Wissenschaftliche Sitzungen des Plenums der Leibniz-Sozietät 2013

Nachfolgend werden die im Jahr 2013 stattgefundenen wissenschaftlichen Sitzungen im Plenum der Leibniz-Sozietät zusammen mit den Kurzreferaten und Angaben zu den C.V. der Vortragenden aufgelistet.
Die Namen der Autoren sind mit dem Autorenverzeichnis verlinkt und die einzelnen Beiträge, die bereits in einer Publikationsreihe der Leibniz-Sozietät erschienen sind, sind als PDF-Dateien unterlegt.

 

14. Februar 2013:

Lothar Kolditz (Steinförde):
Gedankenübertragung und quantenphysikalische Verschränkung

Prof. Kolditz ist Chemiker. Er wurde 1969 zum Korrespondierenden, 1972 zum Ordentlichen Mitglied der 1700 von Leibniz begründeten Gelehrtengesellschaft gewählt, der heutigen Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. Nach Promotion (1954) und Habilitation (1957) war er 1957 – 1959 Professor mit Lehrauftrag für Spezialgebiete der anorganischen Chemie und Radiochemie an der Technischen Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg, 1959 – 1962 Professor mit vollem Lehrauftrag für anorganische Chemie und Direktor des Anorganisch-Chemischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie 1962 – 1980 Professor mit Lehrstuhl für anorganische Chemie und Direktor des I. Chemischen Instituts der Humboldt-Universität. 1972 – 1980 leitete er die Sektion Chemie der Humboldt-Universität und 1980 – 1990 das Zentralinstitut für Anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Abstract:
Gedankenübertragung ist bisher in keiner Weise wissenschaftlich nachgewiesen. Die vielen Berichte sind nicht als wissenschaftliche Beweise zu werten, verdienen aber, als Impulse für weitere Untersuchung Beachtung zu finden. Auch Hans Berger hatten sie als Anreiz zu seinen Forschungen gedient, die zur Entdeckung der Elektroenzephalographie führten.

Die nach außen bei der Arbeit des Gehirns auftretenden elektromagnetischen Felder sind zwar äußerst schwach, aber nicht gleich Null. Ihre Wirkung in der Entfernung von der Hirnoberfläche würde zur Registrierung besonders empfindliche Systeme erfordern. Antennen und Resonanzverstärkung könnten dabei helfen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung des quantenphysikalischen Phänomens der Verschränkung, dessen Diskussion über Wirkung und Einfluss auf unser Weltbild noch keineswegs abgeschlossen ist. Sie geht sogar bis zur Meinung, dass die Bellsche Ungleichung und das Verschränkungsproblem der Quantenphysik vergleichbar ist mit der Entdeckung von Kopernikus. Nur löste bei Kopernikus das solarzentrische System das geozentrische ab.

Eine Auflösung des Verschränkungsrätsels ist bis heute noch nicht gelungen.

 

14. März 2013

Thomas Naumann (Zeuthen):
Higgs-Jagd an der „Weltmaschine“ – Physik am Large Collider LHC des CERN

Prof. Naumann ist Teilchenphysiker und arbeitet am größten Forschungsprojekt der Menschheit, dem 27 km langen Large Hadron Collider (LHC) des Europäischen Zentrums für Kernforschung CERN in Genf.

Nach dem Studium in seiner Heimatstadt Dresden arbeitete er ab 1975 am Institut für Hochenergiephysik der Akademie der Wissenschaften der DDR in Zeuthen bei Berlin an Untersuchungen zu den starken Wechselwirkungen von Elementarteilchen mit. 1980 wurde er an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. Am Elektron-Proton-Speicherring HERA des DESY arbeitete er ab 1987 an der Präzisionsmessung der Strukturfunktion des Protons und der Kopplungskonstante der starken Wechselwirkung; seit 1992 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY.

Prof. Naumann war mehrere Jahre stellvertretender Leiter des DESY-Standorts in Zeuthen und lehrt seit 2005 als Honorarprofessor an der Universität Leipzig. Seit 2006 ist er Mitglied des ATLAS-Experiments am Large Hadron Collider LHC des CERN. Außerdem betreut er im Auftrag des BMBF die deutsche Öffentlichkeitsarbeit für CERN und den LHC.

Abstract:
Der Vortragende zeigt, welche fundamentalen Fragen der Physik das größte Forschungsprojekt der Menschheit, der Large Hadron Collider LHC am CERN in Genf, beantworten soll.

Dazu gehören die Suche nach dem Higgs-Teilchen als dem Ursprung der Masse und nach supersymmetrischen Teilchen als den besten Kandidaten zur Erklärung der mysteriösen Dunklen Materie im Universum.

Prof. Naumann stellt den Beschleuniger und die Experimente am CERN vor und präsentiert die neuesten Resultate der Suche nach dem Higgs-Teilchen, nach Supersymmetrie sowie nach Extra Dimensionen unserer Welt.

11. April 2013

Peter Fleissner (MLS):
Gegen den Strich gebürstet – Anwendungen der Marxschen Arbeitswerttheorie auf moderne Volkswirtschaften

Prof. Fleissner ist Sozialkybernetiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2002. Ab 1971 arbeitete er als Abteilungsleiter für Ökonomie am Institut für Höhere Studien in Wien, ab 1973-1989 als Senior Researcher und von 1978 bis 1989 als stellvertretender Direktor des Instituts für sozio-ökonomische Entwicklungsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1974-1982 war er Teilzeit-Mitarbeiter des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien, von 1990 bis 2006 Ordinarius für Sozialkybernetik an der Technischen Universität Wien.
1997 bis 2000 leitete er als Beamter auf Zeit die Abteilung “Technology, Employment, Competitiveness and Society” des Instituts für Prospektive Technologische Studien (IPTS) der Europäischen Kommission in Sevilla, danach war er bis 2004 Abteilungsleiter für die Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien.
Derzeit lebt er im Ruhestand in Wien, arbeitet aber weiter als freier Konsulent und als Lektor an der Fakultät für Forschung und Fortbildung des Instituts für Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt. 2006 war er in Shanghai Mitbegründer der “World Association of Political Economics” (WAPE), die eine internationale Zeitschrift “World Review of Political Economics” herausgibt.
Er ist Vorsitzender der NGO transform!at. Seine Arbeitsgebiete sind Informationsgesellschaft, Arbeitswerttheorie und mathematische Simulationsmodelle. Weitere Informationen unter:
http://peter.fleissner.org/homepage/default.htm

Abstract:
Als toter Hund bereits von der wissenschaftlichen Tagesordnung verbannt, zeigt sich Marx in seiner Wirtschaftstheorie als überraschend vital und brauchbar. Nicht nur die von ihm aufgezeigte Neigung kapitalistischer Ökonomien zu krisenhaftem Verhalten erfährt ihre Bestätigung. Wendet man die Marxsche Arbeitswertlehre auf gegenwärtige Volkswirtschaften an, sind gute Vorhersagen der empirisch beobachteten relativen Preise möglich. Anhand der jüngsten österreichischen Input-Output Tafeln wird gezeigt, dass die Marxsche Theorie der Produktionspreise die Umsätze der einzelnen Wirtschaftszweige mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren kann. Seine Überlegungen zu einfacher und komplizierter Arbeit bestehen ebenfalls den Test mit empirischen Daten. Schließlich wird gezeigt, dass das Marxsche Konzept der Arbeitswerte für Dienstleistungen Widersprüche enthält.

Eine verbesserte Berechnungsmethode wird präsentiert und auf österreichische Wirtschaftsdaten angewendet.

 

13. Juni 2013:

Kolloquium „Schwerhörigkeit und Tinnitus“

Heidi Olze (Charité Berlin):
Therapie der Schwerhörigkeit

Frau Prof. Olze ist Ärztin. Seit dem Studium in Berlin arbeitet sie an der HNO-Klinik der Charité: 1992-1998 als Assistenzärztin, seit 1999 als Fach-, seit 2002 als Oberärztin, seit 2003 als Leitende Oberärztin und Stellvertretende Klinikdirektorin der HNO-Klinik der Charité (Campus Virchow-Klinikum) und seit 2010 als Direktorin der HNO-Klinik der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum (CVK) und Charité Campus Mitte (CCM). Im April 2012 wurde sie zur Außerplanmäßigen Professorin ernannt.
Zusätzlich hat sie sich für Plastische Operationen, in Allergologie, als Health Care Managerin und als Medizindidaktikerin qualifiziert. Sie gehört der Deutschen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, der Otorhinolaryngologischen Gesellschaft zu Berlin, der Deutschen sowie der Berlin- Brandenburger Cochlear-Implant-Gesellschaft, der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI), dem Network of Excellence: Global Allergy and Asthma European Network sowie der AG Klinische Immunologie, Allergologie und Umweltmedizin der DGHNO an, letzterer als Vorsitzende des Vorstands. Mit Kollegen in Warszawa, Gent und Bordeaux arbeitet sie zusammen.

Abstract:
Hörstörungen sind häufig, betreffen alle Altersklassen und können vielfältige Ursachen haben. Das Versorgungspektrum ist breit und reicht bis zu Hörimplantaten. Bei den Cochlea-Implantaten (CI), ursprünglich nur für ertaubte Erwachsene und taub geborene Kinder gedacht, hat sich in den letzten Jahren das Anwendungsspektrum stark erweitert. So werden heute auch Patienten mit Resthörfähigkeit und sogar einseitig taube Patienten erfolgreich mit diesem Implantat versorgt. Neue, schonende Operationsmethoden und moderne Implantate erlauben die Versorgung sehr kleiner Kinder und auch über 80-jähriger Patienten.

An der HNO-Klinik der Charite, wo jährlich mehr als 130 solcher Implantationen durchgeführt werden, haben wir in den letzten Jahren zahlreiche Studien zu einer komplexeren Beurteilung des Behandlungserfolges nach CI durchgeführt. Die CI-Versorgung führt neben der Verbesserung des Hörens und Sprachverstehens auch zu einer besseren Lebensqualität und geringerer Tinnitus- und Stressbelastung. Auch bestehende Begleiterkrankungen wie Depressivität und Ängstlichkeit besserten sich signifikant. Ältere, über 70-jährige, Patienten profitieren in vergleichbarer Weise wie jüngere, wobei sich der Nutzen des CI über die Hörverbesserung hinaus auch auf soziale und psychologische Bereich erstreckt. Insgesamt stellt die Cochlea-Implantat-Versorgung heute bei entsprechender Indikation ein risikoarmes und äußerst erfolgreiches Verfahren zur Hör-Rehabilitation gehörloser bzw. hochgradig schwerhöriger Kinder und Erwachsener dar.

Birgit Mazurek (Charité Berlin):
Molekularbiologische Aspekte bei Tinnitus

Frau Prof. Mazurek ist Ärztin. Nach dem Studium in Rostock arbeitet sie seit 1995 an der HNO-Klinik der Charité, ab 2001 als Fachärztin. Seitdem leitet sie das dortige Tinnituszentrum; seit 2004 auch das Molekularbiologische Forschungslabor der HNO-Klinik. 2007 habilitierte sie sich mit einer Arbeit über die Rolle von Hypoxie und Ischämie bei der Entstehung von Hörstörungen.

Abstract:
Tinnitus ist definiert als subjektive Wahrnehmung eines Geräusches bei Fehlen einer äußeren Schallquelle. In der Regel geht Tinnitus mit Hörstörungen einher, kann aber auch als unabhängiges Symptom auftreten. Die Ursachen für seine Entstehung können sehr vielseitig sein, darunter Lärm, ototoxische Substanzen, Altern, Stress, Entzündungen und Durchblutungsstörungen.

In die Tinnitusentstehung sind periphere und zentrale Strukturen involviert. Wesentliche periphere Strukturen sind innere und äußere Haarzellen sowie das Spiralganglion. Wesentliche zentrale Strukturen sind die Nuclei cochlearis ventralis und dorsalis, der Colliculus inferior, der obere Olivenkomplex, der Corpus geniculatum mediale und der sekundäre und primäre Cortex. Prinzipiell wird angenommen, dass Tinnitus durch eine Dysbalance zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Aktivitäten, sowohl auf der Ebene von peripheren als auch zentralen Schaltstellen verursacht bzw. verstärkt wird. Damit wird das Tinnitusgeräusch als ein Phantomreiz angesehen. Daher kann er in die Gruppe der hyperaktiven Erkrankungen des auditorischen Systems eingeordnet werden.

Aufgrund dieser Erkenntnisse steht in den letzten Jahren in der Tinnitustherapie nicht mehr seine Beseitigung im Vordergrund, sondern die Umlenkung der Wahrnehmung und subjektiven Bewertung sowie die Behandlung von Komorbiditäten. Dies führt letztendlich zu einer Kompensation und Habituation, Verringerung des Leidensdruckes und Verbesserung der Lebensqualität. Die wesentliche, bislang nicht gelöste Herausforderung besteht jedoch darin, bei einem unter Tinnitus leidenden Patienten die individuelle Ursache zweifelsfrei zu belegen und eine individuelle Therapie anzustreben; denn Aussicht auf einen Heilungserfolg bietet nur eine ursachengerichtete Therapie.

Als Zukunftsperspektive werden in der gesamten therapeutischen Medizin große Hoffnungen auf Fortschritte in der molekularen und zellbiologischen Therapie gesetzt, da die derzeitigen Therapien für viele Erkrankungen unbefriedigend sind. Auf Grund des komplexen Charakters hinsichtlich der Ursachen, der Entstehung und der klinischen Symptomatik gilt das insbesondere auch für Tinnitus.

Die Forschung konzentriert sich daher auf neue Möglichkeiten der Protektion, Reparatur bzw. den Ersatz der Haarzellen und der Neurone des Spiralganglions. Die enge Verknüpfung von Hörvermögen und Tinnitus lässt allerdings erwarten, dass eine erfolgreiche Gentherapie des Hörvermögens auch Hoffnungen für neue Therapieansätze des Tinnitus ermöglicht.

Christian Maschke (TU Berlin):
Fluglärm – Schallschutz und Gesundheit

Dr. Maschke ist Ingenieur. Nach dem Studium der politischen Wissenschaften sowie der Elektrotechnik (Schwerpunkt Akustik) wurde er 1992 an der TU Berlin promoviert, wo er sich auch 1998 habilitierte. Seit 1996 ist er als unabhängiger Gutachter für Behörden, Gerichte und Unternehmen der privaten Wirtschaft tätig. 1986 bis 1998 nahm er eine Gastprofessur an der Technischen Universität Berlin wahr, gleichzeitig mehrere Lehraufträge an der Fachhochschule der Deutschen Bundespost, der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin. Seit 1998 ist er Privatdozent an der Technischen Universität Berlin; zur gleichen Zeit wurde er stellvertretender Leiter der Projektgruppe „Umweltbezogene Erkrankungen“ am Robert Koch-Institut und Lehrbeauftragter an der Hochschule Mittweida. Nach knapp zweijähriger Tätigkeit als Leiter des Fachgebietes „Lärm“ bei der Müller-BBM GmbH München machte er sich 2003 als beratender Ingenieur für Immissionsschutz selbstständig. Seit 2010 ist er Referent für Fluglärm im Brandenburger Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz.
Aus seiner Feder stammen mehr als 250 Publikationen bzw. Stellungnahmen. Er ist principal advisor bei der WHO, Mitglied im redaktionellen Beirat der Zeitschrift “Noise & Health“ sowie aktives Mitglied im DIN-Ausschuss NALS A2. 2002 bis 2006 war er Sprecher des interdisziplinären Forschungsverbunds „Lärm & Gesundheit“ an der Technischen Universität Berlin, 2007 bis 2010 Mitglied in der Eidgenössischen Kommission zur Beratung der Schweizer Bundesbehörden in Fragen der Lärmbekämpfung.

Abstract:
Trotz der Erfolge beim Reduzieren der Triebwerksgeräusche und der Umströmungsgeräusche hat die Geräuschbelastung in der Umgebung von Flughäfen und Landeplätzen aufgrund der stetigen Zunahme des Flugverkehrs zugenommen. Dieser Trend ist auch für die kommenden Jahre zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund wird der Schutz vor lärmbedingten organischen Erkrankungen, Belästigungen oder Funktionsstörungen zunehmend wichtiger. Darüber hinaus hat die epidemiologische Forschung auf dem Gebiet der Lärmwirkung in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Viele der bis zum Jahr 2000 publizierten Studien lassen nur einen Trend zu erhöhten Gesundheitsrisiken ab Dauerschallpegeln von 65 dB(A) erkennen. Neue Erkenntnisse liegen vor allem bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor und zeigen Gesundheitsrisiken bereits bei deutlich geringeren Dauerschallpegeln.

Da Fluglärm von oben einwirkt, ist eine Abschirmung (z.B. Schallschutzwände) kaum möglich. Auch die Möglichkeit, Wohn- oder Schlafräume auf die von der Schallquelle abgewandte Seite zu verlegen, ist im Gegensatz zu Straßenverkehrs- oder Schienenlärm nicht gegeben. Kann der Flugverkehr nicht verlegt oder vermieden werden, so verbleibt der Technische Schallschutz (Einhausung) als letzte Möglichkeit. Neben allgemeinen Anforderungen wird kurz auf die Schallschutzproblematik am Flughafen Berlin-Brandenburg eingegangen.

 

12. September 2013:

Ehrenkolloquium anlässlich des 80. Geburtstages von Herbert Hörz:

Mensch – Fortschritt – Humanismus

mit Beiträgen von:
Gerhard Banse (MLS): Laudatio
Werner Ebeling (MLS): Über das Gedächtnis des Zufalls
John Erpenbeck (MLS): Neu editiert, neu bedacht: “Dialektik der Natur im 20. Jahrhundert”
Werner Naumann (MLS): Zur Bedeutung der statistischen Gesetzeskonzeption für die Pädagogik
Erdmute Sommerfeld (MLS): Strukturelle Informationen: Repräsentation, Interpretation, Reduktion
Herbert Hörz (MLS): Schlusswort

 

10. Oktober 2013:

Helga Hörz & Herbert Hörz (MLS):
‘Ist die gegenwärtige Ethik noch zeitgemäß?

Frau Prof. Hörz ist Ethikerin und Frauenrechtlerin sowie Mitglied der „Freunde der Leibniz-Sozietät.“ 1969 wurde sie Hochschuldozentin für Ethik an der Humboldt-Universität Berlin (HUB). 1972 weilte sie zu einem Studienaufenthalt an der Moskauer Lomonossow-Universität. Seit 1974 war sie ordentliche Professorin und Lehrstuhlleiterin für Ethik an der HUB und initiierte den neu gegründeten Bereich Ethik. Von 1987 bis 1990 leitete sie die Sektion Philosophie der HUB. 1965 – 1969 war sie ehrenamtliche Vorsitzende der Frauenkommission der Gewerkschaft Wissenschaft an der HUB, 1969 – 1990 stellv. Ratsmitglied der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF). 1975 wählte ECOSOC sie als ehrenamtliche Expertin in die UNO-Kommission „Zum Status der Frau“. 1975 – 1990 war sie mehrmals Vizepräsidentin und Präsidentin von UNO-Gremien, so 1. Vizepräsidentin der UNO-Weltfrauenkonferenz 1980 in Kopenhagen und 1990 Präsidentin der Tagung mit Charakter Weltkonferenz in Wien 1990.
1990 – 1993 initiierte und leitete sie Ethik-Veranstaltungen in der Begegnungsstätte Berlin-Mitte. 1998 bis 2011 saß sie dem Beirat der Bildungsakademie der Volkssolidarität, Landesverband Berlin, vor und leitete wissenschaftliche Veranstaltungen und Schriftstellerlesungen. Als Vortragende zu Ethik und Frauenforschung ist sie bis heute aktiv.

Prof. Hörz ist Wissenschaftsphilosoph und -historiker. Er wurde 1973 zum Korrespondierenden, 1977 zum Ordentlichen Mitglied der 1700 von Leibniz in Berlin begründeten Gelehrtengesellschaft gewählt, der heutigen Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. Seit 1965 war er Professor für philosophische Probleme der Naturwissenschaften an der Humboldt-Universität, seit 1973 Leiter des Bereichs Philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung am Institut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1989 – 1992 Vizepräsident der AdW der DDR für die Gelehrtensozietät. 1992-1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). Bis Januar 2006 war er Präsident der Leibniz-Sozietät und gehört nun als Ehrenpräsident dem Präsidium der Sozietät an.
Seine Spezialgebiete sind Methodologie, Erkenntnistheorie, Geschichte der Wissenschaften und interdisziplinäre Beziehungen zwischen Natur-, Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Er edierte drei Bände mit der Korrespondenz von Hermann v. Helmholtz. Zu Vorträgen weilte er in den USA, China, Japan und den Ländern Ost- und Westeuropas, zu Gastprofessuren in Moskau und Graz.

Abstract:
Das Elend der gegenwärtigen Ethik besteht darin, dass sie einerseits hohe Anforderungen an humanes moralisches Verhalten formuliert, die sich unter bestimmten Rahmenbedingungen als kaum erfüllbar oder gar als illusionär erweisen. Sie werden als „Moralisieren“ abgelehnt. Andererseits ist sie durch Traditionen und soziale Werte in bestimmten Kulturkreisen so geprägt, dass eine humane Lösung sich weiter verschärfender globaler Probleme mit regionalen, lokalen und persönlichen Folgen nicht unbedingt gefördert, sondern erschwert wird. Ein moralischer illusionärer Universalismus steht differenten und teilweise ebenfalls nicht zeitgemäßen moralischen Regionalismen und Lokalismen entgegen. Ist eine universelle Ethik überhaupt formulierbar und sind ihre moralischen Grundsätze unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen zu realisieren?

Helga Hörz als Ethikerin befasst sich mit den Grundprinzipien einer neomodernen Ethik. Sie fragt, was Ethik leisten kann. Über- und Unterforderung sind zurückzuweisen. Die Rolle von Werten und Normen in soziokulturellen Einheiten für moralische Entscheidungen humaner und antihumaner Art ist zu beachten. Das Spannungsfeld zwischen Egoismus und Altruismus bestimmt philosophisch-ethische Auseinandersetzungen in Geschichte und Gegenwart. Das wird mit wenigen Beispielen belegt. Herausforderungen an eine zeitgemäße Ethik ergeben sich aus der Forderung nach humanen Lösungen für sich verschärfende globale Probleme. Sie baut in der Neomoderne auf der Aufklärung der Moderne und der modernen Wissenschaft auf und berücksichtigt die Kritik der Postmoderne. Für moralisch-humanes Handeln werden die Humankriterien und Humangebote einer neomodernen Ethik dargelegt.

Der Wissenschaftsphilosoph Herbert Hörz geht auf aktuelle Auseinandersetzungen um egoistisches Verhalten ein. Verkommt Wissenschaft zur Herrschaftsideologie und durch die Verwertung ihrer Erkenntnisse zur Magd der Wirtschaft beim Jagen nach Profit, verliert sie ihre Funktion als moralische Instanz. Es existiert ein Utopie-Defizit. Wissenschaft und Technik wirken global als moralische Gleichmacher durch den mit Macht- und Ressourcengewinn verbundenen Transfer von Technologien, Bewusstseinstechnologien eingeschlossen. Diese wissenschaftlich-technische Entwicklung als Zivilisationsprozess ist durch eine Weltkultur mit humanen ethischen Grundsätzen als Rahmenbedingung für differente soziokulturelle Identitäten anzustreben. Als Fallbeispiel dient der Bestseller von Frank Schirrmacher „Ego. Das Spiel des Lebens“.

Das Fazit beider Darlegungen ist: Eine zeitgemäße Ethik begründet Hoffnung auf die nachhaltige Lösung existenzieller Probleme. Sie basiert auf Analysen der Situation, auf der Auswertung von Erfahrungen und auf dem Glauben an die Kraft derer, die in der Lage sind und sein werden, antihumane Zustände zu beseitigen und eine humanere Gesellschaft nach Humankriterien zu gestalten.

 

14. November 2013:

Horst Klinkmann (MLS):
Wollen wir (wirklich) alle 100 werden?
(Beitrag zum Wissenschaftsjahr “Demografischer Wandel als Chance”)

Prof. Klinkmann ist Mediziner und Gründungsmitglied der Leibniz-Sozietät.
Der 14fache Ehrendoktor bzw. Ehrenprofessor internationaler Universitäten (u.a. Bologna, Glasgow, Marseille, Katovice, Tianjin) ist Präsident des LifeScience-Netzwerkes BioCon Valley® und des Kuratoriums für Gesundheitswirtschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.
Er erhielt über 50 nationale und internationale Auszeichnungen, darunter den italienischen Nationalpreis für Medizin, den Barney Clark Award der USA und zweimal den Nationalpreis für Wissenschaft und Technik der DDR.
Die von ihm mit gegründeten Weltgesellschaften für künstliche Organe ESAO und ISAO ernannten ihn zu ihrem Ehrenpräsidenten, ebenso die Deutsch-Japanische Gesellschaft und der Bundesligaclub FC Hansa Rostock. Mitglied- bzw. Ehrenmitgliedschaften in Akademien umfassen außer der Leibniz-Sozietät die Leopoldina, die Belgische Akademie der Wissenschaften, die Internationale Akademie der Wissenschaften Genf, die Nationale Mazedonische Akademie sowie die Royal Colleges in Glasgow und Edinburgh.

Abstract:
Der rasante Anstieg der Lebenserwartung im letzten Jahrhundert und die damit einhergehende Möglichkeiten, aber auch Probleme, fordern von der Gesellschaft und von der Einzelperson neue Aussichten auf die Lebensgestaltung. Wenn jedes vierte, jetzt in Deutschland geborene Mädchen voraussichtlich 100 Jahre alt wird, spiegelt dies die zukünftigen Herausforderungen eindrucksvoll wieder.

Im Vortrag wird versucht, auf die Ursachen einzugehen und darauf reflektiert, warum der Begriff des demographischen Wandels in der gesellschaftlichen Wahrnehmung mehrheitlich negativ besetzt ist. Besonderer Schwerpunkt wird auf die Bedeutung der Medizin für diese Explosion der Lebenserwartung gelegt. Der demographische Wandel wird zu einer viel früheren einschneidenden Herausforderung an die Gesellschaft als der Klimawandel – seine eindeutig positive Botschaft ist die des möglichen längeren Lebens für jeden Einzelnen von uns.

12. Dezember 2013:

2. Kolloquium zu Aspekten der Energiewende: Energiespeichertechnologien – Notwendigkeiten, Problemspektren, wissenschaftlich-technische Entwicklungen und Perspektiven

Abstract:
Das hochgradig technisierte Deutschland absolviert mit seiner Energiewende eine einzigartige Bewährungsprobe mit beträchtlichen Risiken. Nur ein komplexes Verständnis und Vorgehen vermag die Qualität und Quantität der beabsichtigten tiefgreifenden strukturellen und funktionellen Transformation zu sichern, deren substanziellen Kern die Energetik bildet.

Gegenwärtig dominieren kritische Debatten über die Ziele, Mittel und faktische Erfolge sowie – meist gut begründete – Vorschläge für dringliche Korrektive.

Mit der Energiewende in Deutschland setzt die Energiepolitik als essentieller Teil einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik verstärkt auf erneuerbare und sich erneuernde Energieträger. Diese Einkommensenergien fließen überwiegend periodisch, intermittierend, regulär und irregulär fluktuierend zu. Sie werden den berechenbar limitierten natürlichen Flüssen innerhalb des Geosystems und dessen Bewegung entnommen. Gemessen an den energietechnischen Anforderungen weisen diese Einkommensenergieträger zu niedrige Energiedichten und versorgungsgefährdende zeitliche Disproportionen zwischen dem ortsspezifischen Bedarf und den unmittelbaren Deckungsmöglichkeiten auf. Deshalb erlangen zentrale und dezentrale Netze sowie Speicher einen exponierten Stellenwert im Energiesystem.

Die Erforschung und Entwicklung leistungsfähiger und kostengünstiger Energiespeichertechniken möglichst hoher Energiedichten bilden eine wesentliche Bedingung für die umfassendere und effektivere Nutzung erneuerbarer Energieträger. Die Lösung dieses Problems ist mindestens gleichrangig mit dem Netzausbau. Selbst wenn perfekte Netze verfügbar wären, werden Speicher als wichtige regelungstechnische Elemente benötigt. Aktuell lässt sich thermische Energie weitaus effizienter und kostengünstiger speichern als elektrische Energie.

Kriterien für die Auswahl aus der Vielfalt mechanischer, thermischer, elektrischer, chemischer, elektrochemischer, … , Speichertechniken sind grundsätzlich:

  • Speicherkapazitäten und –energiedichten,
  • Speicherwirkungsgrade,
  • Speicherdauern (Verweilzeiten),
  • Speicherbe- und –entladezeiten,
  • spezifische Speicherkosten und
  • generell die gesellschaftliche Akzeptanz.

Gesellschaftliche Akzeptanz ist schwierig zu erlangen z.B. bei der Trassierung von Elektrizitätsleitungen, der Errichtung von Pumpspeicherwerken, der Auswahl und Verdichtung der Standorte für Windenergieanlagen, der Einrichtung von Gasspeichern für synthetische Gase und Kohlendioxid sowie von adiabatischen Druckluftspeichern in unterirdischen Kavernen.

Mit Beiträgen von:

L.-G. Fleischer (MLS):
„Energiespeichertechnologien – ein komplexes Problem im Spannungsfeld der retardierenden Energiewende in Deutschland. Einige Anmerkungen zu wesentlichen Erfordernissen, Effekten und Defekten“

Dr. N. Mertzsch (Verein Brandenburgischer Ingenieure und Wirtschaftler e.V. (VBIW): „Speicherung erneuerbarer Energie- Versuch eines Überblicks“

Dr. A. Golbs, Coautoren: Frau Dipl. Ing. P. Werner, Dipl. Ing. S. Weber, alle (BME Dr. Golbs & Partner GmbH):
Die Energiewende als gesamtgesellschaftlicher Prozess: Ziele –Strategien-Wirkungen am Beispiel der Entwicklung eines Latentwärmespeichers“

Prof. Dr. F. R. Schilling (Institut für Angewandte Geowissenschaften), Coautoren R.O. Greiling (MLS),: Frau Dr. B. Müller,(Landesforschungszentrum Geothermie), alle KIT Karlsruhe:
„Geologische Gasspeicherung: Chancen, Risiken, Perspektiven aus der Sicht von Geowissenschaftlern“