März-Plenarsitzung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften (Zoom-Konferenz)
11. März 2021 - 13:30 - 16:00
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin führt ihre März-Plenarsitzung am 11.03. 2021 in der Zeit von 13.30 bis 16.00 Uhr durch als ZOOM-Konferenz zum Thema
Probleme und Potentiale im interaktiven Verhältnis von Wissenschaft, Technologie und Innovationen
Vortragender:Lutz-Günther Fleischer (MLS)
Zu Beginn der Sitzung erfolgt die
Laudatio zum 90 Geburtstag von Hermann Grimmeiss (Gerhard Banse) und Überreichung der Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille
L-G. Fleischer: Probleme und Potentiale im interaktiven Verhältnis von Wissenschaft, Technologie und Innovationen. (Thesen)
1.These In dem bezeichneten hochkomplexen Wechselwirkungssystem sind die Phänomene und Effekte von Innovationen nicht nur mit den anderen Gesamtheiten der Triade multipel vernetzt bis verschachtelt, sondern wirken auch auf das induzierende System selbst zurück (Rückkopplung). Die Holons („Ganze/Teile“) unterliegen neben der Selbstorganisation (Genese) zudem der Fremdorganisation und der Kontingenz (Dynamik). Das erschwert die Analysen außerordentlich. Diese generelle theoretische und praktische Herausforderung wird bis in die Gegenwart unzulänglich bewältig, bestimmt aber die funktionale Qualität derartiger ‚Wirkgefüge‘
2.These Der rezente Terminus technicus Technologie kennzeichnet m. E. in guter Näherung die Art und Weise, den Charakter, die maßgeblichen Umstände eines Geschehens und Tuns (Praxis) sowie die diesbezüglichen Methoden, Konzepte und Strategien (Theorie) in allen Tätigkeits- und Lebensbereichen des Menschen. Nach diesem Begriffsverständnis apostrophiert der vieldeutige, problematische und umstrittene Ausdruck Technologie eine Dualität praxisorientierter, funktional gestalteter (ideographischer) Sachsysteme und erkenntnisorientierter, akkumulierender und systematisierender (nomothetischer) Wissenssysteme. Mit techné und epistémé repräsentiert die Technologie eine bereichsübergreifende hochpotente dialektische Einheit von Realdialektik und Widerspiegelungsdialektik. Die beiden konstitutiven Elemente umgreifen und prägen den gesamten Produktionsprozess sowie zunehmend den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess mit beschleunigten Erneuerungen und nachhaltigen Transformationen.
Seit Francis Bacons ‚Neuorganisation der Wissenschaften‘ sind die konsequent empirisch gestützten, überdies logisch-induktiv fundierten modernen Wissenschaften genuin und programmatisch mit der Technik verflochten. Das induzierte und trug eine tiefgreifende co-evolvierende Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Technologie und konsolidierte ein adäquates wissenschaftlich-technisches Weltbild.
3.These: Industrial exploitation ist nur eine, wenn auch eine gesellschaftlich besonders wichtige Form der Innovation. Im 1995 publizierten GREEN PAPER ON INNOVATION der Europäischen Kommission wird Innovation als Synonym für die erfolgreiche Produktion/Kreation, Assimilation und Nutzung von Neuheiten im wirtschaftlichen und sozialen und – es sei ausdrücklich hinzugefügt – im geistig-kulturellen Bereich verstanden. Innovationen bieten neue Problemlösungen und ermöglichen so, den Bedürfnissen des Einzelnen und der Gesellschaft gerecht zu werden. Ziel dieses Grünbuchs war es, die – positiven oder negativen – Faktoren zu ermitteln, von denen die Innovationen in Europa abhängen, und Vorschläge für Maßnahmen zu formulieren, mit denen die Innovationsfähigkeit der Europäischen Union verbessert werden kann. Das wahrgenommene Versagen der europäischen Länder, wissenschaftliche Fortschritte in marktfähige Innovationen umzusetzen, wurde als ‚European Paradox‘ bezeichnet. Sowohl die theoretischen Interpretation, als auch die empirischen Untermauerungen zu dieser Paradoxie-Vermutung werden heute intensiv verfochten und ebenso in Frage gestellt. Dennoch existieren derartige Tatbestände und zumindest anhaltende, wenn nicht sogar wachsende, fundamentale Probleme vor allem im Kontext mit den zukunftsbestimmenden Schlüsseltechnologien. Sie drängen auf rasche und zielsichere multidisziplinäre Lösungen.
Hermann Grimmeiss setzt sich seit langem in Analysen kritisch-konstruktiv mit den skizzierten Problemen auseinander, propagiert aus reichen Forschungserfahrungen hergeleitete sowie wohlerwogene Vorschläge und sucht institutionelle Verbündete.
CV Lutz-Günther Fleischer:
Lutz-Günther Fleischer (*1938 / MLS) diplomierte 1964 auf dem Gebiet der Elektrochemie an der TH Leuna-Merseburg, 1968 Promotion zum Dr. -Ing. (Verfahrenstechnik) ebenda, 1970 Hochschuldozent für Thermodynamik irreversibler Prozesse, 1979 Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB). Er wirkte an der HUB bis 1994 und 1994–2006 an der Technischen Universität Berlin als Professor für Verfahrenstechnik und Thermodynamik. Die Forschungsarbeiten galten vor allem der Analyse, Bewertung und der physikalisch-mathematischen Modellierung komplexer Transport- und Strukturierungsprozesse sowie physikalisch-chemischen und biotischen Stoffumwandlungen in multikomponentigen Stoffsystemen, wie Informationsaufzeichnungsmaterialien und Biopolymeren sowie Anwendungen in verschiedenen Technologien und der Technologiefolgenabschätzung, ab 1996 zudem der medizinischen Biotechnologie im Forschungsverbund Biotechnologiezentrum der TUB. 2005–2011 Vorstandsvorsitzender Leibniz-Institut für interdisziplinäre Studien e.V. (LIFIS). Seit 2004 ist er Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin. Hier wirkte er u.a. 2012–2019 als Sekretar der Klasse für Naturwissenschaften und Technikwissenschaften. Seit 2019 ist er Vizepräsident der Leibniz-Sozietät.
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin führt ihre März-Plenarsitzung am 11.03. 2021 in der Zeit von 13.30 bis 16.00 Uhr durch als ZOOM-Konferenz zum Thema
Probleme und Potentiale im interaktiven Verhältnis von Wissenschaft, Technologie und Innovationen
Vortragender: Lutz-Günther Fleischer (MLS)
Zu Beginn der Sitzung erfolgt die
Laudatio zum 90 Geburtstag von Hermann Grimmeiss (Gerhard Banse) und Überreichung der Daniel-Ernst-Jablonski-Medaille
Zugangsdaten zur Zoom-Konferenz:
https://us02web.zoom.us/j/86321206237?pwd=K0c4cGNmdWxHS1lCRnZDL0hUbDB3UT09
Meeting-ID: 863 2120 6237
Kenncode: 260004
Kurzanleitung für die Teilnahme
Abstract:
L-G. Fleischer: Probleme und Potentiale im interaktiven Verhältnis von Wissenschaft, Technologie und Innovationen. (Thesen)
1.These
In dem bezeichneten hochkomplexen Wechselwirkungssystem sind die Phänomene und Effekte von Innovationen nicht nur mit den anderen Gesamtheiten der Triade multipel vernetzt bis verschachtelt, sondern wirken auch auf das induzierende System selbst zurück (Rückkopplung). Die Holons („Ganze/Teile“) unterliegen neben der Selbstorganisation (Genese) zudem der Fremdorganisation und der Kontingenz (Dynamik). Das erschwert die Analysen außerordentlich. Diese generelle theoretische und praktische Herausforderung wird bis in die Gegenwart unzulänglich bewältig, bestimmt aber die funktionale Qualität derartiger ‚Wirkgefüge‘
2.These
Der rezente Terminus technicus Technologie kennzeichnet m. E. in guter Näherung die Art und Weise, den Charakter, die maßgeblichen Umstände eines Geschehens und Tuns (Praxis) sowie die diesbezüglichen Methoden, Konzepte und Strategien (Theorie) in allen Tätigkeits- und Lebensbereichen des Menschen. Nach diesem Begriffsverständnis apostrophiert der vieldeutige, problematische und umstrittene Ausdruck Technologie eine Dualität praxisorientierter, funktional gestalteter (ideographischer) Sachsysteme und erkenntnisorientierter, akkumulierender und systematisierender (nomothetischer) Wissenssysteme. Mit techné und epistémé repräsentiert die Technologie eine bereichsübergreifende hochpotente dialektische Einheit von Realdialektik und Widerspiegelungsdialektik. Die beiden konstitutiven Elemente umgreifen und prägen den gesamten Produktionsprozess sowie zunehmend den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess mit beschleunigten Erneuerungen und nachhaltigen Transformationen.
Seit Francis Bacons ‚Neuorganisation der Wissenschaften‘ sind die konsequent empirisch gestützten, überdies logisch-induktiv fundierten modernen Wissenschaften genuin und programmatisch mit der Technik verflochten. Das induzierte und trug eine tiefgreifende co-evolvierende Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Technologie und konsolidierte ein adäquates wissenschaftlich-technisches Weltbild.
3.These:
Industrial exploitation ist nur eine, wenn auch eine gesellschaftlich besonders wichtige Form der Innovation. Im 1995 publizierten GREEN PAPER ON INNOVATION der Europäischen Kommission wird Innovation als Synonym für die erfolgreiche Produktion/Kreation, Assimilation und Nutzung von Neuheiten im wirtschaftlichen und sozialen und – es sei ausdrücklich hinzugefügt – im geistig-kulturellen Bereich verstanden. Innovationen bieten neue Problemlösungen und ermöglichen so, den Bedürfnissen des Einzelnen und der Gesellschaft gerecht zu werden. Ziel dieses Grünbuchs war es, die – positiven oder negativen – Faktoren zu ermitteln, von denen die Innovationen in Europa abhängen, und Vorschläge für Maßnahmen zu formulieren, mit denen die Innovationsfähigkeit der Europäischen Union verbessert werden kann. Das wahrgenommene Versagen der europäischen Länder, wissenschaftliche Fortschritte in marktfähige Innovationen umzusetzen, wurde als ‚European Paradox‘ bezeichnet. Sowohl die theoretischen Interpretation, als auch die empirischen Untermauerungen zu dieser Paradoxie-Vermutung werden heute intensiv verfochten und ebenso in Frage gestellt. Dennoch existieren derartige Tatbestände und zumindest anhaltende, wenn nicht sogar wachsende, fundamentale Probleme vor allem im Kontext mit den zukunftsbestimmenden Schlüsseltechnologien. Sie drängen auf rasche und zielsichere multidisziplinäre Lösungen.
Hermann Grimmeiss setzt sich seit langem in Analysen kritisch-konstruktiv mit den skizzierten Problemen auseinander, propagiert aus reichen Forschungserfahrungen hergeleitete sowie wohlerwogene Vorschläge und sucht institutionelle Verbündete.
CV Lutz-Günther Fleischer:
Lutz-Günther Fleischer (*1938 / MLS) diplomierte 1964 auf dem Gebiet der Elektrochemie an der TH Leuna-Merseburg, 1968 Promotion zum Dr. -Ing. (Verfahrenstechnik) ebenda, 1970 Hochschuldozent für Thermodynamik irreversibler Prozesse, 1979 Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB). Er wirkte an der HUB bis 1994 und 1994–2006 an der Technischen Universität Berlin als Professor für Verfahrenstechnik und Thermodynamik. Die Forschungsarbeiten galten vor allem der Analyse, Bewertung und der physikalisch-mathematischen Modellierung komplexer Transport- und Strukturierungsprozesse sowie physikalisch-chemischen und biotischen Stoffumwandlungen in multikomponentigen Stoffsystemen, wie Informationsaufzeichnungsmaterialien und Biopolymeren sowie Anwendungen in verschiedenen Technologien und der Technologiefolgenabschätzung, ab 1996 zudem der medizinischen Biotechnologie im Forschungsverbund Biotechnologiezentrum der TUB. 2005–2011 Vorstandsvorsitzender Leibniz-Institut für interdisziplinäre Studien e.V. (LIFIS). Seit 2004 ist er Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin. Hier wirkte er u.a. 2012–2019 als Sekretar der Klasse für Naturwissenschaften und Technikwissenschaften. Seit 2019 ist er Vizepräsident der Leibniz-Sozietät.
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