Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse“: Berichte zum Workshop Februar und Workshop März 2018

Berichte zum Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse“ – Workshop Februar und Workshop März 2018

(Michael Thomas, Leiter Arbeitskreis)

Der Arbeitskreis „Gesellschaftsanalyse“ plant seit einiger Zeit eine größere Veranstaltung (ganztägiger Workshop) zu Ambivalenzen und Blockaden gesellschaftlicher Transformation. Ausgehend von vorliegenden Ausarbeitungen des Arbeitskreises, die grundlegende Positionen und konzeptionelle Ansatzpunkte für mögliche/erforderliche gesellschaftliche Transformationen umrissen haben, soll stärker danach gefragt werden, ob und wie solche Transformationen in unserer zeithistorischen Konstellation überhaupt möglich sind. Zu viel scheint dem im Weg zu stehen; und die Vorbereitung einer solchen „Bestandsaufnahme“ erweist sich als durchaus kompliziert.

Auch deshalb ist mit den Sitzungen des Arbeitskreises versucht worden, einen Zugang zu den Fragen zu konkretisieren und anstehende offene Fragen abzustecken bzw. konzeptionelle Voraussetzungen aufzuzeigen. Diesen beiden Zielen dienten die Sitzungen des Arbeitskreises am 2. Februar und am 16. März 2018. Beide waren ähnlich gut besucht (jeweils zwischen 15 bis 18 Teilnehmende), es kam auch zu einem Gedankenaustausch, an welchem sich mehr als die Hälfte der Teilnehmenden (zum Teil mehrfach) beteiligte. Allerdings war dieser Austausch, einerseits wegen der heterogenen und wechselnden Zusammensetzung des Arbeitskreises, andererseits aber auch wegen einiger Abstimmungsprobleme, eher breit und so zwar durchaus informativ, kaum aber vertiefend und thematisch zuspitzend. Insofern ist es für den Arbeitskreis insgesamt nahe liegend, die weitere Vorbereitung des aufgeführten größeren Workshops zugleich mit Überlegungen zur Profilierung des Arbeitskreises zu verbinden. Das ist nach mehr als zehnjähriger Diskussions-Arbeit, die auch zu wichtigen Ergebnissen (so den Bänden 39 I/II, 45 und 49 der Abhandlungen) geführt hat, nachvollziehbar.

Am 2. Februar hatte sich der Arbeitskreis auf der Grundlage einer thematischen Einführung durch Prof. Michael Brie (Rosa-Luxemburg-Stiftung/MLS) und einem ergänzenden Beitrag von Dr. Michael Thomas (MLS) den „alten“, schon lange schwelenden Problemen von Intentionalität und Steuerung gesellschaftlicher Transformationsprozesse gewidmet. Zusätzlich zu den genannten Ausarbeitungen wurde dabei auch Bezug genommen auf Positionen und Auseinandersetzungen in einer neueren Publikation, an der – neben den beiden Referenten – auch weitere Mitglieder des Arbeitskreises beteiligt waren.1 Deutlich wurde zunächst einmal, dass sich die „Steuerungsfrage“ für aktuelle Transformationsprozesse grundlegend anders stellt, so auch anders beantwortet werden muss, als dies für postsozialistische Transformationen der Fall war (jedenfalls in einem bestimmten, dominierenden Theorieverständnis). Dann aber zeigte sich die Antwortsuche hinsichtlich dessen, was denn konkret unter Intentionalität und Steuerung zu verstehen, wie diese mehr oder minder voraussetzungsvoll zu konzipieren wären, als eher kontrovers. Während Brie vor allem die Erfordernisse von zielgerichtetem Handeln und von Steuerung unterstreichen wollte und dafür konzeptionelle Ausgangspunkte (etwa bei E. Ostrom) aufzeigte, wollte Thomas die ungeklärten Vorannahmen solcher Konzepte ins Zentrum stellen. Denn erst deren Klärung macht die Rede über Intentionalität und Steuerung sinnvoll.

Allerdings blieben die Argumentationen weitgehend nebeneinander stehen, und auch die folgende Diskussion blieb eher in einer unentschiedenen Gemengelage. Festzuhalten ist als große Übereinstimmung, dass institutioneller Wandel als Voraussetzung für Transformation und so auch für Steuerung von Transformationsprozessen angesehen wird. Die damit verbundenen Fragen nach dem Wie? dieses Wandels müssten aber wohl, so ein Fazit der Diskussion, besser über konkrete Prozesse, Beispiele erschlossen werden. Solche wurden dann zwar immer wieder angeführt, aber nicht mehr systematisch für einen Theorieertrag zusammen gebunden. Lohnenswert könnte ebenso, auch das ist ein Fazit, die Lektüre von einzelnen markanten Texten sein, die Theorieentwicklung mit relevanten Falldarstellungen verbinden. Im Workshop unternahm dies ansatzweise Michael Brie mit Verweis auf E. Ostrom, aber auch auf E.O. Wright und W. Streeck. Eine systematische Vertiefung wäre sinnvoll.

Nach diesen offenen Diskussionspunkten war der Workshop am 16. März von dem Anspruch getragen, stärker vorliegende „Lösungskonzepte“ bzw. Anregungen für praktische Transformationsgestaltung aufzunehmen. Mit Dr. Bernd Sommer, Universität Flensburg (Leiter des Forschungsbereichs Klima, Kultur & Nachhaltigkeit am Norbert Elias Center), war dafür ein interessanter Diskussionspartner gewonnen. Ausgangspunt für die Diskussion war insbesondere dessen gemeinsam mit Harald Welzer verfasstes Buch „Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne“. Denn das Buch legt auf sehr anschauliche und vielfältige Weise sowohl ein übergreifendes Verständnis von Transformation, deren wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkt wie dann eben ein dafür erforderliches Design dar: Als übergreifender Ansatz gilt der einer „reduktiven Moderne, was nicht als Verlust zivilisatorischer Standards verstanden werden soll, sondern als „Organisation der Reduktion im Kontext moderner Gesellschaften“. Dafür aber ist ein umfassender Kulturwandel erforderlich – man muss das „expansive Kulturmodell verlassen“. Und für diese Aufgabe, insbesondere deren Governance, seien Gestaltungsüberlegungen nötig, d.h. ein spezifisches Design. Der Wandel, so die Pointe, kommt so oder so. Die „Frage ist nur, ob by design or by disaster”.

Ansatz und Konzept zeigten sich als hochgradig anschlussfähig an Ausarbeitungen und Diskussionen im Arbeitskreis. Das betrifft auch den komplexen Zugang der Verschränkung etwa von ökologischen und sozialen Fragen. Allerdings löste sich dieser komplexe Zusammenhang in der Diskussion eher auf in einzelne Komponenten, die dann wieder nebeneinander verblieben, ohne zu substantiellen Klärungen zu kommen: Inwieweit trägt das Konzept der „reduktiven Moderne“ über einzelne Aspekte hinaus (Naturverbrauch), oder geht es dann schlicht um Verzicht? Inwieweit geht ein konzipiertes Transformationsdesign ausreichend auf Macht und Interessen ein? Welche Kräfte stehen heute für Transformation, wie transformationsfähig ist unsere Gesellschaft überhaupt?

Letztlich sind das auch genau die Fragen, die grundsätzlich und somit für den erwähnten Workshop (wie darüber hinaus – es sind ja zum Teil gleichsam erratisch im Raum stehende Fragen) anstehen. Das diskutierte Buch gibt viele Anregungen, die Veranstaltung mit Bernd Sommer hat vor allem (im produktiven Sinn) offene Stellen markiert. Diese sollten schrittweise geschlossen werden.

Weitere Informationen bzw. auch Diskussionsmaterialien können erfragt werden. Die nächste Sitzung des Arbeitskreises ist für den 15. Juni vorgesehen. Kontakt über den Leiter des Arbeitskreises: thomas@biss-online.de

Michael Thomas

1 Brie, Michael/Reißig, Rolf/Thomas, Michael (Hg.): Transformationen. Suchprozesse in Zeiten des Umbruchs. Münster et al. 2016.