Juni-Sitzung der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften
11. Juni 2015 - 10:00 - 12:00
Die Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften lädt für den 11. Juni 2015 zu ihrer Juni-Sitzung ein. Es wird der folgende Vortrag hehalten und zur Diskussion gestellt:
Brigitte Kahl (MLS):
Mit Paulus im Pergamonmuseum. Die „schwache messianische Kraft“ in der Brechung des Steins.
11. Juni 2015, 10.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Balkonsaal
C.V.:
Frau Prof. Kahl ist Professorin fűr Neues Testament am Union Theological Seminary in New York und Associate Professor am Religion Department der Columbia University sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2014. Sie hat in Leipzig und Berlin Theologie studiert und nach ihrer Promotion/Habilitation seit 1989 an der Humboldt-Universität als Dozentin gelehrt. 1997 erhielt sie einen Ruf als Professorin an die Universität Paderborn. Seit 1998 unterrichtet sie in New York.
Brigitte Kahl ist eine interdisziplinär arbeitende Theologin, die sich vor allem durch ihre Beiträge zu imperialer Ikonographie und biblischer Hermeneutik internationales Ansehen erworben hat, speziell im Bereich der Paulus-Interpretation. Ihre Arbeit hatte in den USA eine impulsgebende Funktion für die Neubewertung des Römischen Reiches und seiner Bildsprache in der Interpretation neutestamentlicher Texte; sie ist heute eine der führenden Vertreterinnen von „visueller Exegese“ und imperiumskritischer Paulus-Auslegung. Die von ihr begründete Methodik einer “Kritischen Re-Imagination” liest antike Bilder und Monumente in ihrer Intertextualität mit biblischen Texten ein Ansatz, den sie in einer Re-Lektüre des Galaterbriefes im semiotischen Bezugsrahmen des Pergamon-Altars entwickelte.
Abstract: Pergamon und Paulus sind in ihrer Bedeutung fűreinander bislang weitgehend unentdeckt geblieben, sowohl in der Theologie wie in der Kunstgeschichte. Dabei liegt eine Verbindung nahe. Der große Fries mit der mythologischen Schlacht der Götter gegen die Giganten, dem der Pergamonaltar seinen Weltruhm verdankt, setzt im realhistorischen Kontext den paulinischen Galatern ein Monument ihrer Niederlage. Als barbarische Erbfeinde hellenistisch-römischer Zivilisation weltweit gefűrchtet, wurden die keltischen Immigranten in Kleinasien vom pergamenischen Königshaus im Verbund mit Rom im 3. und 2. vorchristlichen Jahrhundert in die Knie gezwungen. Die in höchster kűnstlerischer und konzeptioneller Vollendung gestaltete Gigantenschlacht des Pergamonaltars űberhöht diesen Sieg als Erlösung von Chaos, Barbarei und Gottlosigkeit – und weist den Geschlagenen ihren Platz in der gesetzmäßigen Ordung der Dinge zu.
Etwa zweihundert Jahre später schreibt Paulus seinen Galaterbrief, das wohl folgenreichste Stűck seiner Korrespondenz und die Magna Charta der lutherischen Reformation, an die Nachfahren der pergamenischen „Giganten“ in der nach ihnen benannten römischen Provinz Galatien im Zentrum der heutigen Tűrkei. Und wieder geht es um die Frage des Gesetzes und der gesetzten Ordnung. Die paulinische Logik jedoch ist radikal gegenläufig. In großer Nähe zu Walter Benjamins schwacher messianischer Kraft liegt Erlösung nicht im Sieg, sondern im Mit-Sein mit den Unerlösten, Geschlagenen, Anderen.
Den Galaterbrief vor dem Pergamonaltar zu lesen ist ein Lese-Experiment, das in dieser Art noch nicht unternommen worden ist. Es bringt zwei „Erz-Monumente“ deutscher und okzidentaler Geschichte neu zur Sprache.
Die Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften lädt für den 11. Juni 2015 zu ihrer Juni-Sitzung ein. Es wird der folgende Vortrag hehalten und zur Diskussion gestellt:
Brigitte Kahl (MLS):
Mit Paulus im Pergamonmuseum. Die „schwache messianische Kraft“ in der Brechung des Steins.
11. Juni 2015, 10.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Balkonsaal
C.V.:
Frau Prof. Kahl ist Professorin fűr Neues Testament am Union Theological Seminary in New York und Associate Professor am Religion Department der Columbia University sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2014. Sie hat in Leipzig und Berlin Theologie studiert und nach ihrer Promotion/Habilitation seit 1989 an der Humboldt-Universität als Dozentin gelehrt. 1997 erhielt sie einen Ruf als Professorin an die Universität Paderborn. Seit 1998 unterrichtet sie in New York.
Brigitte Kahl ist eine interdisziplinär arbeitende Theologin, die sich vor allem durch ihre Beiträge zu imperialer Ikonographie und biblischer Hermeneutik internationales Ansehen erworben hat, speziell im Bereich der Paulus-Interpretation. Ihre Arbeit hatte in den USA eine impulsgebende Funktion für die Neubewertung des Römischen Reiches und seiner Bildsprache in der Interpretation neutestamentlicher Texte; sie ist heute eine der führenden Vertreterinnen von „visueller Exegese“ und imperiumskritischer Paulus-Auslegung. Die von ihr begründete Methodik einer “Kritischen Re-Imagination” liest antike Bilder und Monumente in ihrer Intertextualität mit biblischen Texten ein Ansatz, den sie in einer Re-Lektüre des Galaterbriefes im semiotischen Bezugsrahmen des Pergamon-Altars entwickelte.
Abstract:
Pergamon und Paulus sind in ihrer Bedeutung fűreinander bislang weitgehend unentdeckt geblieben, sowohl in der Theologie wie in der Kunstgeschichte. Dabei liegt eine Verbindung nahe. Der große Fries mit der mythologischen Schlacht der Götter gegen die Giganten, dem der Pergamonaltar seinen Weltruhm verdankt, setzt im realhistorischen Kontext den paulinischen Galatern ein Monument ihrer Niederlage. Als barbarische Erbfeinde hellenistisch-römischer Zivilisation weltweit gefűrchtet, wurden die keltischen Immigranten in Kleinasien vom pergamenischen Königshaus im Verbund mit Rom im 3. und 2. vorchristlichen Jahrhundert in die Knie gezwungen. Die in höchster kűnstlerischer und konzeptioneller Vollendung gestaltete Gigantenschlacht des Pergamonaltars űberhöht diesen Sieg als Erlösung von Chaos, Barbarei und Gottlosigkeit – und weist den Geschlagenen ihren Platz in der gesetzmäßigen Ordung der Dinge zu.
Etwa zweihundert Jahre später schreibt Paulus seinen Galaterbrief, das wohl folgenreichste Stűck seiner Korrespondenz und die Magna Charta der lutherischen Reformation, an die Nachfahren der pergamenischen „Giganten“ in der nach ihnen benannten römischen Provinz Galatien im Zentrum der heutigen Tűrkei. Und wieder geht es um die Frage des Gesetzes und der gesetzten Ordnung. Die paulinische Logik jedoch ist radikal gegenläufig. In großer Nähe zu Walter Benjamins schwacher messianischer Kraft liegt Erlösung nicht im Sieg, sondern im Mit-Sein mit den Unerlösten, Geschlagenen, Anderen.
Den Galaterbrief vor dem Pergamonaltar zu lesen ist ein Lese-Experiment, das in dieser Art noch nicht unternommen worden ist. Es bringt zwei „Erz-Monumente“ deutscher und okzidentaler Geschichte neu zur Sprache.
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Veranstaltungsort
Berlin, 10551 Google Karte anzeigen