Arbeitskreis ‚Energie – Mensch – Zivilisation‘ zur Kernenergie

Zusammenfassung einer Arbeitskreis-internen Fachdiskussion des AK EMZ zum Thema „Kernenergie reloaded?“ am 23.09.2025

Die Debatte um die Kernenergie in Deutschland ist seit dem Atomausstieg 2011 nach Fukushima und der endgültigen Abschaltung der letzten Kernkraftwerke 2022 in Deutschland geprägt von gesellschaftlicher Ablehnung und politischer Polarisierung. Mit der Energiekrise und Fragen der Versorgungssicherheit hat das Thema jedoch wieder an Dynamik gewonnen: Befürworter, insbesondere aus den populistischen Lagern, verweisen auf eine Reaktivierung stillgelegter, deutscher Kernkraftwerke, auf neue Reaktorkonzepte und die CO₂-arme Stromproduktion, während Kritiker auf ungelöste Endlagerfragen, hohe Kosten und unkalkulierbare Sicherheitsrisiken hinweisen. Im Klimaschutz wird Kernenergie als mögliche Ergänzung zu volatilen Erneuerbaren diskutiert, es bleibt aber umstritten, ob sie einen realistischen Beitrag zu den deutschen Klimazielen leisten kann. Technologisch rücken Small Modular Reactors, Reaktoren der Generation IV sowie internationale Projekte wie der Dual-Fluid-Reaktor in den Fokus, doch ihre industrielle Reife liegt noch in der Zukunft. Die politischen Parteien zeigen ein gespaltenes Bild: CDU/CSU, FDP und BSW vertreten neutrale bis offene Positionen, die AfD ist klar pro Kernenergie, während SPD, Grüne und Linke dagegenhalten. Parallel dazu zeigen Umfragen eine leichte Zunahme der Zustimmung, insbesondere bei den älteren Altersgruppen, ohne jedoch eine gesellschaftliche Mehrheit zu erreichen. Im Bereich der Kernfusion, mit Großprojekten wie ITER und Wendelstein 7-X sowie privaten Initiativen, wird ein Durchbruch frühestens in 20 bis 25 Jahren erwartet. Die Kernfrage lautet, ob Deutschland in Forschung und Ausbildung investieren sollte, um international anschlussfähig zu bleiben, oder ob das Feld anderen, populistischen Akteuren überlassen wird. Vielleicht ist es aber die vernünftigere Alternative, Forschung, Entwicklung und Ausbildung in Deutschland vollständig auf die Einkommensenergien, umgangssprachlich Erneuerbare Energien, auszurichten?

Der Arbeitskreis Energie, Mensch und Zivilisation hat sich am 23.09.2025 mit dieser Problematik auf der Grundlage eines Kurzvortrages von Dr. Jeremias und Dr. Mertzsch auseinandergesetzt und eine sachliche, von wissenschaftlichen Grundlagen geleitete Diskussion geführt. In den nachfolgenden Grundsätzen waren sich die Teilnehmer als Fazit der Veranstaltung einig:

  • Die Leibniz Sozietät sollte den aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen um das Thema nicht ausweichen und sich mit wissenschaftlich fundierten Argumenten am Meinungsbildungsprozess beteiligen.
  • Die Energiegewinnung durch Nutzung der Kernspaltung wird von den Mitgliedern des Arbeitskreises nicht als Alternative zur Gewinnung von Energie auf klimafreundlichem Weg gesehen. Der eingeschlagene Weg der umfassenden Nutzung von Einkommensenergien, wird uneingeschränkt unterstützt. Eine Rückkehr in das Atomzeitalter kommt für den Klimaschutz zu spät und gefährdet die Chance für eine Neuausrichtung der deutschen Wirtschaft auf moderne, klimafreundliche Technologien massiv. Außerdem ist es der einzige Weg, um Deutschland dauerhaft von teuren Energieimporten unabhängig zu machen.
  • Gegen eine weitere Nutzung der Kernspaltung sprechen die ungenügende Verantwortung der Menschheit für diese potenziell gefährliche Technologie, auch weil die Endlagerung langlebiger, radioaktiver Abfälle bis heute und in absehbarer Zeit nicht ausreichend gelöst ist. Hinzu kommt die Nähe dieser Industrie zu der Problematik Kernwaffen, in zunehmend politisch unsicheren Zeiten.
  • Die Nutzung der Kernfusion kann in weiter Zukunft ggf. ein Lösungsansatz für die Deckung des Energiebedarfs der Menschheit sein. Dazu muss die Forschung auf diesem Gebiet aber zunächst erfolgreich sein und der Beweis der Praxistauglichkeit ohne die für die Kernspaltung genannten Risiken erbracht werden.
  • Es wird empfohlen, einen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Dialog anzuregen, worauf Forschung, Entwicklung und Ausbildung in Deutschland zu konzentrieren ist: Eher auf das Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie oder auf das Gebiet der Einkommensenergien oder auf beides parallel? Die Beantwortung dieser Fragestellung ist vor allem vor dem Hintergrund der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und der Gewährleistung der nuklearen Sicherheit unseres Landes zu betrachten. Deutschland ist von bestehenden und neuen Kernkraftwerken umgeben, so dass es sinnvoll und notwendig sein kann, den wissenschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet Kernenergie mitbestimmen, vorhandene Kernkraftwerke in Europa und in der Welt sicher zu betreiben und später zurückbauen sowie vorhandene radioaktive Abfälle sicher entsorgen zu können.