Gerhard Banse zum Siebzigsten!

Gerhard Banse  zum Siebzigsten
Laudatio

Bernd Meier

Als es im Präsidium der Leibniz-Sozietät darum ging, unseren Präsidenten, Gerhard Banse, in einer Laudation zu würdigen, hatte ich mich schnell dazu bereit erklärt, einen entsprechen Text zu entwerfen. Schließlich ist Gerhard Banse ja kein Unbekannter und wir kennen uns schon seit vielen Jahren, haben verschiedene Aktivitäten vor allem im Zusammenhang mit Fragen zur technischen Bildung gemeinsam gestaltet.
Beim Verfassen des Textes merkte ich erst, worauf ich mich eingelassen hatte. Womit sollte ich beginnen, womit enden?

In einer kurzen aber prägnanten Laudatio den Jubilar wissenschaftlich zu ehren, kommt der Quadratur des Kreises gleich.  War doch sein gesamtes Leben als Wissenschaftler überreich sowohl an nationalen, wie internationalen Aktivitäten und vor allem zahlreichen, vielfach aufgegriffenen wissenschaftlichen Publikationen.  Die Veröffentlichungen umfassen Arbeiten aus allen seinen Hauptforschungsgebieten der Technikphilosophie, der Allgemeinen Technikwissenschaften und der Technikfolgenabschätzung.

Wenn ich versuche, die unbestimmte Aussage „zahlreiche Publikationen“ näher zu quantifizieren, wird dies zu einer Sisyphusarbeit. Allein bei Amazon sind 73 Bücher von und mit Gerhard Banse (Stand: 11.07.2016) zu beziehen. Greife ich auf seine eigenen Angaben seines CV auf der Seite der Leibniz-Sozietät zurück, so gibt er hier selbst vorsichtig etwa 400 Buch- und Zeitschriftenpublikationen an.

Bei Google Books Ngram Viewer[1] können wir eine interessante Entwicklungslinie ermitteln lassen, die nur wenige Wissenschaftler mit ostdeutscher Sozialisation erreicht haben. Seit Mitte der siebziger Jahre steigt seine Häufigkeitskurve kontinuierlich an, fällt dann nach 1990 deutlich ab, um dann ab 1995 wieder mit gleicher Kontinuität anzusteigen.

Bezüglich der Anzahl der Publikationen lassen Sie mich bitte noch auf eine Begebenheit hinweisen, die fünf Jahre zurückliegt, eine Tagung des CULTMEDIA-Netzwerks in Prag. CULTMEDIA war ein 2002 gestartetes DFG-Forschungsprojekt       der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Forschungsbereich: Wissensgesellschaft und Wissenspolitik. Anliegen des CULTMEDIA-Netzwerks war die Analyse „Neuer Medien“ bezüglich der Nutzungsmuster, Nutzungsmotivationen und Nutzungssituationen. Die Projektleitung lag bei Gerhard Banse.

Diese Tagung im Jahre 2011 wurde auch genutzt, um in einer eindrucksvollen Weise die Leistungen von Gerhard Banse anlässlich seines 65. Geburtstages zu würdigen. Die Würdigung erfuhr der Jubilar nicht nur durch deutsche und tschechische Kolleginnen und Kollegen, sondern auch durch Wissenschaftler aus Australien, Österreich, Polen, der Slowakei und nicht zuletzt auch aus Vietnam.

Bezeichnend für mich war ein Ereignis am Rande. Dem Wissenschaftsautor, Gerhard Banse, wurde eine relativ dicke Broschüre überreicht, in der seine lange Literaturliste zusammengestellt war. Ich musste schmunzeln. Wenige Tage zuvor war ich zu einer Veranstaltung an der Universität Potsdam zur Verabschiedung eines vor allem in der akademischen Selbstverwaltung verdienstvollen Kollegen aus den alten Bundesländern. Auch ihm wurde eine relativ dicke Broschüre überreicht. Allerdings waren darin die vollständigen Texte aller seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengefasst.

Blicken wir doch an dieser Stelle auf einige Stationen des wechselvollen Arbeitslebens des Wissenschaftlers, Gerhard Banse, zurück:

Nach dem Erreichen der Hochschulreife nimmt er ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam auf, das er 1969 mit dem Diplom erfolgreich abschließt. Danach folgt eine zweijährige Tätigkeit als Lehrer in Gutengermendorf (Kreis Gransee).

Obwohl ihm die Arbeit mit den jungen Menschen viel Freude bereitet, zieht es ihn schon zwei Jahre später wieder zur wissenschaftlichen Arbeit hin. Im Rahmen einer planmäßigen Aspirantur bei Prof. Dr. Hermann Ley an der Humboldt-Universität zu Berlin untersucht er im Rahmen einer philosophischen Analyse die Herausbildung eines wissenschaftlichen Technikverständnisses. Eine Frage, die ihn ein Leben lang beschäftigt und ihn schließlich dazu führt, Technik in den Kontext von Kultur zu stellen. Hiermit erweitert er Technik als Artefakt, Technik im Kontext des Mensch-Maschine-Systems, Technik als soziales „Phänomen“ – sogenanntes „sozio-technisches“ System – und schließlich Technik  als  Kulturprodukt.

Nach seiner erfolgreichen Promotion 1974 forschte Dr. phil. Gerhard Banse zunächst für zehn Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) in Berlin.

Im Bereich Philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung arbeitete er unter Leitung von Prof. Dr. Herbert Hörz, dem späteren Präsidenten (1998-2006) und unserem hoch geachteten Ehrenpräsidenten der Leibniz-Sozietät (seit 2009).

Weil er eben kein sogenannter „Schulflüchter“ war und ihm die Arbeit als Lehrender stets Freude bereitet und nie losgelassen hat, gestaltete er neben seiner Forschungsarbeit die akademische Lehre sowohl an der Ingenieurhochschule Wismar, als auch an der Pädagogischen Hochschule Potsdam.

Darüber hinaus nutzte er seine wissenschaftliche Forschungsarbeit zur B-Promotion.  1981 verteidigte er seine Dissertation (B) zum Thema „Technik – Technikwissenschaften – Philosophie“. Auf der Basis dieser Qualifikation und seines umsichtigen Arbeitsstils wurde er schließlich Arbeitsgruppenleiter am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften.

Seine Führungsqualitäten sowie sein wissenschaftlicher Arbeitsstil, gepaart mit einem breiten Allgemeinwissen und der besonderen Fähigkeit zur Wissenschaftspropädeutik führten dazu, dass er von 1986 bis 1990 als Vizepräsident der URANIA – Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse in Berlin delegiert wurde. 1988 erfolgte dann auch folgerichtig seine Ernennung zum Professor für Philosophie an der Akademie der Wissenschaften der DDR.

So weit, so gut.

Nach der politischen Wende hatte die deutliche Mehrheit der Wissenschaftler aus der nun „ehemaligen DDR“ zunächst große Probleme der Selbstfindung und Arbeitsplatzsicherung. Es war eine überaus bewegte Zeit. Nahezu alles wurde in Frage gestellt, die Frage „Wie weiter?“ dominierte.

Prof. Dr. Gerhard Banse übernahm in den Jahren 1990 und 1991 zunächst die Aufgaben eines Bundesgeschäftsführers der URANIA – Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse e. V.

Vielversprechend war nun auch das Wissenschaftler-Integrations-Programm der Bundesregierung (WIP). Es war ein von 1992 bis 1996 in Deutschland als Teil des Hochschulerneuerungsprogramms (HEP) laufendes Förderprogramm der Bundesregierung und der neuen Bundesländer.

Das Programm hatte die dauerhafte Eingliederung der Mitarbeiter an den Instituten der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR als Ziel. Zu diesem Zweck wurden für die betreffenden Mitarbeiter sowohl befristete Personalstellen, als auch Forschungsprojekte finanziert und der Aufbau von Arbeitsgruppen an den Hochschulen gefördert. Das Ziel einer dauerhaften Integration wurde größtenteils nicht erreicht, nur rund jeder sechste der durch das WIP geförderten Wissenschaftler erreichte eine unbefristete Anstellung.

Im Rahmen des WIP war Gerhard Banse1992 und 1993 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Ab 1994 erlangte er dann eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU), am Institut für Philosophie und Technikgeschichte. Hier hat er die Lehrstuhlvertretung „Allgemeine Technikwissenschaft“ übernommen, die später ausgeschriebene Professur blieb ihm versagt.

Die Gestaltung der nächsten Jahre belegen die außerordentliche Flexibilität unseres Jubilars. Ab 1997 war er zugleich Gastwissenschaftler an der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Darüber hinaus hatte er in den 1990er Jahren mehrere Gastwissenschaftleraufenthalte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Pennsylvania State University und dem damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe. Ab Anfang 1999 war er im Rahmen des Hochschul-Sonder-Programms III, Programmpunkt „Innovative Forschung Neue Länder“ als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Potsdam tätig.

Er hatte es offensichtlich stets verstanden, auch Drittmittel zur Finanzierung seiner vielfältigen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu akquirieren. Eine gewisse Kontinuität prägte dann sein Arbeits- und Privatleben ab Oktober 1999 mit der Aufnahme einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum Karlsruhe, im Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse unter Leitung von Prof. Dr.  Armin Grunwald. Seine Arbeitsschwerpunkte lagen in den Forschungsbereichen „Wissensgesellschaft und Wissenspolitik“ (vgl. CULTMEDIA) sowie „Innovationsprozesse und Technikfolgen“.

Besondere Aufmerksamkeit widmete er stets auch der Kooperationen mit Institutionen in Mittel- und Osteuropa.

Folgerichtig wurde er im Jahr 2000 zum Gastprofessor an der Universität Banska Bystrica ernannt. Zugleich wurde er auch noch zum Honorarprofessor für Allgemeine Technikwissenschaft der BTU Cottbus bestellt. Zusätzlich übernahm Gerhard Banse 2009 in der Leibniz-Sozietät die ehrenamtliche Aufgabe eines Vizepräsidenten.

Mit dem Erreichen des gesetzlichen Ruhestands im Jahre 2011 trat natürlich für Gerhard Banse noch längst keine Ruhe ein. Er kandidierte als Präsident der Leibniz-Sozietät und übernahm dieses Amt mit Jahresbeginn 2012.

Dank seiner überaus zuverlässigen, kontinuierlichen, kreativen und vor allem sorgfältigen Arbeitsweise und Führungskompetenz wurde er im Januar 2015 für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt. Der fast 20 Seiten lange Bericht des Präsidenten anlässlich des diesjährigen Leibniz-Tages am 07.07.2016 dokumentiert in beeindruckender Weise die vielfältigen Aktivitäten der Sozietät in ihrer Gesamtheit und das Engagement unseres Präsidenten, der zugleich auch als Sprecher des Arbeitskreises Allgemeine Technologie fungiert.

Prof. Dr. Gerhard Banse ist nicht nur Präsident, er ist weiterhin Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam, der Schlesischen Universität Katowice (Polen), der Technischen Hochschule (Polytechnikum) Rzeszów (Polen) sowie der Matej-Bel-Universität Banská Bystrica (Slowakische Republik). Seit März 2015 ist er auch Gastwissenschaftler an der EA European Academy of Technology and Innovation Assessment.

Ich persönlich verdanke Gerhard Banse meine Mitgliedschaft in der Leibniz-Sozietät. Er war es gemeinsam mit Dieter Kirchhöfer, die mich zur Zuwahl im Jahr 2012 vorschlugen.

Wir hatten zuvor verschiedene gemeinsame Aktivitäten zur Sicherung einer allgemeinen technischen Bildung für alle Menschen gestaltet. Es war zunächst vor allem die Arbeit an neuen Schullehrplänen für das Land Brandenburg in den Fächern Arbeitslehre und Technik, die Gerhard Banse mit Technikdidaktikern und damit auch mit mir zusammenführte.

Nachdem ich fast zwanzig Jahre nur von Banse gelesen und ihn nach der gesellschaftlichen Wende auch gelegentlich gehört hatte, bot sich 2002 für uns erstmals die Gelegenheit zu einer gemeinsam gestalteten Konferenz. Mit Unterstützung des Pädagogischen Landesinstituts Brandenburg (PLIB) und des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des damaligen Forschungszentrums Karlsruhe Technik und Umwelt (heute Karlsruher Institut für Technologie – KIT) konnte das eintägige Fachgespräch dann im Herbst 2002 durchgeführt werden.

Schon das einladende Trio, Gerhard Banse, Bernd Meier und Horst Wolffgramm, repräsentierte die verschiedenen Perspektiven von Technikphilosophie, Technikdidaktik und der Technikwissenschaft.

Bereits im Vorfeld der Konferenz überzeugte Gerhard Banse mit seinen konstruktiven konzeptionellen Überlegungen und brillierte mit seiner Akribie sowie seinem Organisationstalent. Hiermit schafft er bei mir die Grundlage für eine stetige Bereitschaft zur Kooperation mit ihm und seinem institutionellen Hintergrund.

Von nun an arbeiteten wir immer mal wieder gemeinsam als Mitglied der VDI-Bereichsvertretung „Technik und Bildung“, gestalten Fortbildungen für Lehrkräfte, traten auf internationalen Fachtagungen auf, gestalteten gemeinsam Veröffentlichungen, lehrten im Team-Teaching an der Universität Potsdam.

Höhepunkte unserer Zusammenarbeit waren gewiss drei Tagungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften

  • im Jahre 2012 zum Thema „Arbeit und Technik in der Bildung – Modelle arbeitsorientierter technischer Bildung“ in Berlin,
  • die Konferenz in Potsdam-Griebnitzsee vom Mai 2013 zum Thema „Inklusion und Integration – Theoretische Grundfragen und Fragen der praktischen Umsetzung im Bildungsbereich“ sowie
  • die Konferenz im Jahr 2015 zum Thema „Allgemeinbildung und Curriculumentwicklung – Herausforderungen an das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik“.

Zu allen Tagungen sind Tagungsbände in der Reihe Gesellschaft und Erziehung. Historische und systematische Perspektiven beim Peter Lang Wissenschaftsverlag erschienen.

Ich wünsche mir noch viele Jahre gemeinsamer Arbeit mit Gerhard Banse zur Schaffung von Voraussetzungen für die gemeinsame Teilhabe aller Menschen an einer besseren Welt, insbesondere für gleichberechtigte Zugänge zur Arbeitswelt sowie für gleiche und ungehinderte Bildungs- und Erziehungschancen.

Dazu wünsche ich dem Jubilar auch im Auftrag des Präsidiums der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V. und persönlich von ganzem Herzen vor allem Gesundheit, weiterhin unermüdliche Schaffenskraft sowie Glück und Harmonie im persönlichen Leben.

[1] Der Google Ngram Viewer untersucht mittels Data Mining, wie häufig in gedruckten Publikationen der letzten fünf Jahrhunderte ausgesuchte Wortfolgen, sogenannte n-grams, gebraucht werden. Der Benutzer kann n-grams nach Belieben eingeben und ihre Gebrauchsfrequenz auch miteinander vergleichen. Das Programm wird verwendet, um anhand von Sprachgebrauchsfrequenzen Überlegungen über soziale, kulturelle und technische Veränderungen empirisch zu prüfen.