AK Vormärz und 1848er Revolution, Aprilsitzung 2015, Bericht

Arbeitskreis Vormärz- und 1848er Revolutionsforschung der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin

Sitzung vom 8. April 2015

Nach Erscheinen des 4. Bandes der „Männer und Frauen der Revolution von 1848/49“ im Juni 2013 standen dessen Auswertung und die Vorbereitungen für den 5. Band des gemeinsamen Unternehmens mit dem FIDES Verlag Berlin und die Diskussion der ersten Biografien-Entwürfe auf der Tagesordnung.

Über Band 4 erschienen inzwischen 8 Rezensionen in Zeitungen und Zeitschriften (Die Zeit/Hamburg; Süddeutsche Zeitung/München; neues deutschland/Berlin; Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung/Frankfurt a.M. Zeitschrift für Liberalismus-Forschung; Zeitschrift für Geschichtswissenschaft/Berlin; Sozialismus/Hamburg; Vormärz Forschungen. Jahrbuch 2014) Der Band wird – wie die vorangegangenen Bände – wegen der zahlreichen Erstporträts von Unbekannten und Vergessenen, der Behandlung von Vertretern der verschiedenen politischen Lager, der europäischen Dimension, der Einbettungen der Biografien in die historischen Hintergründe, der wissenschaftlichen Exaktheit, der strengen Sachlichkeit bei gleichzeitiger lebendiger Darstellung und weil stets Gesamtbiografien mit ihren Brüchen geboten werden, die auch die Forschung anregen, im Großen und Ganzen positiv gewürdigt. Kritisch vermerkt und bedauert wird die geringere Beachtung von Liberalen; verlangt eine noch gründliche Erörterung der Brüche im Leben der Revolutionäre und Gegner, Verallgemeinerndes über das Gemeinsame und Trennende in ihrem Leben, Hinweise auf noch Unerschlossenes und, wenn möglich, ein über das Personenregister hinausgehendes spezifisches Sachregister.

Im Laufe mehrerer Beratungen wurde bis Anfang 2014 ein Konzept für den 5. Band entwickelt, nach dem Autoren für Biografien von drei Frauen und etwa 7 Männer, die als Protagonisten des Revolution hervorgetreten waren, gewonnen werden konnten. Als vorläufiger Erscheinungstermin für den neuen Band wurde das Jahre 2016 anvisiert.

Bereits im Oktober 2013 konnte der erste Entwurf der Biografie des Wiener Demokraten Karl Tausenau diskutiert werden, der auf volle Zustimmung stieß. Nur in Einzelfragen wurden Verbesserungen für nötig erachtet. Das galt auch für den Biografie-Entwurf des Stralsunder Gymnasialdirektors und liberalen Abgeordneten Johann Ernst Nizze, der, wiewohl überzeugter Anhänger einer konstitutionellen Monarchie und leidenschaftlicher Preuße, in den 1860er Jahren in Konflikt mit den preußischen Behörden geriet. Dieses Manuskript war Gegenstand der AK-Beratung im Dezember 2013 Über beide 48er liegen bisher noch keine wissenschaftlichen Biografien vor.

Als besonders wichtig für die weiteren Arbeiten erwies sich die Diskussion im Arbeitskreis im Februar 2014, in der eine kritische Analyse der bisher erschienenen Bände im Mittelpunkt stand. Dafür konnte als Biografien-Spezialist der Philosoph Michael Heinrich gewonnen werden. Er hob die durchweg gelungenen Einordnungen in den jeweiligen historischen Hintergrund hervor, bemängelte indes, dass dies nicht immer für die engeren lokalen Probleme geschähe. Er warnte davor, in teleologische Zwangsläufigkeit zu verfallen, sondern noch stärker Wendepunkte und mögliche Alternativen in der Entwicklung der Persönlichkeiten zu verdeutlichen. Ergänzt wurde dies in der anschließenden Diskussion durch die Auswertung von Rezensionen zu den Bänden, in denen auch verlangt wurde, den Brüchen in biografischen Entwicklungen noch größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Als ein besonderes, hochwichtiges Problem wurde die jeweilige Verarbeitung der Niederlagen durch die Protagonisten der Revolution debattiert, eine Frage, die weitreichende Bedeutung besitzt.

Beraten wurden 2014 noch zwei weitere Biografien, und zwar von schlesischen 48er Demokraten. Im April 2014 stand der Biografie-Entwurf des Breslauer Journalisten und Redakteurs August Semrau zur Diskussion, der als stark quellenfundierte Darstellung bezeichnet wurde, in der der politische Reifeprozess in allen Differenzierungen sichtbar gemacht wurde. Bemängelt wurde indes, dass wenig zu seiner Persönlichkeit, über seinen Charakter und sein Verhältnis zu Freunden zu erkennen sei. Auch sollten die Proportionen stärker auf 1848/49 konzentriert sein und in den anderen Teilen eventuelle Kürzungen vorgenommen werden. Im November 2014 wurde das Manuskript einer Biografie des schlesischen 48er Demokraten und späteren legendären Breslauer jüdischen Arztes Sigismund Asch vorgelegt, das eine im Ganzen positive Bewertung fand. Die Kritik galt hier vor allem der Vernachlässigung der gesellschaftspolitischen Aktivitäten der Frau von Sigismund Asch, die anders als er selbst, dessen Aktionsraum stets Breslau blieb, in frauenemanzipatorischen Bestrebungen deutschlandweit und international einbezogen war.

Vorlage der Beratung im Februar 2015 war die Entwurf der Biografie von Ludwig Stechan, eines führenden Vertreters der frühen deutschen Arbeiterbewegung aus Hannover, der im Vormärz wie in der Revolution und danach Wichtiges zur politischen und sozialen Emanzipation der Arbeiter namentlich im norddeutschen Raum geleistet hat. Der Entwurf bot neue Erkenntnisse zu Geschichte der Geheimbünde des Vormärz wie zur Propaganda revolutionär-proletarischer Einsichten in der Nachmärzperiode. Kritisch angemerkt wurde eine teilweise Überhöhung des politisch-geistigen Niveaus von Stechan im Vormärz. Auch wurde eine stärkere Behandlung des allgemeinen Gangs der deutschen Revolution und eine noch intensivere Auswertung der jüngsten Literatur empfohlen.

Im Februar 2015 wurde bei einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Greifswald der Band 4, unserer Reihe in einer lebhaften Diskussion vorgestellt. Weitere Buchvorstellungen sollen in diesem Jahr in Berlin erfolgen.

Als nächste Themen unserer Arbeit sind vorgesehen: eine biografische Studie über Georg Weerth in der Revolution von 1848/49 und der Entwurf einer biografische Untersuchung über Jenny Marx, in der ihr Verhältnis zu den Achtundvierzigern im Zentrum stehen soll.

Walter Schmidt