Jahreskonferenz 2013 der Leibniz-Sozietät – Kurzbericht

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. veranstaltete am 13. Mai 2013 zusammen mit dem Zentrum für Lehrerbildung der Universität Potsdam die

Wissenschaftliche Jahrestagung 2013 zum Thema:

„Inklusion und Integration“

 

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Der Präsident dankt Frau Ministerin Dr. Martina Münch für Ihren Beitrag;
Foto: D. Linke

Die Veranstalter konnten neben vielen weiteren prominenten Teilnehmern die Ministerin Dr. Martina Münch(Potsdam) begrüßen, die zum Thema “Bildungspolitische Implikationen der Inklusion“ sprach.

 

 

 

 

Kurzbericht zur Tagung:

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Die zahlreichen Teilnehmer verfolgen aufmerksam die Ausführungen;
Foto: D. Linke

Am 31. Mai 2013 hatte die Leibniz-Sozietät zu ihrer diesjährigen Jahrestagung zum Thema „Inklusion und Integration“ eingeladen. Es spricht für die Aktualität, Problemhaftigkeit und Bedeutsamkeit dieses Themas, dass ca. 100 Interessierte aus Wissenschaft, Politik, Schule und Studium der Einladung gefolgt waren.

Eröffnet wurde die Tagung durch den Präsidenten der Leibniz-Sozietät; Prof. Dr. Gerhard Banse (PDF-Datei der Eröffnungsansprache), der das gewählte Thema in den wissenschaftlichen Gesamtkontext der Jahrestagungen der Sozietät einordnete und die Bedeutung des Tagungsortes an der Universität Potsdam hervorhob, sowie durch den Präsidenten der Universität Potsdam, Prof. Oliver Günther, Ph.D., der besonders auf die Rolle der Lehrerbildung an der Universität und die Einführung neuer Studiengänge mit entsprechenden inklusionspädagogischen Anteilen für alle Studierende mit lehramtsbezogenem Schwerpunkt verwies.

Nach diesen einleitenden Begrüßungen referierte Frau Ministerin Dr. Martina Münch zu bildungspolitischen Implikationen der Inklusion. Brandenburg sei – wie andere Länder auch – auf dem Weg zu einer inklusiven Schullandschaft. Zu Beginn des Schuljahres 2012/13 wurde das Pilotprojekt Inklusive Grundschule gestartet, 84 Grundschulen beteiligen sich daran. Die Ministerin verdeutlichte das umfangreiche Aufgabenfeld der Inklusion und verwies auf die Langfristigkeit seiner Realisierung. Inklusion, so unterstrich sie, bedeute Schule für alle: Jedes Kind ist willkommen, Anderssein ist normal.

Mit Prof. Dr. Georg Feuser von der Universität Zürich war ein Referent gewonnen worden, der seit langem als engagierter Vertreter der Inklusion bekannt ist und auf die Vielgestaltigkeit und die möglichen Paradoxien der Inklusion aufmerksam machte. Dabei beleuchtete er sowohl historische als auch erkenntnistheoretische Aspekte. Er kennzeichnete die Entwicklungslogische Didaktik als Kern inklusiven Unterrichts und der Ausbildung der Lehrpersonen.

Mit Prof. Dr. Dietrich Hoffmann (Universität Göttingen) und Prof. Franz Prüß (Universität Greifswald) ergriffen zwei weitere Wissenschaftler das Wort und reflektierten die wissenschaftliche Diskurssituation. Während Hoffmann Integration und Inklusion weitgehend als Schlagwörter gegenwärtiger bildungspolitischer Forderungen brandmarkte und zur Entschleunigung aufrief, verwies Prüß auf empirische Daten und Befunde, um die Problematik in ihrer dialektischen Wechselwirkung zu charakterisieren.

Dr. Peter Hübner, Leitender Schulrat a. D. des Berliner Senats und aktiver Mitgestalter der Inklusion auf internationalem Gebiet, entwickelte eine internationale Perspektive auf die Thematik. Deutlich wurden auch Probleme im sprachlichen Transfer der Begriffe „Integration“ und „Inklusion“.

Anregungen und eigene Erfahrungen zur sozialen Partizipation von Menschen mit Behinderungen vermittelte der Beauftragte der Stadt Hofheim (Land Hessen), Prof. Dr. Kurt Jacobs, in seinem Beitrag „Inklusion als menschenrechtlicher Baustein für umfassende soziale Partizipation“.

Auch in den nachfolgenden Beiträgen wurde die in der Konzipierung, Organisation und Durchführung der inklusiven Bildung angestrebte Einheit von theoretischer Erörterung und Erfahrungsreflektion sichtbar. Prof. Dr. Gerda Niebsch verwies auf Problemlagen der Inklusion im frühen Kinderalter, Dr. Walter Pohl aus der Behindertenwerkstatt Lichtenberg auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen (Ersten)Arbeitsmarkt. Darüber hinaus zeigte Dr. Dietlinde Thomas vom Cornelsen-Verlag die mit der Inklusion verbundenen Herausforderungen der Schulbuchentwicklung auf. Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen stand er Umgang mit Heterogenität und die Entwicklung einer neuen Aufgabenkultur.

Dr. Roswitha Lohwaßer und Prof. Dr. Bernd Meier (beide Universität Potsdam) stellen die sich aus der Aufgabe der Inklusion ergebenden Probleme und Lösungsansätze der Lehrerbildung an der Universität Potsdam vor. Hier werden zum Wintersemester neue Studien- und Prüfungsordnungen mit inklusionspädagogischen Anteilen in allen lehramtsbezogenen Studiengängen eingeführt.

Der Präsident der Sozietät fasste in einem perspektivorientierten Schlusswort die Ergebnisse der Tagung zusammen und rückte vor allem folgende Überlegungen in den Blick:

• Der Verlauf der Tagung habe bestätigt, dass der Entschluss, die 6. Jahrestagung der Leibniz-Sozietät an der Universität Potsdam zur Thematik „Inklusion und Integration“ durchzuführen und als Ausgangspunkt die „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ zu wählen, richtig war.

• Sowohl die Vorträge als auch die Diskussion machten differenzierte und differenzierende Perspektiven und Standpunkte deutlich, deren Spektrum von der Forderung und Förderung von Inklusion bis zur Skepsis gegenüber gelingender Inklusion reichte. Es sei deutlich geworden, dass Inklusion vor allem Zeit und Behutsamkeit erfordert und schematischen Lösungen wenig hilfreich sind.

• Wichtig sei einerseits, Inklusion als Möglichkeit bzw. als „Idee“ zu analysieren. Das schließt ein, die Geschichte der Inklusionsüberlegungen und -bemühungen zu untersuchen, differierende Sichten von Inklusion zu verdeutlichen (Utopie versus „Selbstverständlichkeit“), dialogisch zu klären, was unter dem „Wohl des Kindes“ zu verstehen ist, Wahlmöglichkeiten für Eltern und Kindern zu erhalten bzw. zu schaffen sowie Motive für bestimmte Wahlhandlungen bzw.-forderungen zu ermitteln, den Bezug zu Menschen- und Gesellschaftsbildern herzustellen;

• Andererseits sei notwendig, Inklusion als Wirklichkeit, als „Praxis“ zu gestalten. Das schließt ein, die „Lücke“ zwischen Idee, Theorie und Praxis, zwischen Plan und Lebenswelt zu analysieren, dazu Erfahrungen (national wie international) systematisch und vergleichend erfassen und auswerten, Rahmenbedingungen für gelingende Inklusion zu schaffen, Hemmnisse zu erkennen und möglichst zu beseitigen, parteipolitische Vereinnahmungen der Inklusionsidee zu verhindern;

• Gelingende Inklusion bedeute, sie auf allen Ebenen zu vollziehen und dabei alle Formen von Behinderungen einzubeziehen.

Schließlich unterbreitete der Präsident den Vorschlag, in etwa zwei Jahren eine weitere „Inklusionstagung“ an gleicher Stelle zu organisieren, um empirisch gestützte Fortschritte und Hemmnisse bei der Realisierung von Inklusion zu erörtern.

Sein Dank galt der gastgebenden Universität und den Organisatoren, der Ministerin Münch, den Vortragenden und Diskutanten, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und nicht zuletzt der Rosa-Luxemburg-Stiftung für die finanzielle Unterstützung der Tagung, mit der die Leibniz-Sozietät einen beachtenswerten wissenschaftlichen Beitrag zu aktuellen bildungspolitischen Diskussionen geleistet und einmal mehr ihre wissenschaftliche Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat.

Die Beiträge werden noch in diesem Jahr in einem weiteren Band der im Peter Lang
Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main u.a.,
erscheinenden Reihe „Gesellschaft und Erziehung. Historische und systematische
Perspektiven“ publiziert.

(Dieter Kirchhöfer & Bernd Meier)