Mit der Ankunft Gottscheds 1724 in Leipzig begannen Bemühungen um das deutsche Drama und die zugehörige Theaterpraxis in einem zersplitterten Staatsgebilde, in dem barocke Theaterkunst an Fürstenhöfen und Haupt- und Staatsaktionen, gespielt von Wanderbühnen am Stadtrand, herrschten. Der Universitätsgelehrte Gottsched verband sich mit der Wanderbühne der Neuberin. Gemeinsam setzten sie zwischen 1727 und 1741 drei Anliegen durch:
ein eigenständiges deutsches Drama, das mit Gottscheds Sterbendem Cato (1731) sein erstes Beispiel bekam,
Entwicklung und Sammlung dramatischer Werke, die die deutsche Gegenwartsdramatik ausmachten und
Erarbeitung einer entsprechenden Aufführungspraxis, zu der der weitgehende Verzicht auf den Harlekin und ein sorgfältig strukturiertes Drama gehörten.
Einhundert Jahre später – 1841 – wollte der Dramatiker Julius Mosen in Dresden als Dramaturg der Nachfolger von Ludwig Tieck werden, der nach Berlin berufen worden war. Das Vorhaben scheiterte. Dafür verschaffte ihm sein Freund Adolf Stahr 1843 die Stelle des Dramaturgen im neu gegründeten Hoftheater des Großherzogtums Oldenburg. Was Mosen dafür als Rüstzeug einbrachte, stammte von den Linkshegelianern, die sich um ihn in Dresden-Strehlen gesammelt hatten. Mosen konzentrierte sich auf das Schauspiel – die Oper wurde ausgeschlossen –, auf Autoren des Jungen Deutschland und auf historische Stoffe, die aktuelle Bedeutung hatten. So entwickelte er mit Stücken jungdeutscher Autoren das moderne Drama, das Theoretiker wie Hermann Hettner – Das moderne Drama (1852) – veranlasste, im Zusammenhang mit Mosen vom „sozialen Schauspiel“ als einer modernen Form des Schauspiels zu sprechen. Mit Gerhart Hauptmanns Die Weber (1892) u.a. wurde der Begriff seit dem Naturalismus heimisch. Mosen erkrankte schwer und musste seine Tätigkeit unvollendet beenden.
Beide – die Neuberin im 18. und Julius Mosen im 19. Jahrhundert – stammten aus dem Vogtland und stellen den Beitrag des Vogtlandes zur Entwicklung einer modernen deutschen Dramatik dar.
CV
Rüdiger Bernhardt, Prof. Dr. sc. phil., Dipl.-Germanist, geb. 1940 in Dresden, Studium der Germanistik, Kunstgeschichte, Nordistik und Theaterwissenschaft in Leipzig. Tätig an der Universität Halle (Saale) von 1964 bis 1993, außerdem an Universitäten und Hochschulen u.a. in Minsk, Bratislava, Stockholm, Kiel, Szczecin. Von 1995 bis 2003 außerdem tätig in Schulbuchverlagen. 1. Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee 1994 bis 2008. Ca. 120 Buchveröffentlichungen, darunter Monografien zur Antikerezeption, zu Henrik Ibsen, August Strindberg, Gerhart Hauptmann, Peter Hille, Julius Mosen, Christoph Hein, Das Lyrische Schaffen (7 Bände), Schreiben auf dem Bitterfelder Weg (2016), Maßstab Humanismus. Zur Arbeit der sowjetischen Kulturoffiziere (2020) und Schulbücher. Parallel seit 1965 Tätigkeiten an Theatern und kontinuierlich als Literatur-, Fernseh- und Theaterkritiker und seit 1966 in der Bewegung schreibender Arbeiter (u.a. Vorsitzender der ZAG).- 1985 Händel-Preis, 1999 Wahl in die Leibniz-Sozietät; 2018 Vogtländischer Literaturpreis
Rüdiger Bernhardt (MLS)
Von Gottsched und der Neuberin zu Julius Mosen und dem Jungen Deutschland.
Zur Entwicklung des deutschen Dramas und eines dafür notwendigen Theaters
9.00 bis 11.00 Uhr
Die Sitzung findet als Zoom-Meeting statt:
https://uni-potsdam.zoom.us/j/95397029406
Meeting ID: 953 9702 9406
Passwort: 13714361
Abstract
Mit der Ankunft Gottscheds 1724 in Leipzig begannen Bemühungen um das deutsche Drama und die zugehörige Theaterpraxis in einem zersplitterten Staatsgebilde, in dem barocke Theaterkunst an Fürstenhöfen und Haupt- und Staatsaktionen, gespielt von Wanderbühnen am Stadtrand, herrschten. Der Universitätsgelehrte Gottsched verband sich mit der Wanderbühne der Neuberin. Gemeinsam setzten sie zwischen 1727 und 1741 drei Anliegen durch:
Einhundert Jahre später – 1841 – wollte der Dramatiker Julius Mosen in Dresden als Dramaturg der Nachfolger von Ludwig Tieck werden, der nach Berlin berufen worden war. Das Vorhaben scheiterte. Dafür verschaffte ihm sein Freund Adolf Stahr 1843 die Stelle des Dramaturgen im neu gegründeten Hoftheater des Großherzogtums Oldenburg. Was Mosen dafür als Rüstzeug einbrachte, stammte von den Linkshegelianern, die sich um ihn in Dresden-Strehlen gesammelt hatten. Mosen konzentrierte sich auf das Schauspiel – die Oper wurde ausgeschlossen –, auf Autoren des Jungen Deutschland und auf historische Stoffe, die aktuelle Bedeutung hatten. So entwickelte er mit Stücken jungdeutscher Autoren das moderne Drama, das Theoretiker wie Hermann Hettner – Das moderne Drama (1852) – veranlasste, im Zusammenhang mit Mosen vom „sozialen Schauspiel“ als einer modernen Form des Schauspiels zu sprechen. Mit Gerhart Hauptmanns Die Weber (1892) u.a. wurde der Begriff seit dem Naturalismus heimisch. Mosen erkrankte schwer und musste seine Tätigkeit unvollendet beenden.
Beide – die Neuberin im 18. und Julius Mosen im 19. Jahrhundert – stammten aus dem Vogtland und stellen den Beitrag des Vogtlandes zur Entwicklung einer modernen deutschen Dramatik dar.
CV
Rüdiger Bernhardt, Prof. Dr. sc. phil., Dipl.-Germanist, geb. 1940 in Dresden, Studium der Germanistik, Kunstgeschichte, Nordistik und Theaterwissenschaft in Leipzig. Tätig an der Universität Halle (Saale) von 1964 bis 1993, außerdem an Universitäten und Hochschulen u.a. in Minsk, Bratislava, Stockholm, Kiel, Szczecin. Von 1995 bis 2003 außerdem tätig in Schulbuchverlagen. 1. Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee 1994 bis 2008. Ca. 120 Buchveröffentlichungen, darunter Monografien zur Antikerezeption, zu Henrik Ibsen, August Strindberg, Gerhart Hauptmann, Peter Hille, Julius Mosen, Christoph Hein, Das Lyrische Schaffen (7 Bände), Schreiben auf dem Bitterfelder Weg (2016), Maßstab Humanismus. Zur Arbeit der sowjetischen Kulturoffiziere (2020) und Schulbücher. Parallel seit 1965 Tätigkeiten an Theatern und kontinuierlich als Literatur-, Fernseh- und Theaterkritiker und seit 1966 in der Bewegung schreibender Arbeiter (u.a. Vorsitzender der ZAG).- 1985 Händel-Preis, 1999 Wahl in die Leibniz-Sozietät; 2018 Vogtländischer Literaturpreis
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