Nekrolog auf unser Mitglied Prof. Dr. Heinz Militzer

Heinz Militzer 2012

Prof. Dr. Heinz Oskar Militzer
* 02. Mai 1922
† 23 April 2017
Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1999

 

Heinz Militzer
Geboren am 2. Mai 1922 in Freiberg/Sachsen, gestorben am 23. April 2017 in Pirna;
Diplom-Geophysiker (1953), Dr. rer. nat. habil. (1957 bzw. 1962);
Ordentlicher Professor für Angewandte Geophysik an der Bergakademie Freiberg (berufen 1966, emeritiert 1987);
Verdienter Hochschullehrer der DDR (1982);
Mitglied der Leibniz-Sozietät, gewählt 1999

Die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin – begründet 1700 als Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften trauert um ihr Senior-Mitglied Heinz Militzer. Er verstarb wenige Tage vor der Vollendung seines 95. Lebensjahres in einem Kurzzeit-Pflegeheim in Pirna. Er hatte gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Dr. Herta Riederer wegen der in den letzten drei Jahren drastischen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation von ihnen beiden das Wohnhaus in Eichwalde bei Berlin verlassen müssen; sie waren auf dem Wege zu einem neuen passenden Zuhause.

Das wissenschaftliche Leben und Werk von Heinz Militzer wird treffend durch den Ehrentitel charakterisiert, den ihm der Minister für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR im Jahre 1982 verliehen hat: Verdienter Hochschullehrer der DDR. Professor Militzer hatte mehr als zwei Jahrzehnte lang an der Bergakademie Freiberg äußerst erfolgreich als Hochschullehrer auf dem Fachgebiet Angewandte Geophysik gearbeitet; als Anlass zur hochverdienten Ehrung wurde die Vollendung des 60. Lebensjahres genommen.

Mit Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wurde Professor Militzer am 1. September 1987 emeritiert. Schon drei Jahre später verlor der Status des Emeritus für ihn seine Bedeutung, und zwar im gleichen Maße wie nach dem Anschluss Ostdeutschlands an die Bundesrepublik Deutschland die Wissenschaftslandschaft, die in der DDR gewachsen und gestaltet worden war, in die der Bundesrepublik eingepasst wurde. Heinz Militzer verließ Freiberg und siedelte nach Eichwalde um. Von dort aus musste er machtlos als Altersrentner zusehen, was an der Bergakademie Freiberg mit seinem Lebenswerk geschah. Er erlebte aber noch, dass 2015 die neugestaltete Technische Hochschule Bergakademie Freiberg den 250. Jahrestag der Gründung der altehrwürdigen Bergakademie feierte, aus diesem Anlass ein Gesamtkatalog aller Professoren erschien, die jemals an der Bergakademie gelehrt haben, und dass darin auch er selbst mit sachlich korrekten Angaben enthalten war.

Im Mai 1999 wurde Heinz Militzer zum Mitglied der Leibniz-Sozietät gewählt. Er hatte von seiner wissenschaftlichen Abgeschiedenheit in Eichwalde aus den Kontakt zum Verein mit dem programmatischen Namen, der begonnen hatte, die Gelehrtengesellschaft wieder zu konsolidieren und zu erweitern, gesucht und gefunden. Die Leibniz-Sozietät dankte ihm für seine aktive Mitwirkung auf akademietypische Weise, indem sie eine wissenschaftliche Veranstaltung zum Arbeits- und Interessengebiet des Jubilars durchführt: erstmals im Workshop über Ergebnisse und Probleme der geophysikalischen Wissenschaften, den der inzwischen entstandene Arbeitskreis Geo-, Montan-, Umwelt- und Astrowissenschaften am 3. Mai 2007 durchführte. Mit dem Workshop wurde die Wortmeldung der Leibniz-Sozietät zum 50. Jahrestag des Beginns des Internationalen Geophysikalischen Jahres vorbereitet. Als Termin war bewusst der Tag nach dem 85. Geburtstag von Heinz Militzer gewählt worden. Und es gab eine Laudatio auf ihn, in der die Beziehung seines Lebenswerkes zu den Themen dieses bis dahin größten internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaftsunternehmens und der ihm folgenden großen internationalen Projekt herausgearbeitet worden war. Wie auch vom Jubilar selbst gewünscht, war das Motto, unter dem seine Leistungen gesehen wurden: „Mit und nach Otto Meißer“ – Otto Meißer (1899-1966), Begründer (1940) und „Großmeister“ der Angewandten Geophysik an der Bergakademie Freiberg, Rektor der Bergakademie, ab 1957 Ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW), Sekretar ihrer Klasse Bergbau, Hüttenwesen und Montangeologie.

Heinz Militzer hat an der Bergakademie Freiberg (BAF) bei Otto Meißer studiert, diplomiert, promoviert und habilitiert, war sein engster wissenschaftlicher Mitarbeiter. 1966 wurde er sein Nachfolger als Professor mit Lehrstuhl für Angewandte Geophysik und Direktor des Institutes für Angewandte Geophysik. In den folgenden zwei Jahrzehnten konzentrierte er sich auf das Fachgebiet Angewandte Geophysik an der BAF. Das wurde für das Fachgebiet zu einer fruchtbaren Zeit mit großen Erfolgen in der Lehre und der Hochschulforschung für die volkswirtschaftliche Praxis der DDR. Davon seien nur erwähnt: das Lehrbuch „Angewandte Geophysik in Ingenieur- und Bergbau“, das in zwei Auflagen 1978 und 1986 erschien, und das dreibändige „Lehrbuch der Angewandten Geophysik“, erschienen 1984/85/87, ein Gemeinschaftswerk, herausgegeben von Heinz Militzer, Freiberg, und Franz Weber, Leoben.

Gegenüber weiterreichenden Aufgaben folgte Heinz Militzer seinem großen Vorbild nicht. Als 1968 an der BAF die Sektion Geowissenschaften gebildet wurde, in der die bisher selbständigen geowissenschaftlichen Institute mit dem Status von Wissenschaftsbereichen zusammengeführt werden sollten, arbeitete er als deren Direktor nur eine Berufungsperiode lang bis 1975. Die Berufung zum Direktor des Institutes für Geodynamik der DAW in Jena, die ihm 1965 angetragen wurde, nahm er nicht an. Auf dem Gebiet der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit führte er die von Otto Meißer wahrgenommene Gesamtverantwortung für die Beteiligung der DDR am Projekt „Oberer Erdmantel“ mit Glanz zum Abschluss, übernahm aber nicht mehr die Verantwortung für die Beteiligung an den weltweiten Folgeprogrammen, auch nicht an den Programmen der relevanten Kooperation zwischen den Wissenschaftlern der sozialistischen Staaten.

Für die Leibniz-Sozietät, die als akademische Gelehrtengesellschaft stets die Einheit der Wissenschaften im Auge hat, ergab sich aus dem Workshop im Mai 2007 die Frage nach der weiteren Entwicklung der Wissenschaftsdisziplin Angewandte Geophysik. Sie wurde zum Thema des großen wissenschaftlichen Kolloquiums, das die Leibniz-Sozietät am 11. Mai 2012 anlässlich des 90. Geburtstages von Heinz Militzer veranstaltete: „Quo vadis, Wissenschaftsgebiet Angewandte Geophysik?“. Für den 90-jährigen Jubilar war es leider kein schönes Thema: Die Umstände, die für die Antwort entscheidend sind, waren nicht mehr die der Jahre, in denen er seine großen Erfolge erzielt hatte.

Heinz Kautzleben, 05.05.2017