Der Arbeitskreis “Prinzip Einfachheit” der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin lädt für den 22. März 2018 ein zu einer öffentlichen wissenschaftlichen Sitzung zum Thema
Therapie neurologischer Erkrankungen nach dem Prinzip Einfachheit
C.V.: Prof. Meisel ist Arzt und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2011. Er hat von 1987 bis 1994 an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und studienbegleitend am Institut für Medizinische Virologie der Charité und am Biozentrum der Universität Basel promoviert. Nach dem Studium wurde er Facharzt für Neurologie und Neurologische Intensivmedizin. Im Jahr 2009 wurde er Professor für Neurologie am NeuroCure Clinical Research Center. Seit 2017 ist er Direktor des Centrums für Schlaganfallforschung Berlin. Er leitet oberärztlich die Neurologische Intensivstation und das integrierte Myasthenie-Zentrum an der Klinik für Neurologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Seit 2008 ist er Vorsitzender der Berliner Schlaganfall-Allianz e.V., eines die Sektorengrenzen überspannenden Netzwerks von Schlaganfallversorgern. Wissenschaftlich beschäftigt sich seine Arbeitsgruppe mit immunologischen Mechanismen des Schlaganfalls und neuromuskulärer Erkrankungen. Neben der Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Ansätze beschäftigt er sich auch mit der Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte beim Schlaganfall. Abstract: Die moderne Therapie von Erkrankungen basiert auf dem möglichst genauen Verständnis der den Erkrankungen zugrundeliegenden pathophysiologischen Prozesse auf organismischer, zellulärer und molekularer Ebene. Daraus sich ableitende Zielstrukturen werden zur Entwicklung von möglichst spezifischen Therapien genutzt, um Krankheiten zu heilen oder Beschwerden zu lindern. Dieser Ansatz stellt eine nützliche Vereinfachung dar, der nicht nur in der Neurologie eine Vielzahl teils hocheffektiver Therapien ermöglicht hat.
Der Prozess der Entwicklung neuer Therapien ist dabei aber vor allem auch heuristischer Natur und folgt dem Ansatz “Versuch und Irrtum”. Die Erfolgschancen für eine Therapie sind teilweise selbst in späten Entwicklungsphasen nicht vorhersehbar und daher schlecht planbar und wenig effizient. Von den potentiell wirksamen Therapieansätzen bzw. Substanzen aus den frühen Entwicklungsphasen erreichen nur ein sehr kleiner Bruchteil die Zulassung als Medikament.
Zelluläre und tierexperimentelle Krankheitsmodelle haben sich zwar in der Untersuchung pathophysiologischer Mechanismen sehr bewährt, versagen jedoch häufig in der Prädiktion der Wirksamkeit neuer Therapieverfahren beim Menschen. Zudem liegt diesem Ansatz potentiell auch die Gefahr der schädlichen Vereinfachung inne. Trotz umfangreicher vorklinischer und klinischer Testungen von neuen Therapien kommt es immer wieder zu unerwarteten teilweise schwersten Nebenwirkungen auch bei hochspezifischen Wirkmechanismen. So kann das einfache therapeutische Schlüssel-Schloss-Prinzip in hochkomplexen biologischen Systemen wie dem menschlichen Organismus mit partiell redundanten molekularen Signalkaskaden in unterschiedlichen Zelltypen neben den gewünschten Wirkungen gleichzeitig auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Der einfache Ansatz, nach dem o.g. Prinzip entwickelte Therapien gezielt gegen Erkrankung bzw. Beschwerden einzusetzen, gerät auch aus einem weiteren Grund konzeptionell an seine Grenzen. Die zunehmenden Möglichkeiten, eine Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden gezielt zu behandeln, führen immer häufiger dazu, dass eine Vielzahl von verschiedenen Therapien bei Menschen gleichzeitig eingesetzt werden. Multimorbidität in unserer älter werdenden Gesellschaft führt damit regelhaft zur Polypharmazie, deren Auswirkungen auch im Zeitalter der Evidenz-basierten Medizin wenig verstanden sind. Zwar werden die Therapien jeweils im Rahmen randomisiert-kontrollierter Studien geprüft, multimorbide Patienten werden im Sinne der Vereinfachung jedoch regelhaft ausgeschlossen. Für die klinische Praxis gilt dann die vereinfachende Annahme, dass die Wirksamkeit jeder einzelnen Therapie unabhängig von den anderen Therapien und der Multimorbidität erhalten und ohne schädliche Folgen bleibt. Erfolge und Misserfolge sowie Chancen und Risiken dieses vereinfachenden Ansatzes werden Gegenstand des Vortrages sein.
Der Arbeitskreis “Prinzip Einfachheit” der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin lädt für den 22. März 2018 ein zu einer öffentlichen wissenschaftlichen Sitzung zum Thema
Therapie neurologischer Erkrankungen nach dem Prinzip Einfachheit
Vortagender: Andreas Meisel (MLS)
Ort: Rathaus Tiergarten, Berlin; BVV-Saal
Zeit: 22.03.2018, 10:30 bis 12:30 Uhr
C.V.:
Prof. Meisel ist Arzt und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2011. Er hat von 1987 bis 1994 an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und studienbegleitend am Institut für Medizinische Virologie der Charité und am Biozentrum der Universität Basel promoviert. Nach dem Studium wurde er Facharzt für Neurologie und Neurologische Intensivmedizin. Im Jahr 2009 wurde er Professor für Neurologie am NeuroCure Clinical Research Center. Seit 2017 ist er Direktor des Centrums für Schlaganfallforschung Berlin. Er leitet oberärztlich die Neurologische Intensivstation und das integrierte Myasthenie-Zentrum an der Klinik für Neurologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Seit 2008 ist er Vorsitzender der Berliner Schlaganfall-Allianz e.V., eines die Sektorengrenzen überspannenden Netzwerks von Schlaganfallversorgern. Wissenschaftlich beschäftigt sich seine Arbeitsgruppe mit immunologischen Mechanismen des Schlaganfalls und neuromuskulärer Erkrankungen. Neben der Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Ansätze beschäftigt er sich auch mit der Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte beim Schlaganfall.
Abstract:
Die moderne Therapie von Erkrankungen basiert auf dem möglichst genauen Verständnis der den Erkrankungen zugrundeliegenden pathophysiologischen Prozesse auf organismischer, zellulärer und molekularer Ebene. Daraus sich ableitende Zielstrukturen werden zur Entwicklung von möglichst spezifischen Therapien genutzt, um Krankheiten zu heilen oder Beschwerden zu lindern. Dieser Ansatz stellt eine nützliche Vereinfachung dar, der nicht nur in der Neurologie eine Vielzahl teils hocheffektiver Therapien ermöglicht hat.
Der Prozess der Entwicklung neuer Therapien ist dabei aber vor allem auch heuristischer Natur und folgt dem Ansatz “Versuch und Irrtum”. Die Erfolgschancen für eine Therapie sind teilweise selbst in späten Entwicklungsphasen nicht vorhersehbar und daher schlecht planbar und wenig effizient. Von den potentiell wirksamen Therapieansätzen bzw. Substanzen aus den frühen Entwicklungsphasen erreichen nur ein sehr kleiner Bruchteil die Zulassung als Medikament.
Zelluläre und tierexperimentelle Krankheitsmodelle haben sich zwar in der Untersuchung pathophysiologischer Mechanismen sehr bewährt, versagen jedoch häufig in der Prädiktion der Wirksamkeit neuer Therapieverfahren beim Menschen. Zudem liegt diesem Ansatz potentiell auch die Gefahr der schädlichen Vereinfachung inne. Trotz umfangreicher vorklinischer und klinischer Testungen von neuen Therapien kommt es immer wieder zu unerwarteten teilweise schwersten Nebenwirkungen auch bei hochspezifischen Wirkmechanismen. So kann das einfache therapeutische Schlüssel-Schloss-Prinzip in hochkomplexen biologischen Systemen wie dem menschlichen Organismus mit partiell redundanten molekularen Signalkaskaden in unterschiedlichen Zelltypen neben den gewünschten Wirkungen gleichzeitig auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Der einfache Ansatz, nach dem o.g. Prinzip entwickelte Therapien gezielt gegen Erkrankung bzw. Beschwerden einzusetzen, gerät auch aus einem weiteren Grund konzeptionell an seine Grenzen. Die zunehmenden Möglichkeiten, eine Vielzahl von Krankheiten und Beschwerden gezielt zu behandeln, führen immer häufiger dazu, dass eine Vielzahl von verschiedenen Therapien bei Menschen gleichzeitig eingesetzt werden. Multimorbidität in unserer älter werdenden Gesellschaft führt damit regelhaft zur Polypharmazie, deren Auswirkungen auch im Zeitalter der Evidenz-basierten Medizin wenig verstanden sind. Zwar werden die Therapien jeweils im Rahmen randomisiert-kontrollierter Studien geprüft, multimorbide Patienten werden im Sinne der Vereinfachung jedoch regelhaft ausgeschlossen. Für die klinische Praxis gilt dann die vereinfachende Annahme, dass die Wirksamkeit jeder einzelnen Therapie unabhängig von den anderen Therapien und der Multimorbidität erhalten und ohne schädliche Folgen bleibt. Erfolge und Misserfolge sowie Chancen und Risiken dieses vereinfachenden Ansatzes werden Gegenstand des Vortrages sein.
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Berlin, 10551 Google Karte anzeigen