Nekrolog für unser Mitglied Rudolf Münze

 

      Professor Dr. Rudolf Münze; Foto: Archiv BBAW

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. trauert um ihr Mitglied,
den Radiochemiker Prof. Dr. Rudolf Münze

 

Am 23.02.2020 ist der Chemiker Professor Dr. Rudolf Münze, Mitglied der Leibniz-Sozietät, im Alter von 89 Jahren verstorben

Rudolf Münze wurde am 01.03.1930 in Leipzig geboren, wo er von 1948 bis 1953 Chemie studierte. Daran schloss sich eine Assistenz am Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Rostock  an, in der er bei Ulrich von Weber promovierte.

Rudolf Münze folgte dem Weg vieler junger Wissenschaftler jener Zeit, die ihre weitere Tätigkeit dem beginnenden Aufbau der Kernforschung widmeten: Er begann direkt nach der Promotion, zunächst unter Leitung von Kurt Schwabe,  seine langjährige erfolgreiche Tätigkeit am Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf, wo er sich insbesondere dem wissenschaftlichen und technischen Auf- und Ausbau der radiochemischen Forschung und der Isotopenproduktion widmete. Im Jahr 1966 habilitierte er sich an der Technischen Universität Dresden, an der er auch Vorlesungen zur Radiochemie hielt. Im Jahr 1969 wurde Rudolf Münze auf eine Professur der Akademie der Wissenschaften berufen. In Nachfolge von Kurt Schwabe übernahm er 1973 die Leitung der Radiochemie in Rossendorf und erfüllte diese Aufgabe bis zu seinem Übergang in den Vorruhestand im Jahr 1990. Im Jahr 1979 wurde er als Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR gewählt  –  als erster der jüngeren Wissenschaftlergeneration aus dem ZfK Rossendorf – und wurde 1993 Mitglied der  Leibniz-Sozietät der Wissenschaften.

Umfangreich und bedeutsam sind seine Leistungen für die Radiochemie, wobei diese sowohl auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse, wie auf ihre praktische Anwendung und Nutzung gerichtet waren: Er leitete 1957 bis 1960 eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Abtrennungsverfahren von Kernen aus dem Neutronenbeschuss von Materialproben im Reaktor. Von 1960 bis 1965 entwickelte er Methoden, kurzlebige radioaktive Kerne für die Verwendung in der Nuklearmedizin als Radiopharmaka zu gewinnen. Er konnte erstmals das 99mTc in komplexe organische Stoffe wie Proteine und Blutkörperchen einbinden und verwendete es bei der Skelettszintigrafie. Ab 1965 befasste er sich mit Komplexchemie der Scandiumgruppe, ebenfalls mit Anwendungen bei Radiopharmaka. Ab 1970 wandte er sich der Bereitstellung von Nukliden für die Nuklearmedizin zu. Schrittweise wurde neben der Reaktor-basierten Radionuklidherstellung auch die Erzeugung von kurzlebigen Radionukliden mit Hilfe des Zyklotrons entwickelt, zunächst Gama emittierende Radionuklide, später auch Radionuklide für die Positronen-Emissions-Tomographie.

Damit hatte er einen entscheidenden Anteil daran, dass sich die Radiochemie in Rossendorf  zu einem internationalen Referenzzentrum und bedeutenden Produzenten von Radionukliden für die Nuklearmedizin und andere Anwendungen entwickeln konnte.

Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Radiochemie wurde Rudolf Münze vielfach geehrt, so erhielt er 1987 die Clemenz-Winkler-Medaille.

Zu seinen wissenschaftlichen Verdiensten, die aus dieser Tätigkeit resultierten, ist auch die Ausbildung und Profilierung vieler Nachwuchswissenschaftler zu nennen, die in den Folgejahren als international anerkannte Fachleute bekannt wurden – sein wissenschaftliches Vermächtnis lebt in deren Arbeit weiter. Unter den nicht einfachen Randbedingungen für die Forschung in der DDR, bei angespannten Personal- und Finanzierungsmöglichkeiten, zeigte Professor Münze seine Qualitäten als einfühlsamer und fordernder Leiter großer Forschungs- und Entwicklungsteams und als akademischer Lehrer.

Auch nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Institut in Rossendorf blieb Rudolf Münze nicht untätig. Er fand Kraft und Möglichkeiten zu beratender Hilfe für jüngere Akademiker, um ihren Platz in der sich ständig verändernden Realität zu finden. Auch in dieser schweren Lebensphase fand er innere Ruhe für seine anstrengende Tätigkeit sowie bei der Bewältigung von Problemen beim Malen stimmungsvoller Bilder. Sein Heim in der Sächsischen Schweiz, umgeben von seiner Familie,  war für ihn bis zum Schluss zugleich Refugium und Kraftquell.

Sein breites Fachwissen setzte er in den 1990-er und 2000-er Jahren ebenfalls weiter aktiv ein, u.a. als Berater für verschiedene Dresdner Ingenieur- und Consultingunternehmen. Er leistete wertvolle Beiträge zu radiologischen Gutachten über radioaktive Altlasten – speziell zu Standorten des ehemaligen Uranbergbaus von Wismut GmbH – zu reaktiven Transportphänomenen von Radionukliden in der Umwelt sowie zu den relevanten chemischen Prozessen derartiger Standorte in Wechselwirkung mit natürlichen und künstlichen Systemen, wie den Gesteinsformationen und darin integrierten bergbaulichen Strukturen. In dieser späten Phase seiner schöpferischen Tätigkeit haben meine Kollegen und ich Rudolf Münze als wertvollen Partner von UIT GmbH persönlich kennen- und schätzengelernt,  bei der Entwicklung komplexer mathematischer Modelle zur chemischen Simulation sowohl spezieller Sanierungsszenarien – wie der Flutung der ehemaligen Uranbergwerke in Königstein und Ronneburg – als auch innovativer, umweltgerechter In-situ-Abbaumethoden für attraktive Technologiemetalle.

Eine bemerkenswerte Persönlichkeit, leistungsstarker Wissenschaftler und guter Kollege ist von uns geschieden. Wir werden sein Andenken stets in Ehren halten.

Dieter Seeliger