Vortrag Prof. Dr. Herbert Hörz: Kognitive Psychologie, neue Technologien und Philosophie – Friedhart Klix: Vordenker für eine komplexe Persönlichkeitstheorie C.V.:
Prof. Hörz ist Wissenschaftsphilosoph und -historiker. Er wurde 1973 zum Korrespondierenden, 1977 zum Ordentlichen Mitglied der 1700 von Leibniz in Berlin begründeten Gelehrtengesellschaft gewählt, der heutigen Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. 1999 – 2006 war er deren Präsident, seit 2009 ist er ihr Ehrenpräsident.
Nach der Promotion in Philosophie/Physik (1960) und der Habilitation (1962) an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) erhielt er 1965 eine Professur für philosophische Probleme der Naturwissenschaften an der Humboldt-Universität. 1972 – 1989 leitete er den Bereich „Philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung“ am Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1989 – 1992 war er Vizepräsident der AdW der DDR für die Gelehrtensozietät, danach bis 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), Gruppe „Wissenschaftshistorische Studien“.
Seine Spezialgebiete sind Methodologie, Erkenntnistheorie, Geschichte der Wissenschaften und interdisziplinäre Beziehungen zwischen Natur-, Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Er edierte drei Bände mit der Korrespondenz von Hermann v. Helmholtz. Zu Vorträgen weilte er in den USA, China, Japan und den Ländern Ost- und Westeuropas, zu Gastprofessuren in Moskau und Graz. Abstract:
Friedhart Klix, als kognitiver Psychologe wissenschaftlich international ausgewiesen, war philosophisch umfassend gebildet, ein dialektischer Denker und an einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Wissenschaftsphilosophen interessiert. Er verfolgte aufmerksam die Entwicklung neuer Technologien (Digitalisierung). Als Vordenker einer komplexen Theorie der Persönlichkeit befasste er sich mit dem Verhältnis von Philosophie, Psychologie und Einzelwissenschaften. Er stellte sich der Frage: Quo vadis Psychologie? Nun geht es um Zukunftsvisionen und Persönlichkeitspsychologie: Kann man Gedanken lesen? Wird künstliche Intelligenz zum Mittel der Entmenschlichung des Menschen? Klix nutzte zwei Erkenntniswege, die auch aktuell zu gehen sind: Elementaranalysen (Bottom-up) sind mit philosophisch orientierten Einsichten (top-down) zu verbinden.
Vortrag Prof. Dr. Bodo Krause: Interdisziplinarität in der experimentellen Psychologie – Erinnerungen an Friedhart Klix C.V.:
Prof. Krause ist Mathematiker, Psychologe und Kognitionswissenschaftler sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2001.
Nach dem Mathematik-Studium wurde er 1966 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er 1970 auf dem Gebiet der Mathematischen Psychologie promoviert und zum Oberassistenten befördert wurde. Die Promotion B (= Habilitation) erfolgte 1980, die Berufung zum Hochschuldozenten für Allgemeine Psychologie 1983. 1986 wurde er zum außerordentlichen Professor berufen, 1992 zum Universitätsprofessor ernannt.
Seit den 1970er Jahren befasst er sich mit kognitiven Strukturen und Prozessen. Abstract:
Ein interdisziplinärer und systemisch orientierter Zugang zur experimentellen Psychologie war ein wesentliches Kennzeichen des Wirkens von Friedhart Klix. Dies stimmte mit dem naturwissenschaftlichen Zeitgeist überein, der durch die Entwicklungen in der Informationstheorie und Kybernetik geprägt war.
Ich will versuchen aufzuzeigen, wie und in welchem Ausmaß sich richtungsweisende Impulse von Friedhart Klix auf meine wissenschaftliche Entwicklung und darüber hinaus in der Entwicklung der experimentellen Psychologie ausgewirkt haben und noch heute Aktualität besitzen. Dies soll aus meiner persönlichen Sicht anhand von drei Orientierungen erfolgen, die Friedhart Klix mir in der ersten Phase meiner Tätigkeit nahe legte. Insbesondere will ich dabei verdeutlichen, dass diese interdisziplinäre Sichtweise dazu führte, das Methodenspektrum für die experimentelle Psychologie zu erweitern und damit fachliche Fortschritte und die Theorieentwicklung zu ermöglichen:
a) der Orientierung auf die Faktorenanalyse als einem multiplen statistischen Modell für die Aufklärung von Komponenten intelligenten Verhaltens und den daraus folgenden multivariaten und hierarchischen Ansätzen,
b) der Orientierung auf die strukturellen und semantischen Zusammenhänge, die psychischem Verhalten und psychischen Prozessen zugrunde liegen und
c) der Orientierung auf physiologische und neuronale Grundlagen psychischer Prozesse, insbesondere die neurokognitive Modellierung.
Mit diesen Orientierungen wird gleichzeitig deutlich, dass Friedhart Klix, der als Psychologe auch Vorlesungen in Mathematik und Physiologie besuchte, psychisches Geschehen systemisch als einen Prozess verstand, der durch die interdisziplinären Verflechtungen mit den aktuellen Entwicklungen in der Informationstheorie, der Kybernetik und den neuronalen Grundlagen des Verhaltens zu analysieren ist. Sein Buch „Information und Verhalten“ (1971) gilt bis heute als ein Standardwerk der experimentellen Psychologie und kennzeichnet die fundamentale Bedeutung von Information und (organismischer) Informationsverarbeitung für die Psychologie als Wissenschaft des Erlebens, Verhaltens und seiner Entwicklung. Der Untertitel macht dies deutlich: „Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung, Einführung in naturwissenschaftliche Grundlagen der Allgemeinen Psychologie.“
Mit meiner Auswahl werden andere wesentliche Wirkungsfelder von Friedhart Klix hier ausgeblendet, wie z.B. die von ihm initiierte Fachrichtung „Ingenieurpsychologie“ an der HU oder das von ihm mit initiierte internationale Netzwerk Man-Computer-Interaction-Research (MACINTER), das eine internationale Einbindung unserer Forschungsansätze ermöglichte.
Vortrag Prof. Dr. Werner Krause: Gesetz und Experiment in der Psychologie“ – zum Gedenken an Friedhart Klix, der am 13.10.2017 90 Jahre geworden wäre C.V.:
Prof. Krause ist Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1999. Nach dem Studium der Medizinischen Elektronik, Radiologischen Technik und Theoretischen Physik an der Technischen Universität Ilmenau arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Hirnforschungsinstitut der Universität Leipzig und am Psychologischen Institut der Humboldt-Universität Berlin, wo er 1969 promoviert wurde. Es folgten die Leitung der Abteilung Problemlösen am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Deutschen Akademie der Wissenschaften (später Akademie der Wissenschaften der DDR) sowie die Habilitation (1978) an der Humboldt-Universität. 1987 wurde er auf den Lehrstuhl Allgemeine Psychologie II der Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen; 1990 bis 1992 war er dort Dekan; in der Zeit zwischen 1988 und 1992 hielt er zusätzlich Gastvorlesungen an den Universitäten Fribourg/Schweiz und Würzburg; 2003 wurde er emeritiert.
Neben dem Buch „Denken und Gedächtnis aus naturwissenschaftlicher Sicht“ (Göttingen 2000) publizierte er zahlreiche Originalbeiträge zur menschlichen Informationsverarbeitung. Abstract:
Ausgehend von dem 1961 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattgefundenen Kolloquium „Gesetz und Experiment in der Psychologie“ , auf dem Friedhart Klix in seinem gleichnamigen Vortrag Entwicklungstendenzen für eine Theoretische Psychologie vorweggenommen hat, wird sein wissenschaftlicher Werdegang skizziert, der von einer spezifischen Komponentenanalyse über eine Prozessanalyse bis hin zu modularen Einheiten der menschlichen Informationsverarbeitung, den Universalien des Denkens reicht. Eine mentale Grammatik, die die Einheiten verknüpft, bleibt als Aufgabe für die nächste Generation.
Am Ende seines Lebens packte er noch einmal große Themen an: die evolutionäre Begründung kognitiver Prozesse sowie die Herausbildung von Weltbildern in der Geschichte. Ein geplantes Buch, das sich mit der Wandlung von Weltbildern in der Geschichte befassen sollte, konnte er nicht mehr fertigstellen.
Vortrag Prof. Dr. Heinz-Jürgen Rothe: Mensch-Maschine-Systeme in der Industrie 4.0.
Zur Aktualität der ingenieurpsychologischen Arbeiten von Friedhart Klix C.V.:
Prof. Rothe ist Arbeitspsychologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2009. Nach dem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) arbeitete er zunächst als Wissenschaftlicher Assistent unter Leitung von F. Klix im Bereich Grundlagen der Kybernetik am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der DDR und ab 1973 unter Leitung von K.-P. Timpe im Lehrbereich Arbeits- und Ingenieurpsychologie der Sektion Psychologie der HUB. Arbeitsschwerpunkt war die menschliche Informationsverarbeitung bei der Mensch-Maschine-Interaktion. 1977 wurde er mit einer Arbeit über Analysen der Informationsaufnahme in simulierten Leitständen promoviert. Nach einer zweijährigen Beratertätigkeit an der Psychologischen Fakultät der Universität Havanna (1983-1985) konzentrierte sich seine wissenschaftliche Arbeit auf methodische Zugänge zur Erfassung und Repräsentation von Expertenwissen im Vorfeld der Entwicklung wissensbasierter Systeme. 1991 habilitierte er sich an der Universität Kassel. Nach Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Kassel, Leipzig und Trier wechselte er 1995 an das neu gegründete Institut für Psychologie der Universität Potsdam. Neben der Fortsetzung seiner Arbeiten zur Diagnose berufsspezifischen Wissens bei Arbeitspersonen hat er sich an den von A.-M. Metz geleiteten Forschungsarbeiten zur Analyse psychischer Belastungen in Arbeitsprozessen und zum betrieblichen Gesundheitsmanagement beteiligt. Abstract:
Mit dem Schlagwort Industrie 4.0 wird eine in den Industrieländern beginnende technisch-technologische Entwicklung bezeichnet, die durch die Verknüpfung von Informations- und Kommunikationstechnologien mit Produktionsprozessen charakterisiert ist und zu einer weiteren Automatisierung von Arbeitssystemen führen wird. In sog. cyber-physischen Systemen werden immer mehr bisher von Menschen ausgeführte Informationsverarbeitungsprozesse und daraus resultierende Eingriffshandlungen in reale Prozesse von technischen Komponenten übernommen. Beim Menschen verbleiben aber Überwachungs- und Kontrollfunktionen. Ausgehend von diesem Entwicklungsprozess wird im Beitrag dargestellt, dass Friedhart Klix bereits 1971 auf der Grundlage einer differenzierten Analyse der damals in verschiedenen industriellen Bereichen zu findenden automatisierten Arbeitssysteme das Gemeinsame der Arbeitssituationen in Bezug auf die Anforderungen an den Menschen herausgearbeitet hat. Aus ingenieurpsychologischer Sicht charakterisierte er unabhängig vom Automatisierungsgrad die Arbeit als Mensch-Maschine-Interaktion. Die Definition von Mensch-Maschine-Systemen trifft auch für die Arbeit in und mit cyber-physischen Systemen zu. Im Weiteren wird dann an Hand von zwei konstitutiven Definitionsaspekten deren Relevanz für gegenwärtige Forschungen diskutiert:
(1) Die grundlegenden Erkenntnisse, dass menschliches Verhalten „den Gesetzen der gesellschaftlich geformten organismischen Informationsverarbeitung unterliegt“ und technische Systeme „physikalischen Gesetzen der elektronischen Informationsverarbeitung“ folgen, werden hinsichtlich der Rolle von Computern mit künstlicher Intelligenz in cyber-physischen Systemen erörtert.
(2) Die Erkenntnis, dass Mensch und Maschine „für die Zeit ihrer Verbindung wechselseitig Information in kodierter Form aufnehmen“, führt zu der Frage nach den Möglichkeiten zur Optimierung des Informationsaustausches, die eingeschränkt auf die Informationsdarbietung für den Menschen betrachtet wird.
Während zu (1) mehr offene Probleme als Antworten vorliegen, sind zu (2) bereits umfangreiche Forschungen durchgeführt worden. Im Beitrag wird gezeigt, dass die theoretische Basis dieser Forschungen die zweistufige Kodierungstheorie von Friedhart Klix darstellt. Danach werden auf der ersten Stufe technisch-technologische Prozessmerkmale in physikalische Zustandsänderungen (Kodes) umgesetzt, die auf der 2. Stufe in der Lage sind, Erregungsvorgänge in den Rezeptorfeldern der Sinnesorgane hervorzurufen. Aus dem Gedächtnis muss der Mensch dann die vorher erlernte Bedeutung der Kodezeichen abrufen und daraus die realen Prozessmerkmale erschließen. Im Ergebnis von Simulationsexperimenten wurden zur Übermittlung von Informationen an den Menschen sowohl visuelle als auch akustische Kodes entwickelt und Richtlinien für deren Gestaltung zur Gewährleistung einer schnellen und fehlerfreien Wahrnehmbarkeit erarbeitet. Diese beziehen sich auf die 2. Kodierungsstufe. Neue Erkenntnisse zur Umsetzung des Industrie- 4.0-Konzeptes kann die Ingenieurpsychologie aber nur erbringen, wenn sie sich in ihren künftigen Forschungen zur Optimierung des Informationsaustausches in Mensch-Maschine-Systemen auf die 1. Kodierungsstufe im Klix´schen Sinne konzentriert. Dazu werden abschließend im Beitrag Vorschläge zur Diskussion gestellt.
Vortrag Prof. Dr. Erdmute Sommerfeld: Die Klix-Operationen und Prozeduren: anforderungsinvariant und mathematisch exakt C.V.:
Frau Prof. Sommerfeld ist Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004. Nach dem Studium der Physik an der Technischen Hochschule Magdeburg arbeitete sie von 1969 bis 1991 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, später Akademie der Wissenschaften der DDR, am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse – mit dem Forschungsschwerpunkt „Mathematisch-psychologische Elementaranalyse der menschlichen Informationsverarbeitung“ (Promotion 1979 zum Dr. rer. nat.). Von 1985 bis zur Abwicklung der Akademie der Wissenschaften leitete sie die Abteilung „Mathematische Modellierung und Simulation kognitiver Prozesse“, danach die Projektgruppe „Mathematische Psychologie“ im Rahmen des Wissenschaftler-Integrations-Programms (WIP). Sie hielt Gastvorlesungen an den Universitäten Jena, Bochum, Braunschweig und Leuven (Belgien). Nach der Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin 1993 war sie wissenschaftliche Oberassistentin am Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1994 erhielt sie den Ruf auf die Dozentur „Methoden der Psychologie“ der Universität Leipzig und wurde 2003 zur Außerplanmäßigen Professorin ernannt.
In der International Society for Psychophysics war sie die Vorsitzende des Programm- und Organisationskomitees für den „Fechner Day 2001“ in Leipzig – das Internationale Symposium zu Ehren des 200. Geburtstages von G. Th. Fechner, dem Begründer der Psychophysik und Wegbereiter für die experimentelle Psychologie.
Sie publizierte das Buch „Kognitive Strukturen“ (Münster, New York, 1994) sowie zahlreiche Fachartikel zur Modellierung und Analyse kognitiver Strukturen und Prozesse. Abstract:
Ausgangspunkt ist die Menge der kognitiven Operationen und Prozeduren, die Friedhart Klix in elementaren Wahrnehmungsprozessen bis hin zu komplexen Problemlösungsprozessen empirisch aufgezeigt hat (1990, 1992). Darüber hinaus hat er diese Denkoperationen durch ihre evolutionäre Herausbildung begründet (1993). Sie stellen Basisprozesse in der menschlichen Informationsverarbeitung dar.
Im Vortrag werden kognitive Operationen von der theoretisch- systematischen Seite her definiert. Mit Hilfe des damit entwickelten Modellansatzes zur Systematisierung und Formalisierung kognitiver Strukturtransformationen werden die Klix-Denkoperationen systematisiert und mathematisch exakt beschrieben. Auf dieser Grundlage wird gezeigt, dass Operationen, die in der menschlichen Informationsverarbeitung empirisch besonders häufig auftreten, generelle formale Eigenschaften besitzen – gekennzeichnet durch ausgezeichnete Veränderungen von Information und Struktur. Dabei werden formale Beziehungen aufgezeigt zwischen den Klix-Operationen und Operationen aus Modellansätzen aus der Literatur sowie empirisch nachgewiesenen Operationen. Bei den bisher analysierten Operationen kann gezeigt werden, dass diese prinzipiell durch die Klix-Operationen und -Prozeduren ausgedrückt werden können.
Am 07. Dezember 2017 führt die Leibnitz-Sozietät ihre öffentliche wissenschaftliche Plenarsitzung als Kolloquium durch zum Thema
Menschliche Informationsverarbeitung – interdisziplinäre Analyse und Anwendung
zu Ehren des 90. Geburtstages von Friedhart Klix
mit Beiträgen von Herbert Hörz, Bodo Krause, Werner Krause, Heinz-Jürgen Rothe und Erdmute Sommerfeld
Zeit: 13.30 bis 15.30 Uhr
Ort: BVV-Saal
Vortragsprogramm
Vortrag Prof. Dr. Herbert Hörz: Kognitive Psychologie, neue Technologien und Philosophie – Friedhart Klix: Vordenker für eine komplexe Persönlichkeitstheorie
C.V.:
Prof. Hörz ist Wissenschaftsphilosoph und -historiker. Er wurde 1973 zum Korrespondierenden, 1977 zum Ordentlichen Mitglied der 1700 von Leibniz in Berlin begründeten Gelehrtengesellschaft gewählt, der heutigen Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. 1999 – 2006 war er deren Präsident, seit 2009 ist er ihr Ehrenpräsident.
Nach der Promotion in Philosophie/Physik (1960) und der Habilitation (1962) an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) erhielt er 1965 eine Professur für philosophische Probleme der Naturwissenschaften an der Humboldt-Universität. 1972 – 1989 leitete er den Bereich „Philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung“ am Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1989 – 1992 war er Vizepräsident der AdW der DDR für die Gelehrtensozietät, danach bis 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), Gruppe „Wissenschaftshistorische Studien“.
Seine Spezialgebiete sind Methodologie, Erkenntnistheorie, Geschichte der Wissenschaften und interdisziplinäre Beziehungen zwischen Natur-, Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Er edierte drei Bände mit der Korrespondenz von Hermann v. Helmholtz. Zu Vorträgen weilte er in den USA, China, Japan und den Ländern Ost- und Westeuropas, zu Gastprofessuren in Moskau und Graz.
Abstract:
Friedhart Klix, als kognitiver Psychologe wissenschaftlich international ausgewiesen, war philosophisch umfassend gebildet, ein dialektischer Denker und an einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Wissenschaftsphilosophen interessiert. Er verfolgte aufmerksam die Entwicklung neuer Technologien (Digitalisierung). Als Vordenker einer komplexen Theorie der Persönlichkeit befasste er sich mit dem Verhältnis von Philosophie, Psychologie und Einzelwissenschaften. Er stellte sich der Frage: Quo vadis Psychologie? Nun geht es um Zukunftsvisionen und Persönlichkeitspsychologie: Kann man Gedanken lesen? Wird künstliche Intelligenz zum Mittel der Entmenschlichung des Menschen? Klix nutzte zwei Erkenntniswege, die auch aktuell zu gehen sind: Elementaranalysen (Bottom-up) sind mit philosophisch orientierten Einsichten (top-down) zu verbinden.
Vortrag Prof. Dr. Bodo Krause: Interdisziplinarität in der experimentellen Psychologie – Erinnerungen an Friedhart Klix
C.V.:
Prof. Krause ist Mathematiker, Psychologe und Kognitionswissenschaftler sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2001.
Nach dem Mathematik-Studium wurde er 1966 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er 1970 auf dem Gebiet der Mathematischen Psychologie promoviert und zum Oberassistenten befördert wurde. Die Promotion B (= Habilitation) erfolgte 1980, die Berufung zum Hochschuldozenten für Allgemeine Psychologie 1983. 1986 wurde er zum außerordentlichen Professor berufen, 1992 zum Universitätsprofessor ernannt.
Seit den 1970er Jahren befasst er sich mit kognitiven Strukturen und Prozessen.
Abstract:
Ein interdisziplinärer und systemisch orientierter Zugang zur experimentellen Psychologie war ein wesentliches Kennzeichen des Wirkens von Friedhart Klix. Dies stimmte mit dem naturwissenschaftlichen Zeitgeist überein, der durch die Entwicklungen in der Informationstheorie und Kybernetik geprägt war.
Ich will versuchen aufzuzeigen, wie und in welchem Ausmaß sich richtungsweisende Impulse von Friedhart Klix auf meine wissenschaftliche Entwicklung und darüber hinaus in der Entwicklung der experimentellen Psychologie ausgewirkt haben und noch heute Aktualität besitzen. Dies soll aus meiner persönlichen Sicht anhand von drei Orientierungen erfolgen, die Friedhart Klix mir in der ersten Phase meiner Tätigkeit nahe legte. Insbesondere will ich dabei verdeutlichen, dass diese interdisziplinäre Sichtweise dazu führte, das Methodenspektrum für die experimentelle Psychologie zu erweitern und damit fachliche Fortschritte und die Theorieentwicklung zu ermöglichen:
a) der Orientierung auf die Faktorenanalyse als einem multiplen statistischen Modell für die Aufklärung von Komponenten intelligenten Verhaltens und den daraus folgenden multivariaten und hierarchischen Ansätzen,
b) der Orientierung auf die strukturellen und semantischen Zusammenhänge, die psychischem Verhalten und psychischen Prozessen zugrunde liegen und
c) der Orientierung auf physiologische und neuronale Grundlagen psychischer Prozesse, insbesondere die neurokognitive Modellierung.
Mit diesen Orientierungen wird gleichzeitig deutlich, dass Friedhart Klix, der als Psychologe auch Vorlesungen in Mathematik und Physiologie besuchte, psychisches Geschehen systemisch als einen Prozess verstand, der durch die interdisziplinären Verflechtungen mit den aktuellen Entwicklungen in der Informationstheorie, der Kybernetik und den neuronalen Grundlagen des Verhaltens zu analysieren ist. Sein Buch „Information und Verhalten“ (1971) gilt bis heute als ein Standardwerk der experimentellen Psychologie und kennzeichnet die fundamentale Bedeutung von Information und (organismischer) Informationsverarbeitung für die Psychologie als Wissenschaft des Erlebens, Verhaltens und seiner Entwicklung. Der Untertitel macht dies deutlich: „Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung, Einführung in naturwissenschaftliche Grundlagen der Allgemeinen Psychologie.“
Mit meiner Auswahl werden andere wesentliche Wirkungsfelder von Friedhart Klix hier ausgeblendet, wie z.B. die von ihm initiierte Fachrichtung „Ingenieurpsychologie“ an der HU oder das von ihm mit initiierte internationale Netzwerk Man-Computer-Interaction-Research (MACINTER), das eine internationale Einbindung unserer Forschungsansätze ermöglichte.
Vortrag Prof. Dr. Werner Krause: Gesetz und Experiment in der Psychologie“ – zum Gedenken an Friedhart Klix, der am 13.10.2017 90 Jahre geworden wäre
C.V.:
Prof. Krause ist Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1999. Nach dem Studium der Medizinischen Elektronik, Radiologischen Technik und Theoretischen Physik an der Technischen Universität Ilmenau arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Hirnforschungsinstitut der Universität Leipzig und am Psychologischen Institut der Humboldt-Universität Berlin, wo er 1969 promoviert wurde. Es folgten die Leitung der Abteilung Problemlösen am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Deutschen Akademie der Wissenschaften (später Akademie der Wissenschaften der DDR) sowie die Habilitation (1978) an der Humboldt-Universität. 1987 wurde er auf den Lehrstuhl Allgemeine Psychologie II der Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen; 1990 bis 1992 war er dort Dekan; in der Zeit zwischen 1988 und 1992 hielt er zusätzlich Gastvorlesungen an den Universitäten Fribourg/Schweiz und Würzburg; 2003 wurde er emeritiert.
Neben dem Buch „Denken und Gedächtnis aus naturwissenschaftlicher Sicht“ (Göttingen 2000) publizierte er zahlreiche Originalbeiträge zur menschlichen Informationsverarbeitung.
Abstract:
Ausgehend von dem 1961 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattgefundenen Kolloquium „Gesetz und Experiment in der Psychologie“ , auf dem Friedhart Klix in seinem gleichnamigen Vortrag Entwicklungstendenzen für eine Theoretische Psychologie vorweggenommen hat, wird sein wissenschaftlicher Werdegang skizziert, der von einer spezifischen Komponentenanalyse über eine Prozessanalyse bis hin zu modularen Einheiten der menschlichen Informationsverarbeitung, den Universalien des Denkens reicht. Eine mentale Grammatik, die die Einheiten verknüpft, bleibt als Aufgabe für die nächste Generation.
Am Ende seines Lebens packte er noch einmal große Themen an: die evolutionäre Begründung kognitiver Prozesse sowie die Herausbildung von Weltbildern in der Geschichte. Ein geplantes Buch, das sich mit der Wandlung von Weltbildern in der Geschichte befassen sollte, konnte er nicht mehr fertigstellen.
Vortrag Prof. Dr. Heinz-Jürgen Rothe: Mensch-Maschine-Systeme in der Industrie 4.0.
Zur Aktualität der ingenieurpsychologischen Arbeiten von Friedhart Klix
C.V.:
Prof. Rothe ist Arbeitspsychologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2009. Nach dem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) arbeitete er zunächst als Wissenschaftlicher Assistent unter Leitung von F. Klix im Bereich Grundlagen der Kybernetik am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der DDR und ab 1973 unter Leitung von K.-P. Timpe im Lehrbereich Arbeits- und Ingenieurpsychologie der Sektion Psychologie der HUB. Arbeitsschwerpunkt war die menschliche Informationsverarbeitung bei der Mensch-Maschine-Interaktion. 1977 wurde er mit einer Arbeit über Analysen der Informationsaufnahme in simulierten Leitständen promoviert. Nach einer zweijährigen Beratertätigkeit an der Psychologischen Fakultät der Universität Havanna (1983-1985) konzentrierte sich seine wissenschaftliche Arbeit auf methodische Zugänge zur Erfassung und Repräsentation von Expertenwissen im Vorfeld der Entwicklung wissensbasierter Systeme. 1991 habilitierte er sich an der Universität Kassel. Nach Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Kassel, Leipzig und Trier wechselte er 1995 an das neu gegründete Institut für Psychologie der Universität Potsdam. Neben der Fortsetzung seiner Arbeiten zur Diagnose berufsspezifischen Wissens bei Arbeitspersonen hat er sich an den von A.-M. Metz geleiteten Forschungsarbeiten zur Analyse psychischer Belastungen in Arbeitsprozessen und zum betrieblichen Gesundheitsmanagement beteiligt.
Abstract:
Mit dem Schlagwort Industrie 4.0 wird eine in den Industrieländern beginnende technisch-technologische Entwicklung bezeichnet, die durch die Verknüpfung von Informations- und Kommunikationstechnologien mit Produktionsprozessen charakterisiert ist und zu einer weiteren Automatisierung von Arbeitssystemen führen wird. In sog. cyber-physischen Systemen werden immer mehr bisher von Menschen ausgeführte Informationsverarbeitungsprozesse und daraus resultierende Eingriffshandlungen in reale Prozesse von technischen Komponenten übernommen. Beim Menschen verbleiben aber Überwachungs- und Kontrollfunktionen. Ausgehend von diesem Entwicklungsprozess wird im Beitrag dargestellt, dass Friedhart Klix bereits 1971 auf der Grundlage einer differenzierten Analyse der damals in verschiedenen industriellen Bereichen zu findenden automatisierten Arbeitssysteme das Gemeinsame der Arbeitssituationen in Bezug auf die Anforderungen an den Menschen herausgearbeitet hat. Aus ingenieurpsychologischer Sicht charakterisierte er unabhängig vom Automatisierungsgrad die Arbeit als Mensch-Maschine-Interaktion. Die Definition von Mensch-Maschine-Systemen trifft auch für die Arbeit in und mit cyber-physischen Systemen zu. Im Weiteren wird dann an Hand von zwei konstitutiven Definitionsaspekten deren Relevanz für gegenwärtige Forschungen diskutiert:
(1) Die grundlegenden Erkenntnisse, dass menschliches Verhalten „den Gesetzen der gesellschaftlich geformten organismischen Informationsverarbeitung unterliegt“ und technische Systeme „physikalischen Gesetzen der elektronischen Informationsverarbeitung“ folgen, werden hinsichtlich der Rolle von Computern mit künstlicher Intelligenz in cyber-physischen Systemen erörtert.
(2) Die Erkenntnis, dass Mensch und Maschine „für die Zeit ihrer Verbindung wechselseitig Information in kodierter Form aufnehmen“, führt zu der Frage nach den Möglichkeiten zur Optimierung des Informationsaustausches, die eingeschränkt auf die Informationsdarbietung für den Menschen betrachtet wird.
Während zu (1) mehr offene Probleme als Antworten vorliegen, sind zu (2) bereits umfangreiche Forschungen durchgeführt worden. Im Beitrag wird gezeigt, dass die theoretische Basis dieser Forschungen die zweistufige Kodierungstheorie von Friedhart Klix darstellt. Danach werden auf der ersten Stufe technisch-technologische Prozessmerkmale in physikalische Zustandsänderungen (Kodes) umgesetzt, die auf der 2. Stufe in der Lage sind, Erregungsvorgänge in den Rezeptorfeldern der Sinnesorgane hervorzurufen. Aus dem Gedächtnis muss der Mensch dann die vorher erlernte Bedeutung der Kodezeichen abrufen und daraus die realen Prozessmerkmale erschließen. Im Ergebnis von Simulationsexperimenten wurden zur Übermittlung von Informationen an den Menschen sowohl visuelle als auch akustische Kodes entwickelt und Richtlinien für deren Gestaltung zur Gewährleistung einer schnellen und fehlerfreien Wahrnehmbarkeit erarbeitet. Diese beziehen sich auf die 2. Kodierungsstufe. Neue Erkenntnisse zur Umsetzung des Industrie- 4.0-Konzeptes kann die Ingenieurpsychologie aber nur erbringen, wenn sie sich in ihren künftigen Forschungen zur Optimierung des Informationsaustausches in Mensch-Maschine-Systemen auf die 1. Kodierungsstufe im Klix´schen Sinne konzentriert. Dazu werden abschließend im Beitrag Vorschläge zur Diskussion gestellt.
Vortrag Prof. Dr. Erdmute Sommerfeld: Die Klix-Operationen und Prozeduren: anforderungsinvariant und mathematisch exakt
C.V.:
Frau Prof. Sommerfeld ist Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004. Nach dem Studium der Physik an der Technischen Hochschule Magdeburg arbeitete sie von 1969 bis 1991 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, später Akademie der Wissenschaften der DDR, am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse – mit dem Forschungsschwerpunkt „Mathematisch-psychologische Elementaranalyse der menschlichen Informationsverarbeitung“ (Promotion 1979 zum Dr. rer. nat.). Von 1985 bis zur Abwicklung der Akademie der Wissenschaften leitete sie die Abteilung „Mathematische Modellierung und Simulation kognitiver Prozesse“, danach die Projektgruppe „Mathematische Psychologie“ im Rahmen des Wissenschaftler-Integrations-Programms (WIP). Sie hielt Gastvorlesungen an den Universitäten Jena, Bochum, Braunschweig und Leuven (Belgien). Nach der Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin 1993 war sie wissenschaftliche Oberassistentin am Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1994 erhielt sie den Ruf auf die Dozentur „Methoden der Psychologie“ der Universität Leipzig und wurde 2003 zur Außerplanmäßigen Professorin ernannt.
In der International Society for Psychophysics war sie die Vorsitzende des Programm- und Organisationskomitees für den „Fechner Day 2001“ in Leipzig – das Internationale Symposium zu Ehren des 200. Geburtstages von G. Th. Fechner, dem Begründer der Psychophysik und Wegbereiter für die experimentelle Psychologie.
Sie publizierte das Buch „Kognitive Strukturen“ (Münster, New York, 1994) sowie zahlreiche Fachartikel zur Modellierung und Analyse kognitiver Strukturen und Prozesse.
Abstract:
Ausgangspunkt ist die Menge der kognitiven Operationen und Prozeduren, die Friedhart Klix in elementaren Wahrnehmungsprozessen bis hin zu komplexen Problemlösungsprozessen empirisch aufgezeigt hat (1990, 1992). Darüber hinaus hat er diese Denkoperationen durch ihre evolutionäre Herausbildung begründet (1993). Sie stellen Basisprozesse in der menschlichen Informationsverarbeitung dar.
Im Vortrag werden kognitive Operationen von der theoretisch- systematischen Seite her definiert. Mit Hilfe des damit entwickelten Modellansatzes zur Systematisierung und Formalisierung kognitiver Strukturtransformationen werden die Klix-Denkoperationen systematisiert und mathematisch exakt beschrieben. Auf dieser Grundlage wird gezeigt, dass Operationen, die in der menschlichen Informationsverarbeitung empirisch besonders häufig auftreten, generelle formale Eigenschaften besitzen – gekennzeichnet durch ausgezeichnete Veränderungen von Information und Struktur. Dabei werden formale Beziehungen aufgezeigt zwischen den Klix-Operationen und Operationen aus Modellansätzen aus der Literatur sowie empirisch nachgewiesenen Operationen. Bei den bisher analysierten Operationen kann gezeigt werden, dass diese prinzipiell durch die Klix-Operationen und -Prozeduren ausgedrückt werden können.
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Berlin, 10551 Google Karte anzeigen