Bericht des AK “Klassen- und Gesellschaftsanalyse”

Bericht zum Arbeitskreis „Klassen- und Gesellschaftsanalyse“ (Juni 2013)

In seiner Juni-Sitzung hat der Arbeitskreis noch einmal eine kontrovers begonnene, aber nicht ausreichend geführte Debatte um Wachstum und Wachstumskritik aufgenommen. Nunmehr wurde sie intensiv vorbereitet; einmal mit einem vorliegenden und inzwischen veröffentlichten Text von Ulrich Busch, dann mit einem ausgearbeiteten und vorab verteilten Kommentar von Frank Adler dazu. Eine Zuspitzung war gewollt, und zumindest mehr Klarheit sollte sich so in den Diskurs bringen lassen.

Dies ist nur bedingt gelungen, und – schaut man sich die breite gesellschaftliche Debatte an – es konnte wohl auch nur bedingt gelingen. Mit Blick auf die lebhafte und interessante Diskus-sion liegt hier für den Berichterstatter durchaus ein Gewinn: Positionen und Grenzen zwischen diesen sind deutlicher geworden. Ob man sie weiter zementiert oder zum Ausgangspunkt eines produktiven Streits macht, der letztlich wohl nur in praktischer Umsetzung „entschieden“ werden kann, hängt von vielen Faktoren ab. Deshalb ist es müßig, diese gesondert aufzulisten.

Der Wirtschaftswissenschaftler (Busch) kritisiert vor allem die unpräzise Sprache, welche die moderne Wachstumskritik prägen würde: Da man nicht unterscheiden können zwischen Wachstum – als einer rein quantitativen Größe – und Wirtschaftwachstum – als qualitativer Größe bzw. Entwicklung – werfe man nicht nur vergröbernd beides in einen Topf, sondern könne eben gerade nicht ein stets erforderliches (wenn auch geringes) Wachstum mit dem Modus einer ressourcensparenden Wirtschaftsentwicklung – also einer anderen Qualität des Wachstums – verbinden. Insofern könnte gerade die Gefahr bestehen, mit einer pauschalen Wachstumskritik die Voraussetzungen eines anderen, eines ökologischen Wirtschaftens zu untergraben. Entscheidende Voraussetzung wäre allerdings eben eine „Entkoppelung“ (wert-mäßige/stoffliche Seite) bzw. ein Pfadwechsel, über dessen Gelingen – trotz einiger prakti-scher Beispiele – gehörige Skepsis besteht.

Genau hier setzt eine umfangreichere Kritik mit gesellschaftskritischen Ansprüchen, etwa aus der Sicht der Soziologie (Adler), an: Da es letztlich als unmöglich erscheint, über Innovation und wirtschaftliche Entwicklung zu dem erforderlichen Pfadwechsel und ökologischen Um-bau zu kommen, Wachstum in jedem Fall eine schädliche Dynamik entfalten muss (Innovati-onseuphorie), ist die vorgenommene begriffliche Differenzierung eher irrelevant oder irrefüh-rend. Insofern sei auch die moderne Wachstumskritik inhaltlich wie umfänglich an die Stelle der bisherigen Kapitalismuskritik getreten; der erforderliche Pfadwechsel erfordert den Bruch mit dem Wachstumsziel. Letztlich wird so also ganz bewusst ein breiteres Begriffsverständnis favorisiert.

In der Diskussion gab es sowohl einige Zuspitzungen, eher wachstumskritische Positionen und vor allem die mehrfach begründete Meinung, dass die möglichen Wege sich vorab empirisch nicht einschätzen ließen und in der Realität sicher Kombinationen anzustreben seien, etwa zwischen technischem Fortschritt und Suffizienz. Hier eher die gemeinsamen Umbau-möglichkeiten auszuloten/auszureizen, dafür kann die weiter zu führende Debatte hilfreich sein. Ziel bleibt eine qualitativ andere Art des Wirtschaftens und des Lebens.

In seiner nächsten Zusammenkunft am 31. Oktober wird der Arbeitskreis ein anderes Heran-gehen praktizieren, ausprobieren und dabei genau diese Frage nach der anderen Art von Wirt-schaften und Leben wieder aufgreifen. Denn darauf richtet sich ja beispielsweise die neuere Transformationsdebatte: In einem ganztätigen Workshop soll systematisch eine Bilanz der bisherigen Transformationsdiskussionen (insbesondere im Arbeitskreis) gezogen und einige der übergreifenden Probleme gezielt in die Debatte eingebracht werden. Der Workshop wird dann am gewohnten Tagungsort der Leibniz-Sozietät, im Rathaus Tiergarten, stattfinden. Ein-ladung und Einsteuerung erfolgen im September.

Für Informationen zum Arbeitskreis: mailto: thomas@biss-online.de

Michael Thomas