Nachruf für unser Mitglied Günther Vormum

 

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Am 8. Dezember 2013 verstarb nach einer Herzoperation unser Mitglied Prof Dr. Günther Vormum.

Er wurde am 7. August 1926 in Rostock geboren, besuchte die Volksschule in Bredereiche/Havel von 1933 bis 1937, danach das Realgymnasium „Carolinum“ in Neustrelitz bis 1940, wechselte zur Oberschule „Blücher-Schule“ in Rostock, wo er von 1943 bis 1944 als Luftwaffenhelfer eingesetzt wurde. Im selben Jahr kam er zum Arbeitsdienst in Danzig und wurde Soldat im Pionierbataillon Stettin, geriet am Kriegsende in französische Gefangenschaft und wurde 1946 entlassen, ein typischer Lebensablauf für seine Altersklasse. Als externer Oberschüler legte er am 15. Juli 1947 in Rostock das Abitur ab.

Günther Vormum studierte von 1947 bis 1951 Chemie an der Universität Rostock und promovierte 1953 bei Prof. Günther Rienäcker mit einer Arbeit über Mischkatalysatoren. Noch im gleichen Jahr ging er mit Prof. Rienäcker nach Berlin und war dort bis Anfang 1956 Assistent und Oberassistent am I. Chemischen Institut der Humboldt-Universität. Im März 1956 nahm Günther Vormum seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Angewandte Isotopenforschung des Instituts für Medizin und Biologie der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin-Buch auf. 1957 wurde er zuerst kommissarischer Leiter und kurze Zeit später Leiter dieses Bereiches. Im gleichen Jahr wurde er vom damaligen Amt für Kernforschung und Kerntechnik der DDR mit der Errichtung der Isotopenverteilungsstelle beauftragt, deren Leitung ihm 1959 nebenamtlich übertragen wurde. Im Zeitraum von 1961 bis 1969 war Günther Vormum Direktor des selbständigen Instituts für Angewandte Isotopenforschung. 1969 erfolgte seine Ernennung zum Professor. Im Zuge der Akademiereform in der DDR wurde das Bucher Institut für Angewandte Isotopenforschung dem Zentralinstitut für Isotopen- und Strahlenforschung in Leipzig als Außenstelle und Bereich Strahlenquellen und Nuklearpharmaka zugeordnet. Seit dieser Zeit bis zu seiner Emeritierung 1991 war Professor Vormum der Leiter dieses Bereiches.

Günther  Vormum gehört zu den Pionieren der Isotopenanwendung in der DDR. Das betraf vor allem die Konzipierung, den Bau und die Einrichtung von Isotopenlaboratorien einschließlich spezieller Strahlenschutzeinrichtungen, die Organisation und Durchführung der Isotopenverteilung, aber ebenso die Entwicklung von Isotopenmethoden für externe Anwender aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie die Ausbildung dieser Anwender im sachgerechten Umgang mit Radionukliden. Günther Vormum hat an der Bewältigung dieser komplexen und schwierigen Aufgaben mit ihren unzähligen Problemen von Beginn an sehr maßgeblich und sehr erfolgreich mitgewirkt.

Die Anwendung radioaktiver Isotope beinhaltet die Anwendung radioaktiv markierter Substanzen und radioaktiver Strahlenquellen. Ihre Herstellung  einschließlich der dafür erforderlichen Vorlaufforschung gehörte zum Aufgabenbereich des Bucher Instituts, und zwar bis 1989 mit ständig steigender Tendenz. In der Gestaltung dieser Isotopenproduktion, ihrer baulichen Fundierung, ihrer fachkompetenten Förderung und Ausweitung durch die Anbahnung und Pflege von Beziehungen zu in- und ausländischen Anwendern fand Günther Vormum ein großes Betätigungsfeld, auf dem seine Fähigkeiten und seine Initiative voll zur Geltung kamen und reiche Früchte trugen. Das Berliner Isotopeninstitut wurde über Jahrzehnte wiederholt baulich erweitert, so dass den Forderungen von Wissenschaft und Wirtschaft nach markierten Verbindungen und Strahlenquellen entsprochen werden konnte.

Die Erfolge von Günther Vormum beschränken sich aber bei weitem nicht auf die bauliche Entwicklung und das Management der Isotopenproduktion, sie betreffen auch den Aufbau einer angemessenen Vorlaufforschung für diese Isotopenproduktion. Einen besonders hohen persönlichen Beitrag hat er dabei für die Entwicklung umschlossener radioaktiver Strahlenquellen geleistet. Seine vielseitigen Kenntnisse auf den Gebieten Chemie, Werkstoffe, Werkstoffbearbeitung und Vakuumtechnik befähigten ihn dazu in idealer Weise. Die von Günther Vormum eingeführten Kapseltechnologien, Elektronenstrahlschweißung für horizontale und vertikale Nähte, die Wolfram-Inertgas-Schweißung sowie weitere spezielle Verfahren sicherten den in Berlin-Buch hergestellten Strahlenquellen einen hohen und anerkannten Strahlenschutz/Qualitätsstandard. Wesentlich darauf basierte die durch Export belegte Konkurrenzfähigkeit der Strahlenquellen im Ausland. Auf dieser Grundlage war es auch möglich, ein breites Sortiment von Cobalt-60- und Caesium-137-Strahlenquellen für die Strahlentherapie als vollwertiges Äquivalent für Radiumquellen zu schaffen. Ein besonderer Erfolg war die gemeinsam mit Augenärzten der Charité Berlin durchgeführte Entwicklung von Ruthenium-106-Augenkalotten, deren extreme Strahlenreinheit ebenso auf die Arbeiten von Günther Vormum zurückgeht wie die komplizierte Dosimetrie an den gewölbten Strahlenkörpern. Günther Vormum hat im Handbuch “Medical Radiology” (Springer Verlag Berlin/Heidelberg 1993) diese Thematik abgehandelt.

Auf  Günther Vormum geht auch die Entwicklung zahlreicher Strahlenquellen für die technische Nutzung zurück. Sie umfasst neben den Standardisotopen Caesium-137, Cobalt-60, Strontium-90 und Promethium-147 auch Tritium (H-3), Nickel-63, Natrium-22, Iod-125 und ganz besonders Krypton-85, für das wegen seiner relativ geringen Inkorporationsgefährlichkeit eine breite Anwendung erschlossen wurde.

In diesem Zusammenhang muß auch der hohe Anteil von Günther Vormum an der Entwicklung und Produktion von Nuklearpharmaka, später von in-vitro-Kits (insbesondere für Radioimmunoassays) für die klinische Diagnostik gewürdigt werden, deren Produktionsumfang wertmäßig die Strahlenquellen sogar noch übertraf. Zu nennen sind hier vor allem die Entwicklung von Verfahren zur Steigerung der Empfindlichkeit der Tests durch Erhöhung der spezifischen Aktivität der Tracer, z. B. beim Pseudo-Thyroxin und bei Jod- und Cobaltverbindungen bis hin zur vollständigen Trägerfreiheit sowie seine Arbeiten zur Synthese von tritiummarkierten Verbindungen, unter denen die der Nukleoside und Nukleotide besonders zu erwähnen sind.

Die Leistungen von Günther Vormum fanden Anerkennung durch die Berufung in verschiedene wissenschaftliche und wissenschaftlich-technische Gremien. Er war Mitglied des Forschungsrates der DDR, der Ständigen Kommission Isotope sowie des Wissenschaftlichen Rates des Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR. Im Auftrag der International Atomic Energy Agency (IAEA) hat Günther Vormum als Spezialist in Brasilien, Malaysia, Indien und in der Türkei gewirkt, desgleichen war er mehrfach mit der Leitung internationaler IAEA-Kurse beauftragt worden. Günther Vormum hat im In- und Ausland zahlreiche Vorträge gehalten, an der Humboldt-Universität Berlin Lehrverpflichtungen wahrgenommen und sich an dem in Berlin-Buch durchgeführten Isotopenkurs für Biowissenschaftler durch Vorträge beteiligt.

Im Jahre 1997 wurde er zum Mitglied der Leibniz-Sozietät gewählt, an deren wissenschaftlichen Veranstaltungen er bis vor kurzem regen Anteil genommen hat. Bemerkenswert ist sein Vortrag „100 Jahre Radioaktivität. Rückblick und Versuch einer Bilanz“, den er im Plenum der Sozietät gehalten hat und der in den Sitzungsberichten, Band 16 veröffentlicht ist.

Wir verlieren in ihm ein aktives Mitglied, dessen Andenken wir stets in Ehren bewahren werden.

Lothar Kolditz