Oktober-Sitzung der Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften (gemeinsam mit der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften)
9. Oktober 2014 - 10:00 - 12:00
Die Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften lädt gemeinsam mit der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften zur planmäßig am 09. Oktober 2014 stattfindenden Oktober-Sitzung ein, auf der folgende Vorträge gehalten und zur Diskussion gestellt werden:
Gerhard Banse (MLS) & L.-G. Fleischer (MLS)
Theoria cum praxi et bonum commune: Technik und Technologie
10.00 bis 12.00 Uhr; Ort: BVV-Saal
C.V.:
Prof. Banse ist Technikphilosoph und gehört der Leibniz-Sozietät seit 2000 an; seit 2012 ist er deren Präsident. Nach Pädagogik-Studium und Doktorat arbeitete er 1974 – 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW), am Lehrstuhl Technikphilosophie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und am Institut für Philosophie der Universität Potsdam. 1999 – 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT – Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord (ehemals Forschungszentrum Karlsruhe GmbH), am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse.
Nach der Habilitation (1981) wurde er 1988 zum Professor für Philosophie an der AdW ernannt. 2000 erfolgten die Bestellung zum Honorarprofessor für Allgemeine Technikwissenschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus sowie die Berufung zum Gastprofessor an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Matej-Bel-Universität Banská Bystrica (Slowakische Republik), 2011 die Ernennung zum Professor e.h. der Schlesischen Universität Katowice. Darüber hinaus lehrte er an der Humboldt-Universität zu Berlin, der TH Wismar und der Technischen Hochschule (Polytechnikum) Rzeszów.
Er ist als Herausgeber, Mitherausgeber, Autor oder Mitautor an etwa 400 Buch- und Zeitschriftenpublikationen beteiligt.
Prof. Fleischer ist Verfahrenstechniker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004, deren Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften er als Sekretar vorsteht. Bis zur Emeritierung leitete er das Fachgebiet Lebensmittelverfahrenstechnik an der Technischen Universität Berlin sowie das traditionsreiche Berliner Zuckerinstitut und war Dekan der Fakultät für Prozesswissenschaften der Technischen Universität.
Abstract: Die Referenten teilen die Interpretation, dass die aus guten Gründen beharrlich betonte Leibniz’sche Devise „theoria cum praxi“ nicht bloß bedeutet, „man müste gleich Anfangs das Werck samt der Wissenschaft auf den Nuzen richten“(1), sondern ein – zumindest hinsichtlich seiner Universalität bisher leider gescheitertes – umfassendes Konzept meint, wie Hermann Klenner in einem Plenarvortag(2) in der Sozietät begründete. Nämlich, die Wissenschaft zu vergesellschaften, die Gesellschaft mit ihr zu imprägnieren, dabei Theorie und Praxis zur Einheit zu verbinden und gerade so wahrzunehmen, das gesamte gesellschaftliche Leben zu durchdringen und vor allem in diesem Sinn zu verändern(3)– mit alledem letztendlich dem Gemeinwohl zu dienen. In Einem: Theoria cum praxi et bonum commune zu verflechten und adäquat zu realisieren. Diese leitmotivische Verknüpfung verdanken wir unserem Mitglied Hans Sünkel, der die Sentenz für ein geowissenschaftliches Themenfeld im Jahr 2015 explizieren will. Unter diesem Signum können sich in loser Folge weitere Beiträge anschließen.
Die beiden Vorträge des Kolloquiums am 9. Oktober 2014 sowie die anschließende – hoffentlich rege und weiterführende interdisziplinäre – Diskussion beider Klassen der Leibniz-Sozietät, wollen die exemplarisch herausragenden wissenschaftlichen und gesellschaftspraktischen Felder der Technik und Technologie erörtern, die faktisch kaum trennbar, allerdings in ihrer wechselseitigen Bedingtheit unter verschiedenen Aspekten sachdienlich und zielorientiert akzentuierbar sind.
Der Träger der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Medaille Günter Spur resümiert seine diesbezüglich reichen Erfahrungen in dem Satz: „Technik, Technologie und Technikwissenschaften bilden eine Begriffsgemenge unklarer Abgrenzung“
Andererseits verzeichnet und belegt die Literatur zahllose Bemühungen, um Technik und Technologie eingehender zu erkennen. Wissen wir aber tatsächlich, was Technik, was Technologie ist, wenn wir Hegels Bewertungen aus der Vorrede der Phänomenologie des Geistes folgen?
„Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt. Es ist die gewöhnlichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Erkennen etwas als bekannt vorauszusetzen, und es sich ebenso gefallen zu lassen.“(4)
Die eigentliche Analyse der zitierten komplexen Begriffsmenge und der ihnen zugrundeliegenden Gegebenheiten bedürfte systematischer wissenschaftshistorischer, wissenschaftspragmatischer und wissenschaftssystematischenGesichtspunkteund Strategien. Das kann mit dem Kolloquium insbesondere seinen einführenden Kurzbeiträgen, natürlich nicht geleistet werden. Dennoch sollen sie unterstützende Anregungen vermitteln, die der inter- und transdisziplinären Diskussion und praktischen Folgerungen für Arbeit der Sozietät dienen können.
Im Teil 1 wird Gerhard Banse dem Thema: Technikverständnis – eine unendliche Geschichte
und im Teil 2 Lutz-Günther Fleischer dem Thema: Technologie: techné und epistémé folgen.
Technik ist so alt wie die Menschheit selbst, sie ist alltäglich, selbstverständlich, allgegenwärtig! [„tacit presence“], eine wirkmächtige (geschichtsträchtige/-gesellschaftsverändernde) Kraft. Unsere Welt, unsere Kultur, unser Leben sind weitgehend technikbasiert! [„Technische Zivilisation, Technische Kultur“].
Jeder hat eine bestimmte Vorstellung von Technik, die (auch) auf den beruflichen und privaten Erfahrungen im Umgang mit ihr, auf Hoffnungen und Wünschen, auf Ängsten und Befürchtungen, auf Prognosen und Visionen, auf Akzeptanz bzw. Nichtakzeptanz usw. beruht.
Im ersten Beitrag wird es um die Technik als Teil unserer Lebenswelt in einer mehr „statischen Weise gehen, d.h. weniger um die „Dynamik“ des Technischen im Sinne von „Werden und Vergehen“, „technischer Entwicklung“, „Technikgenese“, „technischer Evolution“, „technischer Fortschritt/technischer Revolution“, „technischer Onto-/Phylogenese“. Berücksichtigt wird die aktuelle (wie historische!) Vielgestaltigkeit von Technik: Nanopartikel, mikromechanische Objekte, einfache Maschinenelemente, Geräte, Bauwerke, technische Anlagen, komplizierte chemische Synthesen, weltumspannende Informations- und Kommunikationsnetze; Konsumtions- und Produktions-Technik.
Technologien sind multiskalige, offene, funktionsbestimmte, ganzheitlich operierende, hoch komplexe, emergente dynamische Gesamtheiten/Ganzheiten mit typischen (schon gegebenen oder geschaffenen) Kooperations- und Organisationsformen zwischen ihren konstituierenden, integrierten Subsystemen und charakteristischen Relationen/Interaktionen.
Im zweiten Beitrag wird die Technologie in ihrer dialektischen Einheit von techné und epistémé (Aristoteles: Nikomachische Ethik), von Ontischem und Kognitivem als Dualitätpraxisorientierter, objektiv-realer Prozess-Systeme (Sachsysteme) und erkenntnisorientierter, akkumulierender und systematisierender Wissens-Systeme (Theoriensysteme). diskutiert.
Technologien generieren und manifestieren generell Strukturen (Ordnungen) und schaffen Gebrauchswerte; sie bedürfen für ihre Entwicklung, das Betreiben und Analysieren zwingend der Inter- und Transdisziplinarität und prägen sie zudem praktisch sowie theoretisch aus. Ihre elementare Basis bilden MINT-Kompetenzen, Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, sowie Einstellungen und Wertvorstellungen.
In der Sachebene subsumiert der Oberbegriff Technologie das effiziente Gestalten, Verrichten und Beherrschen zielgerichteter menschlicher Handlungen in kooperativen (Arbeits)Prozessen auf individuellem, handwerklichem, manufakturellem oder industriellem Niveau mit originären oder hinzugezogenen (eigens dafür geschaffenen) Assistiven. Er umfasst das organisierte und optimierte, unmittelbare oder mittelbare, finale, Zusammenwirken des Menschen mit relativ souveränen Subsystemen: Artefakten und/oder operationellen Agentia (Stoffen, Energien, Informationen aller Art): der artefaktischen und ‚maschinenlosen’ Technik – Arbeitsmitteln zur effektiv gestalteten und effizient zu vollziehenden, systematischen Veränderung von Stoffen, Energien, Informationen oder anderen komplexen Entitäten aus der Tatsachen- und/oder Vorstellungswelt (Arbeitsgegenständen) in ihren räumlichen Positionen, in den Zeitkoordinaten, ihrer (äußeren) Form und Gestalt und/oder ihrer (inneren) Qualität (Konversion/Transformationen)
Zur hervorstechenden Gruppe der emerging technologies, die gegenwärtig und mindestens in diesem Dezennium anhaltend, mit ihren außerordentlichen Entwicklungspotentialen in überragender Weise das gesellschaftliche Erkenntnis- Kreativitäts- und Produktivitätsniveau, die materiell technische Basis sowie die soziale Umwelt stimulieren und verändern gehören neben den Biotechnologien, einigen Informationstechnologien, wie der Mensch-Maschine-Kommunikation, der drahtlosen Datenübertragung, dem digitalen ‚Abrufdruck‘ (print-on-demand), der fortgeschrittenen Robotik sowie den Nanotechnologien, die zu exponierenden Kognitionstechnologien.
Seit Beginn dieses Jahrtausends ist darüber hinausgehend im Kontext mit den anwendungsoffenen und rasch evolvierenden converging sciences andtechnologies die Konvergenz von vier Schlüsseltechnologien zu beobachten: Die Nano-, Bio-, Informations- und Kognitions- bzw. Neurotechnologien gehören zu den herausragenden Versionen der converging technologies,. die zugleich von der fortschreitenden Transdisziplinarität zeugen. Für sie hat sich die – aus dem Englischen abgeleitete- Abkürzung NBIC etabliert.
Anmerkungen:
(1) Leibnizens Denkschrift in Bezug auf die Einrichtung einer Societas Scientiarum et Artium in Berlin vom 24./6. März 1700. In: Werner Hartkopf, Gert Wangermann: Dokumente zur Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften von 1700 bis 1990. Berlin / Heidelberg / New York 1991. Dokument Nr. 19, S. 216-218, hier S. 217.
(2) Hermann Klenner: Leibnizens Denkschriften vom 26. März 1700 „eine societatem scientiarum et artium zu fundiren“ und das Reglement der königlich-preußischen „Societät der Wissenschaften allhier“ vom 3. Juni 1710. In: Sitz. Ber. d. Leibniz-Sozietät 110 (2011), S. 41-106, hier S. 89-91.
(3) Leibnizens Denkschrift in Bezug auf die Einrichtung einer Societas Scientiarum et Artium in Berlin vom 24./6. März 1700. In: Werner Hartkopf, Gert Wangermann: Dokumente zur Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften von 1700 bis 1990. Berlin / Heidelberg / New York 1991. Dokument Nr. 19, S. 216-218, hier S. 217.
(4) , Gottfried Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Vorrede. Leipzig 1949, S. 28; (H.d.V. – G.B.)
Die Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften lädt gemeinsam mit der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften zur planmäßig am 09. Oktober 2014 stattfindenden Oktober-Sitzung ein, auf der folgende Vorträge gehalten und zur Diskussion gestellt werden:
Gerhard Banse (MLS) & L.-G. Fleischer (MLS)
Theoria cum praxi et bonum commune: Technik und Technologie
10.00 bis 12.00 Uhr; Ort: BVV-Saal
C.V.:
Prof. Banse ist Technikphilosoph und gehört der Leibniz-Sozietät seit 2000 an; seit 2012 ist er deren Präsident. Nach Pädagogik-Studium und Doktorat arbeitete er 1974 – 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW), am Lehrstuhl Technikphilosophie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und am Institut für Philosophie der Universität Potsdam. 1999 – 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT – Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord (ehemals Forschungszentrum Karlsruhe GmbH), am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse.
Nach der Habilitation (1981) wurde er 1988 zum Professor für Philosophie an der AdW ernannt. 2000 erfolgten die Bestellung zum Honorarprofessor für Allgemeine Technikwissenschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus sowie die Berufung zum Gastprofessor an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Matej-Bel-Universität Banská Bystrica (Slowakische Republik), 2011 die Ernennung zum Professor e.h. der Schlesischen Universität Katowice. Darüber hinaus lehrte er an der Humboldt-Universität zu Berlin, der TH Wismar und der Technischen Hochschule (Polytechnikum) Rzeszów.
Er ist als Herausgeber, Mitherausgeber, Autor oder Mitautor an etwa 400 Buch- und Zeitschriftenpublikationen beteiligt.
Prof. Fleischer ist Verfahrenstechniker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004, deren Klasse Naturwissenschaften und Technikwissenschaften er als Sekretar vorsteht. Bis zur Emeritierung leitete er das Fachgebiet Lebensmittelverfahrenstechnik an der Technischen Universität Berlin sowie das traditionsreiche Berliner Zuckerinstitut und war Dekan der Fakultät für Prozesswissenschaften der Technischen Universität.
Abstract:
Die Referenten teilen die Interpretation, dass die aus guten Gründen beharrlich betonte Leibniz’sche Devise „theoria cum praxi“ nicht bloß bedeutet, „man müste gleich Anfangs das Werck samt der Wissenschaft auf den Nuzen richten“(1), sondern ein – zumindest hinsichtlich seiner Universalität bisher leider gescheitertes – umfassendes Konzept meint, wie Hermann Klenner in einem Plenarvortag(2) in der Sozietät begründete. Nämlich, die Wissenschaft zu vergesellschaften, die Gesellschaft mit ihr zu imprägnieren, dabei Theorie und Praxis zur Einheit zu verbinden und gerade so wahrzunehmen, das gesamte gesellschaftliche Leben zu durchdringen und vor allem in diesem Sinn zu verändern(3)– mit alledem letztendlich dem Gemeinwohl zu dienen. In Einem: Theoria cum praxi et bonum commune zu verflechten und adäquat zu realisieren. Diese leitmotivische Verknüpfung verdanken wir unserem Mitglied Hans Sünkel, der die Sentenz für ein geowissenschaftliches Themenfeld im Jahr 2015 explizieren will. Unter diesem Signum können sich in loser Folge weitere Beiträge anschließen.
Die beiden Vorträge des Kolloquiums am 9. Oktober 2014 sowie die anschließende – hoffentlich rege und weiterführende interdisziplinäre – Diskussion beider Klassen der Leibniz-Sozietät, wollen die exemplarisch herausragenden wissenschaftlichen und gesellschaftspraktischen Felder der Technik und Technologie erörtern, die faktisch kaum trennbar, allerdings in ihrer wechselseitigen Bedingtheit unter verschiedenen Aspekten sachdienlich und zielorientiert akzentuierbar sind.
Der Träger der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Medaille Günter Spur resümiert seine diesbezüglich reichen Erfahrungen in dem Satz: „Technik, Technologie und Technikwissenschaften bilden eine Begriffsgemenge unklarer Abgrenzung“
Andererseits verzeichnet und belegt die Literatur zahllose Bemühungen, um Technik und Technologie eingehender zu erkennen. Wissen wir aber tatsächlich, was Technik, was Technologie ist, wenn wir Hegels Bewertungen aus der Vorrede der Phänomenologie des Geistes folgen?
„Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt. Es ist die gewöhnlichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beim Erkennen etwas als bekannt vorauszusetzen, und es sich ebenso gefallen zu lassen.“(4)
Die eigentliche Analyse der zitierten komplexen Begriffsmenge und der ihnen zugrundeliegenden Gegebenheiten bedürfte systematischer wissenschaftshistorischer, wissenschaftspragmatischer und wissenschaftssystematischen Gesichtspunkte und Strategien. Das kann mit dem Kolloquium insbesondere seinen einführenden Kurzbeiträgen, natürlich nicht geleistet werden. Dennoch sollen sie unterstützende Anregungen vermitteln, die der inter- und transdisziplinären Diskussion und praktischen Folgerungen für Arbeit der Sozietät dienen können.
Im Teil 1 wird Gerhard Banse dem Thema:
Technikverständnis – eine unendliche Geschichte
und im Teil 2 Lutz-Günther Fleischer dem Thema:
Technologie: techné und epistémé
folgen.
Technik ist so alt wie die Menschheit selbst, sie ist alltäglich, selbstverständlich, allgegenwärtig! [„tacit presence“], eine wirkmächtige (geschichtsträchtige/-gesellschaftsverändernde) Kraft. Unsere Welt, unsere Kultur, unser Leben sind weitgehend technikbasiert! [„Technische Zivilisation, Technische Kultur“].
Jeder hat eine bestimmte Vorstellung von Technik, die (auch) auf den beruflichen und privaten Erfahrungen im Umgang mit ihr, auf Hoffnungen und Wünschen, auf Ängsten und Befürchtungen, auf Prognosen und Visionen, auf Akzeptanz bzw. Nichtakzeptanz usw. beruht.
Im ersten Beitrag wird es um die Technik als Teil unserer Lebenswelt in einer mehr „statischen Weise gehen, d.h. weniger um die „Dynamik“ des Technischen im Sinne von „Werden und Vergehen“, „technischer Entwicklung“, „Technikgenese“, „technischer Evolution“, „technischer Fortschritt/technischer Revolution“, „technischer Onto-/Phylogenese“. Berücksichtigt wird die aktuelle (wie historische!) Vielgestaltigkeit von Technik: Nanopartikel, mikromechanische Objekte, einfache Maschinenelemente, Geräte, Bauwerke, technische Anlagen, komplizierte chemische Synthesen, weltumspannende Informations- und Kommunikationsnetze; Konsumtions- und Produktions-Technik.
Technologien sind multiskalige, offene, funktionsbestimmte, ganzheitlich operierende, hoch komplexe, emergente dynamische Gesamtheiten/Ganzheiten mit typischen (schon gegebenen oder geschaffenen) Kooperations- und Organisationsformen zwischen ihren konstituierenden, integrierten Subsystemen und charakteristischen Relationen/Interaktionen.
Im zweiten Beitrag wird die Technologie in ihrer dialektischen Einheit von techné und epistémé (Aristoteles: Nikomachische Ethik), von Ontischem und Kognitivem als Dualität praxisorientierter, objektiv-realer Prozess-Systeme (Sachsysteme) und erkenntnisorientierter, akkumulierender und systematisierender Wissens-Systeme (Theoriensysteme). diskutiert.
Technologien generieren und manifestieren generell Strukturen (Ordnungen) und schaffen Gebrauchswerte; sie bedürfen für ihre Entwicklung, das Betreiben und Analysieren zwingend der Inter- und Transdisziplinarität und prägen sie zudem praktisch sowie theoretisch aus. Ihre elementare Basis bilden MINT-Kompetenzen, Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, sowie Einstellungen und Wertvorstellungen.
In der Sachebene subsumiert der Oberbegriff Technologie das effiziente Gestalten, Verrichten und Beherrschen zielgerichteter menschlicher Handlungen in kooperativen (Arbeits)Prozessen auf individuellem, handwerklichem, manufakturellem oder industriellem Niveau mit originären oder hinzugezogenen (eigens dafür geschaffenen) Assistiven. Er umfasst das organisierte und optimierte, unmittelbare oder mittelbare, finale, Zusammenwirken des Menschen mit relativ souveränen Subsystemen: Artefakten und/oder operationellen Agentia (Stoffen, Energien, Informationen aller Art): der artefaktischen und ‚maschinenlosen’ Technik – Arbeitsmitteln zur effektiv gestalteten und effizient zu vollziehenden, systematischen Veränderung von Stoffen, Energien, Informationen oder anderen komplexen Entitäten aus der Tatsachen- und/oder Vorstellungswelt (Arbeitsgegenständen) in ihren räumlichen Positionen, in den Zeitkoordinaten, ihrer (äußeren) Form und Gestalt und/oder ihrer (inneren) Qualität (Konversion/Transformationen)
Zur hervorstechenden Gruppe der emerging technologies, die gegenwärtig und mindestens in diesem Dezennium anhaltend, mit ihren außerordentlichen Entwicklungspotentialen in überragender Weise das gesellschaftliche Erkenntnis- Kreativitäts- und Produktivitätsniveau, die materiell technische Basis sowie die soziale Umwelt stimulieren und verändern gehören neben den Biotechnologien, einigen Informationstechnologien, wie der Mensch-Maschine-Kommunikation, der drahtlosen Datenübertragung, dem digitalen ‚Abrufdruck‘ (print-on-demand), der fortgeschrittenen Robotik sowie den Nanotechnologien, die zu exponierenden Kognitionstechnologien.
Seit Beginn dieses Jahrtausends ist darüber hinausgehend im Kontext mit den anwendungsoffenen und rasch evolvierenden converging sciences and technologies die Konvergenz von vier Schlüsseltechnologien zu beobachten: Die Nano-, Bio-, Informations- und Kognitions- bzw. Neurotechnologien gehören zu den herausragenden Versionen der converging technologies,. die zugleich von der fortschreitenden Transdisziplinarität zeugen. Für sie hat sich die – aus dem Englischen abgeleitete- Abkürzung NBIC etabliert.
Anmerkungen:
(1) Leibnizens Denkschrift in Bezug auf die Einrichtung einer Societas Scientiarum et Artium in Berlin vom 24./6. März 1700. In: Werner Hartkopf, Gert Wangermann: Dokumente zur Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften von 1700 bis 1990. Berlin / Heidelberg / New York 1991. Dokument Nr. 19, S. 216-218, hier S. 217.
(2) Hermann Klenner: Leibnizens Denkschriften vom 26. März 1700 „eine societatem scientiarum et artium zu fundiren“ und das Reglement der königlich-preußischen „Societät der Wissenschaften allhier“ vom 3. Juni 1710. In: Sitz. Ber. d. Leibniz-Sozietät 110 (2011), S. 41-106, hier S. 89-91.
(3) Leibnizens Denkschrift in Bezug auf die Einrichtung einer Societas Scientiarum et Artium in Berlin vom 24./6. März 1700. In: Werner Hartkopf, Gert Wangermann: Dokumente zur Geschichte der Berliner Akademie der Wissenschaften von 1700 bis 1990. Berlin / Heidelberg / New York 1991. Dokument Nr. 19, S. 216-218, hier S. 217.
(4) , Gottfried Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Vorrede. Leipzig 1949, S. 28; (H.d.V. – G.B.)
Details
Veranstaltungsort
Berlin, 10551 Google Karte anzeigen