Bericht über die Sitzung des AK „Prinzip Einfachheit“ am 28.3.2019
Der Arbeitskreis „Prinzip Einfachheit“ führte am 28.3.2019 seine siebzehnte öffentliche wissenschaftliche Sitzung durch. Es sprach Frau Prof. Dr. Erdmute Sommerfeld (MLS), Sprecherin des Arbeitskreises, zum Thema
„Schaffung von Voraussetzungen für Einfachheit:
ein Grundprinzip nicht nur in der menschlichen Informationsverarbeitung?“
Der Ehrenpräsident der Leibniz-Sozietät und Mitglied der Leitung des Arbeitskreises Prof. Dr. Herbert Hörz (MLS) leitete die Sitzung. Der Vortrag war Prof. Dr. Werner Krause (MLS) zu seinem 80. Geburtstag gewidmet.
Herbert Hörz ging in seiner Begrüßung und Eröffnung auf den wissenschaftlichen Werdegang des Jubilars ein und ordnete den Vortrag von Erdmute Sommerfeld entsprechend ein.
Der ausführliche Text findet sich: Hier
Die Referentin beschreibt den Inhalt ihres Vortrages in ihrer Zusammenfassung wie folgt:
„Mir kommen die Wege, auf denen die Menschen zur Erkenntnis der himmlischen Dinge gelangen, fast ebenso bewunderungswürdig vor, wie die Natur der Dinge selber (Kepler: Astronomia Nova).
In der menschlichen Informationsverarbeitung ist die Ordnungsbildung im Denken ein Stück Weg zu mehr Einfachheit im Informationsverarbeitungsprozess. Denn durch Ordnungsbildung im Denken können – als eine Art Vorverarbeitung – Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der eigentliche Lösungsprozess möglichst einfach wird.”
Ausgangspunkt des Vortrags ist der Untersuchungsansatz „Ordnungsbildung im Denken“ von Werner Krause mit Bezug zur Schaffung von Voraussetzungen für Einfachheit.
Im Vortrag werden experimentelle Untersuchungen zu einigen ausgewählten kognitiven Anforderungen in der menschlichen Informationsverarbeitung charakterisiert und Ergebnisse dazu vorgestellt, die im Rahmen der Kognitiven Psychologie erzielt wurden.
Bei allen untersuchten Anforderungen konnte anhand der Ausbildung ausgezeichneter interner Repräsentationen bereichsübergreifend aufgezeigt werden, dass Voraussetzungen für relativ einfache Prozesse bzw. sogar für einfachste Prozesse geschaffen werden. Das ist quantifizierbar durch die zur Anforderungsbewältigung erforderliche (bewichtete) Anzahl von Operationen bzw. durch die erforderliche Lösungszeit. Bei der Schaffung solcher Voraussetzungen ist eine auf spezifischen Lernprozessen basierende Bildung von Makroelementen mit emergenten Eigenschaften von Bedeutung. Als Steuerkriterium spielt die kognitive Ökonomie eine entscheidende Rolle.
Anknüpfend an die im Rahmen der Kognitiven Psychologie erzielten Ergebnisse wird die Frage danach gestellt, ob auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen die Schaffung von Voraussetzungen für einfache Prozesse eine so grundsätzliche Rolle spielt. Wenn ja, wird weiterhin die Frage danach gestellt, welche Bedeutung dabei die anforderungsabhängige Bildung entsprechender Makroelemente hat und ob fachspezifische Aussagen und empirische Belege dafür sprechen, dass ein Steuerkriterium „Ökonomie“ zugrunde liegt.
Es werden Beispiele dafür gebracht, dass sich entsprechende Voraussetzungen für einfach(st)e Prozesse in der objektiven Realität (ohne und mit Einbeziehung des Menschen) entwickelt haben sowie anforderungsabhängig durch den Menschen geschaffen wurden und werden.“
Die Vortrags-Präsentation findet sich: Hier als Power-Point-Präsentation bzw. hier als pdf-Datei
Mit sorgfältiger Systematik und Konsequenz, aber auch mit gebotener Zurückhaltung in der Erwartungsbildung, hat Erdmute Sommerfeld ihren Vortrag aufgebaut. Dies führte zu einer anregenden Diskussion, in der zunächst noch einmal Information über die drei Kategorien Wirk-, Erkenntnis- und Gestaltungsprinzip ausgetauscht wurde, sodann aber die zentrale Frage in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt wurde: Grundlegende Aussagen sind einfach, Einfachheit ist mit Klassifikation verbunden, Klasseneinteilungen gehen Erkenntnissen voraus. Die Schaffung von Voraussetzungen für Einfachheit kann selbst ein aufwändiger Prozess sein.
Es wurde auf Beispiele Bezug genommen, die dafür sprechen, dass die Frage im Titel des Vortrages bejaht werden kann. Einigkeit bestand darüber, dass für eine Reihe von Disziplinen bisher noch keine Schlussfolgerungen gezogen werden können. Hier ist disziplingebundene Forschungsarbeit erforderlich.
In seinem Dankeswort ging der Jubilar auf die enge Bindung zwischen Philosophie, Physik, Mathematik und Biologie einerseits und Psychologie andererseits ein. In den vergangenen 200 Jahren hat die Psychologie (Elementaranalyse der menschlichen Informationsverarbeitung) von den anderen Disziplinen „profitiert“. Dieser mit Beispielen belegte interdisziplinäre Transfer war bisher einseitig von den Naturwissenschaften auf die Psychologie gerichtet.
In dem Vortrag von Erdmute Sommerfeld wurde erstmals der umgekehrte Weg beschritten: von der Psychologie zu anderen Disziplinen: Die beiden von ihr in der Elementaranalyse der menschlichen Informationsverarbeitung bestimmten Voraussetzungen (Makrobildung, Zielfunktion) für das Prinzip Einfachheit finden sich auch in anderen Disziplinen. Auf der Basis dieser Voraussetzungen kann das Prinzip Einfachheit auch in anderen Disziplinen beobachtbar sein.
Der ausführliche Text findet sich: Hier
Die nächste Sitzung des Arbeitskreises Prinzip Einfachheit findet voraussichtlich zum Arbeitsthema „ Religion und Einfachheit“ statt. Der genaue Titel und der Termin werden rechtzeitig bekannt gegeben.
(Heinz-Jürgen Rothe)