kann man  noch in Leibniz-Online Nr. 15 (2013) nachlesen.  Er konnte ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vortragen.

Horst Haase hat in seinem Leben versucht, eine werdende und sich verändernde Kulturgeschichte der DDR darzustellen. Er ist ein gutes Stück vorangekommen. Die geplante Weiterführung war leider nicht mehr möglich. Wir werden unsere Erinnerung an ihn bewahren.

Wolfdietrich Hartung