Plenarsitzung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften am 22. April 2021 (Zoom-Konferenz)
22. April 2021 - 13:30 - 16:30
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin führt am 22. April 2021 eine weitere Plenarsitzung in der Zeit von 13.30 bis 16.30 Uhr als ZOOM-Konferenz durch zum Thema
Zirkulation von Begriffen und Argumenten zwischen Naturwissenschaften und der Sprachwissenschaft
Abstract: Morphologie, Organismus, Baumdiagramm sind heute Termini in der Sprachwissenschaft, die zu unterschiedlichen Zeiten metaphorisch von naturwissenschaftlichen Sachverhalten auf sprachliche Gegebenheiten übertragen wurden. Parallel zur technischen Innovation wertete die Orientierung an den Naturwissenschaften bereits vor der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft die Werke einzelner Sprach- und Universalgelehrter auf. Auf Beobachtung beruhende Einsichten, das Erkennen allgemeiner Gesetzmäßigkeiten und sogar die Entwicklung von Sprechmaschinen traten dabei in den Vordergrund. Leibniz verfolgte das Programm der characteristica universalis, hatte aber auch die Sprachwissenschaft als historische und auf die Vielfalt der Sprachen, deren Vergleich und die Suche nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten ausgerichtete Disziplin umrissen. Die Verwendung vereinfachender biologischer Metaphern wie der organische Naturkörper oder das Leben der Sprache im 19. Jahrhundert kann jedoch nicht allein auf den Wunsch einiger Sprachwissenschaftler zurückgeführt werden, am Aufschwung der Naturwissenschaften zu partizipieren. Während August Schleicher eine Sprache als natürlichen Organismus, der sich aus einer undifferenzierten Zelle entfalte, erklärte und seine aus der Lektüre Darwins gewonnenen Gedanken über das Leben und den Durchsetzungskampf der Sprachen in einem offenen Brief an Ernst Haeckel mitteilte, ließ sich dieser seinerseits von Schleichers sprachtheoretischen Ansichten inspirieren. Andere Autoren versuchten, dem Wesen der Sprache als natürliches, soziales, historisches, biologisches und kognitives Phänomen gerecht zu werden. Während sich die Untersuchungsverfahren der Naturwissenschaften auf einen ganz anderen, nicht erst durch Sprache konstituierten Typus von Untersuchungsgegenstand beziehen, führte die sprachliche Wende in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Auswirkungen auf Geistes- und Sozialwissenschaften. Auf der Basis eines Zusammenwirkens von Naturwissenschaften, Technik und Sprachwissenschaft entstandene Sprachtechnologien sind heute ein sehr dynamischer Bereich, der aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Eine bis heute aktuelle Frage ist die nach der Rolle von Experimenten in der Sprachwissenschaft, die wichtige Aufschlüsse erbringen, aber auch zu Einschränkungen des Forschungsgegenstands führen können. Die Geschichte der Sprachwissenschaft verdeutlicht die großen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und Gefahren interdisziplinären Arbeitens.
CV: Gerda Haßler war von 1993 bis 2020 Professorin für Linguistik und angewandte Sprachwissenschaft am Institut für Romanistik der Universität Potsdam. Sie studierte Romanistik und Slavistik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, promovierte dort 1978 mit einer Arbeit über Sprachtheorien der Aufklärung zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess im Fach Allgemeine Sprachwissenschaft und habilitierte sich 1984 mit einer Arbeit zur Geschichte des semantischen Wertbegriffs vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Sie war Prorektorin der Universität Potsdam und Mitglied in mehreren universitären Gremien und Vorständen von Fachverbänden. Sie ist Herausgeberin der Zeitschrift Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft, Mitglied im Beirat mehrerer wissenschaftlicher Zeitschriften und Gutachterin für forschungsfördernde Institutionen. Ihre gegenwärtigen Forschungsinteressen sind die funktionale Grammatik und Pragmatik der romanischen Sprachen, historische Semantik und Geschichte der Sprachwissenschaft. Sie ist assoziiertes Mitglied des Laboratoire Modèles, Dynamiques, Corpus der Université Paris Nanterre und des Laboratoire de Recherche sur le Langage der Université Clermont Auvergne. Sie hielt Vorträge und Vorlesungen an Universitäten in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Großbritannien, Finnland, Russland, Peru, Argentinien, Brasilien, Tunesien, Israel, Rumänien, den USA, Kanada und China. Sie ist Autorin von fünf Monographien und 340 Artikeln und hat 22 Sammelbände herausgegeben. Seit 2018 ist sie Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.
Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin führt am 22. April 2021 eine weitere Plenarsitzung in der Zeit von 13.30 bis 16.30 Uhr als ZOOM-Konferenz durch zum Thema
Zirkulation von Begriffen und Argumenten zwischen Naturwissenschaften und der Sprachwissenschaft
Vortragende: Gerda Haßler, (MLS)
Die Zugangsdaten für die Zoom-Konferenz:
https://us02web.zoom.us/j/82616285045?pwd=Q1cyUjB0MDV4QUhab3dEN1Y4MHNMZz09
Meeting-ID: 826 1628 5045
Kenncode: 288214
Kurzanleitung
Abstract:
Morphologie, Organismus, Baumdiagramm sind heute Termini in der Sprachwissenschaft, die zu unterschiedlichen Zeiten metaphorisch von naturwissenschaftlichen Sachverhalten auf sprachliche Gegebenheiten übertragen wurden. Parallel zur technischen Innovation wertete die Orientierung an den Naturwissenschaften bereits vor der Institutionalisierung der Sprachwissenschaft die Werke einzelner Sprach- und Universalgelehrter auf. Auf Beobachtung beruhende Einsichten, das Erkennen allgemeiner Gesetzmäßigkeiten und sogar die Entwicklung von Sprechmaschinen traten dabei in den Vordergrund. Leibniz verfolgte das Programm der characteristica universalis, hatte aber auch die Sprachwissenschaft als historische und auf die Vielfalt der Sprachen, deren Vergleich und die Suche nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten ausgerichtete Disziplin umrissen. Die Verwendung vereinfachender biologischer Metaphern wie der organische Naturkörper oder das Leben der Sprache im 19. Jahrhundert kann jedoch nicht allein auf den Wunsch einiger Sprachwissenschaftler zurückgeführt werden, am Aufschwung der Naturwissenschaften zu partizipieren. Während August Schleicher eine Sprache als natürlichen Organismus, der sich aus einer undifferenzierten Zelle entfalte, erklärte und seine aus der Lektüre Darwins gewonnenen Gedanken über das Leben und den Durchsetzungskampf der Sprachen in einem offenen Brief an Ernst Haeckel mitteilte, ließ sich dieser seinerseits von Schleichers sprachtheoretischen Ansichten inspirieren. Andere Autoren versuchten, dem Wesen der Sprache als natürliches, soziales, historisches, biologisches und kognitives Phänomen gerecht zu werden. Während sich die Untersuchungsverfahren der Naturwissenschaften auf einen ganz anderen, nicht erst durch Sprache konstituierten Typus von Untersuchungsgegenstand beziehen, führte die sprachliche Wende in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Auswirkungen auf Geistes- und Sozialwissenschaften. Auf der Basis eines Zusammenwirkens von Naturwissenschaften, Technik und Sprachwissenschaft entstandene Sprachtechnologien sind heute ein sehr dynamischer Bereich, der aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Eine bis heute aktuelle Frage ist die nach der Rolle von Experimenten in der Sprachwissenschaft, die wichtige Aufschlüsse erbringen, aber auch zu Einschränkungen des Forschungsgegenstands führen können. Die Geschichte der Sprachwissenschaft verdeutlicht die großen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und Gefahren interdisziplinären Arbeitens.
CV:
Gerda Haßler war von 1993 bis 2020 Professorin für Linguistik und angewandte Sprachwissenschaft am Institut für Romanistik der Universität Potsdam. Sie studierte Romanistik und Slavistik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, promovierte dort 1978 mit einer Arbeit über Sprachtheorien der Aufklärung zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess im Fach Allgemeine Sprachwissenschaft und habilitierte sich 1984 mit einer Arbeit zur Geschichte des semantischen Wertbegriffs vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Sie war Prorektorin der Universität Potsdam und Mitglied in mehreren universitären Gremien und Vorständen von Fachverbänden. Sie ist Herausgeberin der Zeitschrift Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft, Mitglied im Beirat mehrerer wissenschaftlicher Zeitschriften und Gutachterin für forschungsfördernde Institutionen. Ihre gegenwärtigen Forschungsinteressen sind die funktionale Grammatik und Pragmatik der romanischen Sprachen, historische Semantik und Geschichte der Sprachwissenschaft. Sie ist assoziiertes Mitglied des Laboratoire Modèles, Dynamiques, Corpus der Université Paris Nanterre und des Laboratoire de Recherche sur le Langage der Université Clermont Auvergne. Sie hielt Vorträge und Vorlesungen an Universitäten in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Großbritannien, Finnland, Russland, Peru, Argentinien, Brasilien, Tunesien, Israel, Rumänien, den USA, Kanada und China. Sie ist Autorin von fünf Monographien und 340 Artikeln und hat 22 Sammelbände herausgegeben. Seit 2018 ist sie Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.
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