Ausstellung „Wege übers Land – Köpfe“ – ausgewählte Bronzeporträts von Christiane Rößler

Rede des Vizepräsidenten der Leibniz-Sozietät zur Eröffnung der Ausstellung „Wege übers Land – Köpfe“
in der Galerie am Dom in Güstrow am 25. Oktober 2025 von Prof. Dr. Wolfgang Methling
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,
ich bedanke mich zunächst bei Andreas Wittenburg und Christiane Rößler für die Einladung, eine Laudatio zur Präsentation der ausgewählten Bronzeporträts von 12 markanten Künstlern und Wissenschaftlern zu halten. Eine gewisse Berechtigung, über die Porträts dieser Persönlichkeiten zu sprechen, ergibt sich daraus, dass ich als Vizepräsident der Leibniz- Sozietät der Wissenschaften zu Berlin über vier Mitglieder der Leibniz-Sozietät sprechen kann, sechs der Porträtierten persönlich kenne bzw. gekannt habe und als Vorsitzender der Kulturstiftung Rostock e.V. eine Affinität zu Kunst und Kultur habe.
Ich habe persönlich die politische Wende an der Universität Rostock erlebt und über ehemalige Kollegen und Freunde erfahren, wie die Überführung von Einrichtungen und Personen an den Universitäten und Hochschulen, der Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, der Akademie der Künste, z.T. der Bauakademie u.a. in das vereinte Deutschland abgelaufen ist. In einem Gespräch mit einer Ausstellungsbesucherin aus München berichtete sie mir, dass sie keinerlei Kenntnis über diese Seite der Herstellung der Deutschen Einheit hatte.
Im Präsidium der Leibniz-Sozietät beschäftigen wir uns derzeit mit einem Projekt der Publikation von Zeitzeugenberichten (u.a. Klenner, Klinkmann, Banse, Mebel).
Viele Künstler, Schauspieler, Regisseure, die verantwortliche Positionen in der DDR hatten, wurden in der Wende aus ihren Ämtern gedrängt, konnten aber oft ihre berufliche Tätigkeit in Deutschland und im Ausland fortsetzen. Viele Wissenschaftler und Mediziner wurden mit ihren Einrichtungen abgewickelt oder „aus Mangel an persönlicher Eignung“ (aber eigentlich aus politischen Gründen) gekündigt. Viele konnten ihre wissenschaftliche Laufbahn nicht fortsetzen, wenn doch, dann an anderen Einrichtungen im Westen des Landes oder im Ausland. Nur wenige konnten, wie Horst Klinkmann, eine imposante internationale wissenschaftliche Karriere machen. Welche Verluste für die Wissenschaft und Kultur an ihren Universitäten, Einrichtungen, Theatern u.a., welche Verluste für unser Land!
Ich will aber auch einfügen, dass Ausbürgerung und Verdrängung von Künstlern aus der DDR in die BRD und andere Länder der Kultur des Landes ebenfalls großen Schaden zugefügt hat.
Ich kenne persönlich einige der 12 porträtierten Persönlichkeiten aus Begegnungen oder langer Zusammenarbeit:
- Hermann Kant – aus separaten Trauerreden für Helmut Sakowski, später veranstaltete die Kulturstiftung Rostock e.V. Lesung der Biografie Hermann Kants von Linde Salber
- Volker Braun – durch seine Rede bei einer Ausstellung von Werken Jo Jastrams in der Barlach – Galerie in Güstrow
- Hermann Klenner – von seinem Vortrag beim Leibniz-Jubiläum 2023
- Gisela Steineckert – durch eine von der Kulturstiftung Rostock e.V. veranstaltete Musikalische Lesung mit Dirk Michaelis
- Stephan Tanneberger – durch sein Engagement für das Friedenszentrum in Anklam und die Lesung seines Buches „Notlandung“ in Schwerin
- Horst Klinkmann – durch das gemeinsame Wirken an der Universität Rostock, die Gründung und Zusammenarbeit der Kulturstiftung Rostock e.V. und die Zusammenarbeit in der Leibniz-Sozietät
Das Motto der Ausstellung „Wege übers Land“ verbindet Malerei von vier Künstlern und die Bronzeporträts Christiane Rößlers von 12 Wissenschaftlern und Künstlern, die die Wege des untergegangenen Landes DDR gegangenen sind und wesentlich mit ihren wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen geprägt und bestimmt haben. Ich möchte mich in meinen Gedanken und Worten auf die Würdigung der Persönlichkeiten beschränken, die Christiane Rößler porträtiert hat.
Ich danke Frau Rößler dafür, dass sie als junge Frau, die zur Wende 17 Jahre alt war, sich in ihrer Kunst Persönlichkeiten gewidmet hat, die sich teilweise aus antifaschistischer und humanistischer Überzeugung für eine neue bessere Gesellschaft engagiert haben. Sie waren teilweise aus dem Exil bewusst in die DDR gekommen, um am Aufbau dieser jungen Republik mitzuwirken.
Andere Persönlichkeiten hat Frau Rößler wegen ihrer überragenden Leistungen als Künstlerinnen und Künstler (Schriftsteller, Theaterleute, Komponisten, Filmschaffende) porträtiert.

Einige haben durch ihr Leben und Wirken in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg Spuren hinterlassen oder fanden ihr Refugium in Mecklenburg-Vorpommern (Kant, Keller, Klenner, Matthus mit der Initiative zur Gründung der Kammeroper in Rheinsberg, Kupfer, Tanneberger, Klinkmann).
Die Bronzeköpfe waren und sind künstlerische Würdigungen, Ehrerweisungen und Ehrungen ohne Urkunde, aber hoffentlich mit langer nachhaltiger Wirkung auch auf spätere Generationen. Die Porträtierten haben Großes in und für Wissenschaft, Medizin, Kultur und Kunst der DDR und das vereinigte Deutschland geleistet.
Frau Rößler verbindet mit ihren Arbeiten nicht den Begriff Denkmäler, sondern Denkbilder, die verschiedene Erinnerungen und Assoziationen auslösen, Denkbilder zur Geschichte ihres Landes, ihrer Wissenschaft und Kultur. Die Porträtierten waren und sind Menschen mit Profil. Deshalb scheinen die Begriffe Profilköpfe, Charakterköpfe, vielleicht auch Sturköpfe, angebracht. Möglicherweise lassen diese in Bronze gegossenen Köpfe auch etwas von ihrem Charakter erkennen.
Ihnen wurden nicht selten in der BRD, aber auch in der DDR, der notwendige Respekt und die öffentliche Anerkennung verweigert. Sie erfuhren oft persönliche Demütigungen und Diskriminierungen in der DDR sowie durch die Delegitimierungen der DDR. Sie haben sich manchmal aus Disziplin, Parteidisziplin, eingeordnet und untergeordnet, wurden manchmal auch abgestraft, ließen sich aber nicht unterkriegen. Parteidisziplin und Loyalität gegenüber ihrem Staat hinderte sie an Kritik oder gar Bruch mit der DDR.
Sie bekamen Schläge und Beulen an den Kopf, von Feind und Freund, nicht nur von Gegnern, sondern auch von eigenen Genossen oder ehemaligen Mitarbeitern, denen sie den Weg in der Wissenschaft oder Kultur geebnet, vor Kritik und Maßregelung geschützt haben. Sie waren teilweise Mahner, ohne das System in Frage zu stellen.
Ich hätte auch gern Jürgen Kuczynski, den „linientreuen Dissidenten“, in der Reihe der Köpfe gesehen, aber dafür war Frau Rößler zu jung. Ein etwas frei umformuliertes Zitat aus seinem „Fortgesetzten Dialog mit meinem Urenkel“ lautet:
Mein größter Fehler war, dass ich das System der DDR bejahte, aber tausend kritische Bemerkungen zu ihm machte, statt umgekehrt das System zu verneinen und tausend gute Dinge an ihm festzustellen.
Elmar Faber bilanzierte sein Leben und Wirken zwischen zwei Untergängen unter dem Titel „Verloren im Paradies“. Viele hatten manchmal „Einsicht in die Notwendigkeit“ oder „Die Schere im Kopf“
Sie stehen exemplarisch für eine erste und zweite Generation der Gestalter der DDR. Sie haben Chancen in der DDR geschaffen, genutzt und anderen eröffnet. Auch mir, der das Glück der etwas späteren Geburt hatte. Ich bekunde meinen Respekt vor den großartigen Persönlichkeiten, von denen Christiane Rößler mit ihren Köpfen ein Denkbild geschaffen hat.
Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, Ihnen meine Gedanken mitzuteilen, und hoffe, dass einige dieser Gedanken auch Ihre sind.