Nekrolog auf unser Mitglied Prof. Dr. Elmar Altvater
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den Wirtschafts- und Politikwissenschaftler
Prof. Dr. Elmar Altvater
der am 01. Mai 2018 im Alter von 79 Jahren verstorben ist.
Wir gedenken Elmar Altvater, der am 1. Mai im Alter von 79 Jahren verstarb.
Von 1971 bis 2004 lehrte er als Professor für Politische Ökonomie am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin. Zu den großen Politik-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern dieses Landes zählend, war er zugleich unbestritten ein akademischer Lehrer von hohem Format. Beispielshaft in seinem vielfältigen Wirken waren die enge Verbindung von Wissenschaft und Politik, seine vielfachen Wortmeldungen in der breiteren Öffentlichkeit – er entsprach damit im besten Sinne dem Leibnizschen Kerngedanken von theoria cum praxi. Unsere Sozietät wählte Elmar Altvater 1998 zu ihrem Mitglied.
Einer Bergarbeiterfamilie aus Kamen bei Dortmund entstammend, hatte er nach seinem Abitur im Jahre 1959 an der Münchener Maximilians-Universität Ökonomie und Soziologie studiert. Dort wurde er 1968 mit einer Dissertation über „Gesellschaftliche Produktion und ökonomische Rationalität: Externe Effekte und zentrale Planung im Wirtschaftssystem des Sozialismus“ promoviert.
Von 1968 bis 1970 arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Erlangen-Nürnberg bevor er 1971 nach Berlin berufen wurde. Mit der Annahme der Professur für „Politische Ökonomie“ verband sich für Elmar Altvater das umfassende Engagement am OSI für die Rückbesinnung auf kritische Gesellschaftswissenschaften. In diesen Kontext gehört auch seine Mitwirkung an der 1971 erfolgenden Gründung der Zeitschrift „PROKLA. Probleme des Klassenkampfes – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik“ (seit 1990 „PROKLA: Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft“), deren Redaktion er bis 2007 angehörte und in der zahlreiche Aufsätze von ihm publiziert wurden.
Sein über unterschiedliche Theorietraditionen hinausgehendes wissenschaftliches Ansehen erwarb sich Elmar Altvater insbesondere durch seine empirisch fundierte und komplex ausgerichtete Untersuchung des Kapitalismus. Sie beinhaltete sowohl die sorgfältige Beschäftigung mit Phänomenen und Prozessen innerhalb der Geld- und Finanzsphäre, damit verbundenen Krisen als auch die sorgfältige Analyse der sich vollziehenden Wandlungen innerhalb der kapitalistischen Ökonomie und Gesellschaft. Eindrucksvoller Beleg dafür war sein 2005 erschienenes Buch „Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Eine radikale Kapitalismuskritik“, in dem er auch eindeutig Position gegen vorhandene Auffassungen von einem automatischen Zusammenbruch des Kapitalismus bezog.
Altvaters bedeutenden Leistungen in Forschung und Lehre, der Gehalt und die Vielzahl seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen, seine umfassende, von einem marxistischen Forschungsprogramm inspirierte Analyse und Kritik der globalen Wirtschaft und Gesellschaft des Kapitalismus brachten ihm national wie international große Reputation ein. Sie sollten seinen Ruf als Globalisierungskritiker von Rang begründen, ihn als einen herausragenden Vertreter des auf Marx zurückgehenden Konzepts von der Kritik der politischen Ökonomie ausweisen.
Die gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Birgit Mahnkopf verfasste, 1996 erstmalig und dann in mehrfachen Auflagen publizierte Schrift „Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft“ gilt inzwischen als ein Klassiker der Auseinandersetzung mit dem Thema der Globalisierung, mit ihren vielfältigen destruktiven Folgen. Altvaters anerkannte Expertise auf diesem Gebiet führten schließlich auch zu seiner Mitgliedschaft in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten (1999-2002).
Wissenschaftliche Pionierarbeit leistete Elmar Altvater mit seinen tiefgründigen Studien zu den komplexen Zusammenhängen von Ökonomie und Ökologie, zur Naturseite der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse. Angesichts des weltweiten Klimawandels, der sich vertiefenden ökologischen Probleme verstärkte sich sein Bemühen, wissenschaftliche Bausteine für ein zukünftiges Gesellschaftsmodell zu entwickeln, gewissermaßen der Utopie eines ökologischen Sozialismus näher zu kommen. In der 2009 publizierten Schrift „Vermessung der Utopie. Ein Gespräch über Mythen des Kapitalismus und die kommende Gesellschaft“ entwickelte er in einer produktiven Debatte mit Raul Zelik sehr anregende konzeptionelle Vorstellungen für einen radikal demokratischen und ökologischen Sozialismus.
Charakteristisch für Elmar Altvater war, dass er seine wissenschaftliche Arbeit – wie bereits bemerkt – stets mit konkretem politischen und öffentlichen Engagement verknüpfte, so zum Beispiel beim „Sozialistischen Büro“, bei der Partei „Die Grünen“ oder der Partei „Die Linke“, beim wissenschaftlichen Beirat von „ATTAC“, dem „Weltsozialforum“ oder dem „Institut Solidarische Moderne“. Er präsentierte sich dabei als ein überzeugter Internationalist sowohl von seinen Forschungsinteressen als auch von seinen Ratschlägen für diverse soziale und politische Bewegungen her.
Elmar Altvater war – wie der Politikwissenschaftler Hajo Funke treffend feststellte – ein „Weltbürger des demokratischen Sozialismus“. Die Sozialwissenschaften wie unsere Sozietät haben mit seinem Tod einen großen Verlust erlitten.
Günter Krause