Rainer Land:
Der Wirtschaftliche Aufschwung Chinas als gelenkte Marktwirtschaft
Diese Plenarsitzung findet ausschließlich als Präsenzveranstaltung im Rathaus Friedrichshagen statt.
Abstract:
Chinas wirtschaftlicher Aufstieg ist einmalig. Vor Beginn der Reform- und Öffnungspolitik 1978 war China eins der ärmsten Länder der Welt. Heute ist es zwar keine sehr reiche Volkswirtschaft, aber auf Platz 70, vor Mexiko und der Türkei, knapp hinter Bulgarien und Russland. Bemerkenswert ist vor allem das Tempo dieser Entwicklung. Das chinesische BIP stieg von 1980 bis heute auf das 57fache, das BIP pro Kopf auf das 38 fache. Im Vergleich: Indien auf das 15fache bzw. das 7fache, Deutschland auf das 3fache. China ist führend beim Ausbau der Erneuerbaren Energie (Photovoltaik und Windkraft), aber auch bei einigen wichtigen Technologien, z.B. 5G Mobilfunknetzen und -geräten, bei zivilen Drohnen (militärischen vielleicht auch), bei Elektrofahrzeugen ….
China verfolgt seit 20 Jahren das größte Aufforstungsprogramm der Menschheitsgeschichte, um die Ausbreitung der Wüste Gobi zu stoppen. Es hat ein ambitioniertes Weltraumprogramm. Sozialpolitisch: Beseitigung der absoluten Armut (inzwischen erreicht), der Aufbau moderner Sozialsysteme (noch im Gange) und die Begrenzung des Bevölkerungswachstums (abgeschlossen) sind die wohl wichtigsten Vorhaben.
Wie konnte China das erreichen?
In der ersten Phase 1978 bis 2007/2015 hat China eine moderne Marktwirtschaft mit autonomen Unternehmen (Staats- und Privatunternehmen) und einem regulierten Finanzsystem aufgebaut. Anfangs stand der gelenkte Aufbau dieser Marktwirtschaft und der passenden Industrie im Mittelpunkt. Seit 2015 lenkt es die wirtschaftliche Entwicklung mittels Industriepolitik, Kreditlenkung und Infrastrukturprogrammen. Chinas gelenkte Marktwirtschaft ist eine innovative Antwort auf das Scheitern der zentralen Planwirtschaft in China und der UdSSR und den anderen staatssozialistischen Ländern. Aber auch auf die Probleme und Krisen einer weitgehend ungelenkten wirtschaftlichen Entwicklung in den kapitalistischen Volkswirtschaften. Die gelenkte Marktwirtschaft ist kein Mittelweg zwischen Plan und Markt, sondern ein eigenständiges volkswirtschaftliches Modell. Vorher gab es gelenkte Marktwirtschaften in USA 1938 bis 1968, Japan 1946 bis 1989, Westdeutschland bis 1973, auch EU. Im Westen wurde die gelenkte Marktwirtschaft durch ein finanzkapitalistisches Wirtschaftsregime ersetzt bzw. abgelöst.
Die chinesische Variante, die in China selbst als Sozialistische Marktwirtschaft mit chinesischen Markmalen bezeichnet wird, ist in China selbst entwickelt worden. Aber nicht auf der Grundlage eines vorausgesetzten theoretischen Konzepts, sondern schrittweise durch „Mosaikevolution“. Westliche und japanische Erfahrungen wurden studiert und selektiv kopiert. Steine ertastend den Fluss überqueren. Dabei ging einiges schief, z.B. 1988/1989, aber Fehler wurden korrigiert und bislang ist der Weg erfolgreich. Auch wenn es aktuell wieder Probleme gibt: Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit.
Drei Komponenten sind wichtig für eine gelenkte Marktwirtschaft:
1. Geteilte Ziele und Grundkonsens in der Bevölkerung, d.h. alle relevanten sozialen Gruppen einbeziehend.
2. Geteilte Ziele, die fortschreitend aktualisiert und weiterentwickelt werden. Dafür gibt es in China Fünfjahrpläne, die aber keine direktiven Vorgaben sind, sondern Entwicklungsrichtungen, die angestrebt werden. Weitere Programme der technologischen Entwicklung (z.B. Made in China 2025), der sozialen und kulturellen Entwicklung.
3. Instrumente, mit denen die Entwicklung gelenkt wird:
• Infrastrukturprogramme, die den Rahmen für bestimmte Entwicklungen geben. Wissenschaft, Bildung, Verkehr, international: Seitenstraße, Belt-and-Road.
• Kreditlenkung, anfangs über meist staatliche Banken, heute über öffentlich-private Lenkungsfonds (Guidance Funds). Regulierte Finanzmärkte.
• FuE Politik
• Regionalpolitik. In China ist die Region (die Provinzen und Kommunen) die wichtigste Ebene der Wirtschaftsentwicklung. 85 Prozent der Ausgaben werden von ihnen kontrolliert.
Seit 2025 versucht China einen Pfadwechsel. Von der Werkstatt der Welt, exportorientierte Strategie durch Weiterentwicklung westlicher Technologien und Managementkonzepte. Zu einem neuen Regime innovationsbasierter wirtschaftlicher Entwicklung. Elemente:
• Innovationen, führend in einigen wesentlichen Technologien werden. Vor allem Elektronik, Datenverarbeitung, Energie, Recycling.
• Binnenmarktorientierung. Infrastruktur und Konsum der eigenen Bevölkerung. Export bleibt wichtig, aber Handelsbilanzüberschuss geht zurück.
• Alternatives Globalisierungskonzept: Belt&Road-Initiative. Infrastruktur aufbauen für dann selbsttragende Projekte mit internationalen Partnern.
Was ist sozialistisch am Chinas Wirtschaft? Spannende Diskussion!
Wissenschaftliche Biografie
Siehe auch www.rel-texte.de
Rainer Land, geb. 1952, Rentner, wohnt in Berlin.
Studium der Philosophie und der Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin.
Abschluss Dipl. phil. und Dr. sc. oec. (1984)
1988-1990: Reformprojekt moderner Sozialismus
1990-1991: Industriesoziologische Studien zu Transformation der DDR-Kombinate
1992-1998: Zum Verhältnis von SED-Reformer und Bürgerbewegung in Ostdeutschland
Neugründung des Thünen-Instituts e.V. in Mecklenburg Vorpommern. Untersuchungen zur Transformation von Agrarbetrieben und Umbrüchen im ländlichen Raum
Ab 2005-2010: Sozioökonomische Berichterstattung mit dem SOFI Göttingen und anderen Instituten. Speziell: Makroökonomische Entwicklung, Teilhabekapitalismus und Ostdeutschland.
2012 bis 2018: Ökokapital. Wie könnte ein ökologisches Regime wirtschaftlicher Entwicklung aufgebaut werden?
Seit 2019: Forschung zur gelenkten Marktwirtschaft vor allem in China.
Rainer Land:
Der Wirtschaftliche Aufschwung Chinas als gelenkte Marktwirtschaft
Diese Plenarsitzung findet ausschließlich als Präsenzveranstaltung im Rathaus Friedrichshagen statt.
Abstract:
Chinas wirtschaftlicher Aufstieg ist einmalig. Vor Beginn der Reform- und Öffnungspolitik 1978 war China eins der ärmsten Länder der Welt. Heute ist es zwar keine sehr reiche Volkswirtschaft, aber auf Platz 70, vor Mexiko und der Türkei, knapp hinter Bulgarien und Russland. Bemerkenswert ist vor allem das Tempo dieser Entwicklung. Das chinesische BIP stieg von 1980 bis heute auf das 57fache, das BIP pro Kopf auf das 38 fache. Im Vergleich: Indien auf das 15fache bzw. das 7fache, Deutschland auf das 3fache. China ist führend beim Ausbau der Erneuerbaren Energie (Photovoltaik und Windkraft), aber auch bei einigen wichtigen Technologien, z.B. 5G Mobilfunknetzen und -geräten, bei zivilen Drohnen (militärischen vielleicht auch), bei Elektrofahrzeugen ….
China verfolgt seit 20 Jahren das größte Aufforstungsprogramm der Menschheitsgeschichte, um die Ausbreitung der Wüste Gobi zu stoppen. Es hat ein ambitioniertes Weltraumprogramm. Sozialpolitisch: Beseitigung der absoluten Armut (inzwischen erreicht), der Aufbau moderner Sozialsysteme (noch im Gange) und die Begrenzung des Bevölkerungswachstums (abgeschlossen) sind die wohl wichtigsten Vorhaben.
Wie konnte China das erreichen?
In der ersten Phase 1978 bis 2007/2015 hat China eine moderne Marktwirtschaft mit autonomen Unternehmen (Staats- und Privatunternehmen) und einem regulierten Finanzsystem aufgebaut. Anfangs stand der gelenkte Aufbau dieser Marktwirtschaft und der passenden Industrie im Mittelpunkt. Seit 2015 lenkt es die wirtschaftliche Entwicklung mittels Industriepolitik, Kreditlenkung und Infrastrukturprogrammen. Chinas gelenkte Marktwirtschaft ist eine innovative Antwort auf das Scheitern der zentralen Planwirtschaft in China und der UdSSR und den anderen staatssozialistischen Ländern. Aber auch auf die Probleme und Krisen einer weitgehend ungelenkten wirtschaftlichen Entwicklung in den kapitalistischen Volkswirtschaften. Die gelenkte Marktwirtschaft ist kein Mittelweg zwischen Plan und Markt, sondern ein eigenständiges volkswirtschaftliches Modell. Vorher gab es gelenkte Marktwirtschaften in USA 1938 bis 1968, Japan 1946 bis 1989, Westdeutschland bis 1973, auch EU. Im Westen wurde die gelenkte Marktwirtschaft durch ein finanzkapitalistisches Wirtschaftsregime ersetzt bzw. abgelöst.
Die chinesische Variante, die in China selbst als Sozialistische Marktwirtschaft mit chinesischen Markmalen bezeichnet wird, ist in China selbst entwickelt worden. Aber nicht auf der Grundlage eines vorausgesetzten theoretischen Konzepts, sondern schrittweise durch „Mosaikevolution“. Westliche und japanische Erfahrungen wurden studiert und selektiv kopiert. Steine ertastend den Fluss überqueren. Dabei ging einiges schief, z.B. 1988/1989, aber Fehler wurden korrigiert und bislang ist der Weg erfolgreich. Auch wenn es aktuell wieder Probleme gibt: Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit.
Drei Komponenten sind wichtig für eine gelenkte Marktwirtschaft:
1. Geteilte Ziele und Grundkonsens in der Bevölkerung, d.h. alle relevanten sozialen Gruppen einbeziehend.
2. Geteilte Ziele, die fortschreitend aktualisiert und weiterentwickelt werden. Dafür gibt es in China Fünfjahrpläne, die aber keine direktiven Vorgaben sind, sondern Entwicklungsrichtungen, die angestrebt werden. Weitere Programme der technologischen Entwicklung (z.B. Made in China 2025), der sozialen und kulturellen Entwicklung.
3. Instrumente, mit denen die Entwicklung gelenkt wird:
• Infrastrukturprogramme, die den Rahmen für bestimmte Entwicklungen geben. Wissenschaft, Bildung, Verkehr, international: Seitenstraße, Belt-and-Road.
• Kreditlenkung, anfangs über meist staatliche Banken, heute über öffentlich-private Lenkungsfonds (Guidance Funds). Regulierte Finanzmärkte.
• FuE Politik
• Regionalpolitik. In China ist die Region (die Provinzen und Kommunen) die wichtigste Ebene der Wirtschaftsentwicklung. 85 Prozent der Ausgaben werden von ihnen kontrolliert.
Seit 2025 versucht China einen Pfadwechsel. Von der Werkstatt der Welt, exportorientierte Strategie durch Weiterentwicklung westlicher Technologien und Managementkonzepte. Zu einem neuen Regime innovationsbasierter wirtschaftlicher Entwicklung. Elemente:
• Innovationen, führend in einigen wesentlichen Technologien werden. Vor allem Elektronik, Datenverarbeitung, Energie, Recycling.
• Binnenmarktorientierung. Infrastruktur und Konsum der eigenen Bevölkerung. Export bleibt wichtig, aber Handelsbilanzüberschuss geht zurück.
• Alternatives Globalisierungskonzept: Belt&Road-Initiative. Infrastruktur aufbauen für dann selbsttragende Projekte mit internationalen Partnern.
Was ist sozialistisch am Chinas Wirtschaft? Spannende Diskussion!
Wissenschaftliche Biografie
Siehe auch www.rel-texte.de
Rainer Land, geb. 1952, Rentner, wohnt in Berlin.
Studium der Philosophie und der Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin.
Abschluss Dipl. phil. und Dr. sc. oec. (1984)
1988-1990: Reformprojekt moderner Sozialismus
1990-1991: Industriesoziologische Studien zu Transformation der DDR-Kombinate
1992-1998: Zum Verhältnis von SED-Reformer und Bürgerbewegung in Ostdeutschland
Neugründung des Thünen-Instituts e.V. in Mecklenburg Vorpommern. Untersuchungen zur Transformation von Agrarbetrieben und Umbrüchen im ländlichen Raum
Ab 2005-2010: Sozioökonomische Berichterstattung mit dem SOFI Göttingen und anderen Instituten. Speziell: Makroökonomische Entwicklung, Teilhabekapitalismus und Ostdeutschland.
2012 bis 2018: Ökokapital. Wie könnte ein ökologisches Regime wirtschaftlicher Entwicklung aufgebaut werden?
Seit 2019: Forschung zur gelenkten Marktwirtschaft vor allem in China.
Details
Veranstaltungsort
Berlin, 12587 Google Karte anzeigen
Veranstalter