Der Arbeitskreis „Prinzip Einfachheit“ fürhrt seine Sitzung am 27. März 2014 durch. Es wird der Vortrag
Dietmar Linke (MLS):
Einfachheit in der Chemie? – Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren! – Oder doch nicht ganz?
gehalten und zur Diskussion gestellt. Die Sitzung ist öffentlich.
10:30 bis 12:30 Uhr, Rathaus Tiergarten, kleiner Saal
C.V.:
Prof. Linke ist Chemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1999. Nach Studium, Promotion auf komplexchemischem und Habilitation auf glaschemischem Gebiet an der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde er 1979 Dozent an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1982 Leiter der Abteilung „Keramische Werkstoffe“ am Zentralinstitut für Anorganische Chemie der AdW der DDR und 1984 Professor für anorganische Chemie ebenda. In den Jahren 1993 – 2005 war er an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus tätig, ab 1995 als Lehrstuhlleiter für anorganische Chemie. Auch hier war sein Forschungs-Schwerpunkt die technische Keramik. Lehraufträge nahm er 2005 – 2007 in Cottbus wahr, 2012 – Anfang 2014 auch an der Technischen Universität Berlin.
Seit vielen Jahren pflegt er das Interesse für die Chemiegeschichte, 2002 – 2009 sowie ab Ende 2013 auch gewählt zum stellvertretenden Vorsitzenden der Fachgruppe „Geschichte der Chemie“ der Gesellschaft Deutscher Chemiker.
Abstract:
Die Systeme, für die sich die Chemie interessiert, sind – angesichts der etwa 20 Millionen bisher bekannter Substanzen – in der Regel komplexer und komplizierter als die der Physik. Deshalb ist der Chemiker – trotz aller Fortschritte der Quantenchemie – oft genötigt, bei der Behandlung seiner Systeme auf qualitative Betrachtungsweisen und Regeln zurückzugreifen, auf intuitive, also einer klaren Definition unzugängliche Begriffe oder fiktive Größen (z. B. Aromatizität, Substituenteneffekt, Säure-Base-Konzept, Chromophor, Oxidationszahl, formale Ladung), die bei problembewusster Handhabung dennoch wertvolle Hinweise für den Chemiker geben. Für ihn gehen die chemischen Reaktionen weiterhin vor allem einher mit Veränderungen der Elektronenhüllen der beteiligten Atome. Die Frage nach der “Einfachheit” in der Chemie ist auch deshalb nicht leicht zu beantworten, da dieser Begriff selbst ähnlich unbestimmt ist wie manche chemietypischen Ausdrücke (Energie, Stabilität, Reaktivität, Bindung, Wertigkeit, Ladung, Teilchenradien), die erst nach präziser Eingrenzung der Begriffe einen heuristischen Wert bekommen.
Auf jeden Fall “einfach” als Einstieg in die Welt der Chemie ist das zunächst zwar genial erdachte, aber doch erst nur empirisch fundierte Periodensystem der Elemente, das durch die Quantenmechanik nicht nur bestätigt wurde, sondern auch sehr umfassende weitere Interpretationen erlaubte.
So einfach die Formulierung von Bruttoreaktionen mit den international verbindlichen Elementsymbolen ist, so werden doch die zugehörigen Strukturdarstellungen besonders in der organischen und Biochemie umso komplizierter, je “wahrer” sie die tatsächliche Anordnung der Elektronendichte und -dichteverteilung in der jeweiligen Substanz widerzuspiegeln versuchen.
“Einfachheit” ist also der Chemie oft nur zu bescheinigen im Sinne einer bewusst in Kauf genommenen Simplifizierung der allzu komplexen Sachverhalte. Vielleicht sollte man auch als “Pragmatismus” benennen, was die Chemie wissentlich auf an sich überholten oder aus Sicht der Physik unzulässig vereinfachten Prämissen ruhen lässt. – Zumindest für die Lehre wie auch für die Anwendbarkeit chemischer Kenntnisse in Nachbardisziplinen ist das eine Erleichterung und Vereinfachung, auch wenn sie sicherlich der Geschwindigkeit des Erkenntnisfortschritts nicht gerade förderlich ist.
Der Arbeitskreis „Prinzip Einfachheit“ fürhrt seine Sitzung am 27. März 2014 durch. Es wird der Vortrag
Dietmar Linke (MLS):
Einfachheit in der Chemie? – Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren! – Oder doch nicht ganz?
gehalten und zur Diskussion gestellt. Die Sitzung ist öffentlich.
10:30 bis 12:30 Uhr, Rathaus Tiergarten, kleiner Saal
C.V.:
Prof. Linke ist Chemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1999. Nach Studium, Promotion auf komplexchemischem und Habilitation auf glaschemischem Gebiet an der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde er 1979 Dozent an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1982 Leiter der Abteilung „Keramische Werkstoffe“ am Zentralinstitut für Anorganische Chemie der AdW der DDR und 1984 Professor für anorganische Chemie ebenda. In den Jahren 1993 – 2005 war er an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus tätig, ab 1995 als Lehrstuhlleiter für anorganische Chemie. Auch hier war sein Forschungs-Schwerpunkt die technische Keramik. Lehraufträge nahm er 2005 – 2007 in Cottbus wahr, 2012 – Anfang 2014 auch an der Technischen Universität Berlin.
Seit vielen Jahren pflegt er das Interesse für die Chemiegeschichte, 2002 – 2009 sowie ab Ende 2013 auch gewählt zum stellvertretenden Vorsitzenden der Fachgruppe „Geschichte der Chemie“ der Gesellschaft Deutscher Chemiker.
Abstract:
Die Systeme, für die sich die Chemie interessiert, sind – angesichts der etwa 20 Millionen bisher bekannter Substanzen – in der Regel komplexer und komplizierter als die der Physik. Deshalb ist der Chemiker – trotz aller Fortschritte der Quantenchemie – oft genötigt, bei der Behandlung seiner Systeme auf qualitative Betrachtungsweisen und Regeln zurückzugreifen, auf intuitive, also einer klaren Definition unzugängliche Begriffe oder fiktive Größen (z. B. Aromatizität, Substituenteneffekt, Säure-Base-Konzept, Chromophor, Oxidationszahl, formale Ladung), die bei problembewusster Handhabung dennoch wertvolle Hinweise für den Chemiker geben. Für ihn gehen die chemischen Reaktionen weiterhin vor allem einher mit Veränderungen der Elektronenhüllen der beteiligten Atome. Die Frage nach der “Einfachheit” in der Chemie ist auch deshalb nicht leicht zu beantworten, da dieser Begriff selbst ähnlich unbestimmt ist wie manche chemietypischen Ausdrücke (Energie, Stabilität, Reaktivität, Bindung, Wertigkeit, Ladung, Teilchenradien), die erst nach präziser Eingrenzung der Begriffe einen heuristischen Wert bekommen.
Auf jeden Fall “einfach” als Einstieg in die Welt der Chemie ist das zunächst zwar genial erdachte, aber doch erst nur empirisch fundierte Periodensystem der Elemente, das durch die Quantenmechanik nicht nur bestätigt wurde, sondern auch sehr umfassende weitere Interpretationen erlaubte.
So einfach die Formulierung von Bruttoreaktionen mit den international verbindlichen Elementsymbolen ist, so werden doch die zugehörigen Strukturdarstellungen besonders in der organischen und Biochemie umso komplizierter, je “wahrer” sie die tatsächliche Anordnung der Elektronendichte und -dichteverteilung in der jeweiligen Substanz widerzuspiegeln versuchen.
“Einfachheit” ist also der Chemie oft nur zu bescheinigen im Sinne einer bewusst in Kauf genommenen Simplifizierung der allzu komplexen Sachverhalte. Vielleicht sollte man auch als “Pragmatismus” benennen, was die Chemie wissentlich auf an sich überholten oder aus Sicht der Physik unzulässig vereinfachten Prämissen ruhen lässt. – Zumindest für die Lehre wie auch für die Anwendbarkeit chemischer Kenntnisse in Nachbardisziplinen ist das eine Erleichterung und Vereinfachung, auch wenn sie sicherlich der Geschwindigkeit des Erkenntnisfortschritts nicht gerade förderlich ist.
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Veranstaltungsort
Berlin, 10551 Google Karte anzeigen