Wissenschaftliche Sitzungen des Plenums der Leibniz-Sozietät im Jahre 2007

Nachfolgend werden die im Jahr 2007 stattgefundenen wissenschaftlichen Sitzungen im Plenum der Leibniz-Sozietät zusammen mit den Kurzreferaten und Angaben zu den C.V. der Vortragenden aufgelistet.
Die Namen der Autoren sind mit dem Autorenverzeichnis verlinkt und die einzelnen Beiträge, die bereits in einer Publikationsreihe der Leibniz-Sozietät erschienen sind, sind als PDF-Dateien unterlegt.

 

11. Januar 2007

Rainer Schimming
Grenzen der Wissenschaft

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 34, 10.03.07  

Prof. Schimming (62) ist Mathematiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004. Er hat in Leipzig und in Kiew Mathematik studiert. Seine Dissertation (1971) und Habilitationsschrift (1979) behandeln Probleme der Mathematischen Physik und Relativitätstheorie. Die Publikationsliste umfaßt etwa 100 Titel. An der Universität Greifswald, wo er seit 1981 wirkt, hat er sich im Zusammenhang mit dem 1998 dort eingerichteten Studiengang Biomathematik zunehmend der Mathematischen Biologie zugewandt. Er interessiert sich für Philosophie und hat auch dazu Veröffentlichungen. Zur Arbeitsgruppe Kosmologie an der Universität Szczecin bestehen enge Verbindungen.

Naturgesetze und der Kosmos, so wie er nun einmal ist, setzen dem Wirken des Menschen absolute Grenzen. So ist die Genauigkeit jeder Messung durch die Heisenbergsche Unschärferelation begrenzt. Und ein Raumschiff kann sich nicht schneller als das Licht bewegen (außer in der Phantasie der Science Fiction). Auch die Mathematik hat Grenzen: Bestimmte mathematisch formulierte Probleme kann kein heutiger oder zukünftiger Computer lösen!
Relative Grenzen ergeben sich aus dem jeweiligen Stand der Gesellschaft und werden durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik weiter hinausgeschoben. So ist die Natur der sog. dunklen Materie heute unbekannt, ebenso weiß man noch fast nichts über die hypothetische dunkle Energie. Wir können aber annehmen, dass die Astronomen und Kosmologen darüber etwas herausfinden werden. Zu den relativen Grenzen zählen auch finanzielle, politische und ethische. Nicht alles prinzipiell Machbare ist finanzierbar, politisch gewollt und moralisch vertretbar. Es sei etwa an die Diskussionen zur Gentechnik erinnert. Nicht zu vergessen sind erkenntnistheoretische Grenzen der Wissenschaft sowie solche der Zuständigkeit: Man darf der Wissenschaft nichts für sie Unmögliches abverlangen. Sie ist verantwortlich für Sachfragen, nicht für Sinnfragen. Bei der Suche nach dem Sinn menschlichen Handelns kann Wissenschaft nur beraten und auf die logischen Regeln achten. Es verbleibt ein Freiraum für verschiedene Weltanschauungen.

 

8. Februar 2007

Reimar Müller
Die Frage nach dem Preis des Fortschritts. Kulturkritik in der antiken und in der neuzeitlichen Aufklärung

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 35, 15.06.07 

Prof. Müller (74) ist Altertumswissenschaftler im Bereich der Kulturgeschichte und der antiken Literatur und Philosophie sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1993. Spezialgebiete seiner Forschung sind die hellenistisch-römische Philosophie (Epikur, Lukrez, Cicero), die antike Sozial- und Rechtsphilosophie, Menschenbild und Humanismus der Antike sowie die Rezeption der antiken Philosophie vom 18. Jh. bis in die Gegenwart. Er hat u.v.a. eine Kulturgeschichte der Antike in zwei Bänden sowie ein Werk über Rousseaus frühe Schriften und die antike Tradition publiziert.

Die Frage nach dem Preis des Fortschritts wurde schon sehr früh gestellt. Mit der Herausbildung der Kulturtheorie im 5. Jh. v. Chr. entstanden Konzeptionen des zivilisatorischen und gesellschaftlichen Fortschritts. Da Kulturtheorie stets einen bestimmten Grad der Reflexivität zur Voraussetzung hat, stellte sich früh auch ein Bewusstsein der Ambivalenz des Fortschritts ein. Bei Dikaiarchos, Lukrez und Poseidonios führt die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur nicht nur zu deren Umgestaltung, sondern auch zur Entfaltung der menschlichen Potenzen in Landwirtschaft, Gewerbe, bildender Kunst, Dichtung, Philosophie und Wissenschaft. Der kulturelle Fortschritt ist auf einer bestimmten Stufe (Herausbildung des Privateigentums, despotische Herrschaftsformen) mit einem moralischen Niedergang verbunden, der in Luxuskonsum, Korruption, Krieg und Entfremdung seinen Ausdruck findet. Mittel zur Aufhebung der negativen Erscheinungen werden vor allem in die Entscheidung des Einzelnen gestellt, der über den Umgang mit den Errungenschaften der Kultur verfügt.
Zum Teil in Anlehnung an die antiken Theorien setzt sich die moderne Aufklärung mit den negativen Folgen des Fortschritts auseinander: Vertiefung der sozialen Unterschiede, Verkümmerung der individuellen Talente durch die moderne Arbeitsteilung, Verlust des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins, Ausbeutung, Despotie, Kolonialismus. Im Mittelpunkt der Kulturkritik des 18. Jh. bei Ferguson, Rousseau, Herder, Schiller stehen Probleme, die für das Individuum und die Beziehungen innerhalb der Gesellschaft erwachsen, nur in Ansätzen die Störung des Verhältnisses von Mensch und Natur.
Der im 19. und 20. Jh. beginnende Verlust des ökologischen Gleichgewichts der Natur schafft Probleme neuer Art, die mit den traditionellen Mitteln (Bildung, Wahrnehmung der ethischen Verantwortung) allein nicht gelöst werden können. Ein totales Umdenken im Verhältnis von Mensch und Natur wird unerlässlich, um globalen Katastrophen entgegenzuwirken.

 

08. März 2007

Ganztägige gemeinsam Sitzung von Plenum und Klassen anlässlich des Druckes der “Opera didactica omnia” des Johann Amos Comenius vor 350 Jahren

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, BVV-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 35, 15.06.07

Prof. Dr. Siegfried Wollgast (Dresden): Aufklärung, Pädagogik und Akademiegedanke 

Prof. Dr. Dr. h.c. Jaroslav Pánek (Vizepräsident der AdW der čR und Prof. an der Karls-Universität in Prag): Comenius und seine Zeit

Dr. Werner Korthaase (Berlin): Comenius – In Verantwortung für das Schicksal der Menschheit

Prof. Dr. Andreas Fritsch (Vorsitzender der Deutschen Comenius-Gesellschaft): Die „neueste Sprachenmethode” in den “Opera didactica omnia” des Comeniu

 

12. April 2007

Gemeinsame wissenschaftliche Sitzung von Plenum und Klassen zum 300. Geburtsatag Leonhard Euler am 12.4. 2007

Humboldt-Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Unter den Linden 6, Senatssaal Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 35, 15.06.07 

Prof. Dr. Lothar Budach (Berlin):
Eulers Begründung der Analysis situs 

Prof. Dr. Fritz Gackstatter (Berlin):
Eulers Beiträge zu Variationsrechnung und Himmelsmechanik 

Prof. Dr. Erik W. Grafarend (Stuttgart):
Kinematische und dynamische Gleichungen zur Erdrotation – Messexperimente, Präzession/Nutation versus LOD/Polbewegungen 

Prof. Dr. Herbert Hörz (Berlin):
Freiheit als Stein des Anstoßes in der Philosophie – Welträtsel in Eulers Sicht 

Prof. Dr. Roswitha März (Berlin):
Rechnen mit Euler

 

10. Mai 2007

Lothar Kolditz
Festkörperchemie und eine Betrachtung über Dogmen, Theorien, Hypothesen

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 35, 15.06.07  

Prof. Kolditz (77) ist Chemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1993. Nach Promotion (1954) und Habilitation (1957) war er 1957 – 1959 Professor mit Lehrauftrag für Spezialgebiete der anorganischen Chemie und Radiochemie an der Technischen Hochschule für Chemie Leuna-Merseburg, 1959 – 1962 Professor mit vollem Lehrauftrag für anorganische Chemie und Direktor des Anorganisch-Chemischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie 1962 – 1980 Professor mit Lehrstuhl für anorganische Chemie und Direktor des I. Chemischen Instituts der Humboldt-Universität. 1972 – 1980 leitete er die Sektion Chemie der Humboldt-Universität und 1980 – 1990 das Zentralinstitut für Anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Hemmende und fördernde Faktoren in der Wissenschaftsentwicklung werden am Beispiel der Festkörperchemie demonstriert, deren Erforschung bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts durch ein Dogma der Alchimisten blockiert wurde, wonach Reaktionen nur in flüssigen Systemen auftreten sollten. Erst ab 1912 wurde die erstaunliche Reaktivität fester Stoffe bekannt und erklärt. Festkörperreaktionen haben eine enorme praktische Bedeutung und wurden unbewusst auch schon vor dieser Erkenntnis genutzt.
Die Weiterentwicklung der Festkörperchemie verlief nach einer stürmischen Anfangsphase wiederum mit Hindernissen, weil die kritische Überprüfung von Theorien vernachlässigt und die Gültigkeit ihrer Grenzen nicht beachtet wurde.
Die Betrachtung über Dogmen, Theorien, Hypothesen beleuchtet fördernde und hemmende Faktoren in der Wissenschaftsentwicklung. Hypothesen sind falsifizierbar, Theorien korrigierbar. Als Grundkriterium für die wissenschaftliche Arbeit gilt die Überprüfbarkeit. Auch falsifizierte Hypothesen führen nach ihrer Korrektur auf den richtigen Weg. Theorien und auch Gesetze gelten innerhalb gewisser Grenzen und müssen gerade in dieser Hinsicht immer überprüft werden.

 

14. Juni 2007

Dirk Stederoth (Kassel):
Gestufte Freiheit. Zur systematischen Differenzierung des Freiheitsproblems

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Dr. Stederoth (39) ist Philosoph. Für seine Dissertation im Jahr 2000 erhielt er anlässlich des 300. Jahrestages der Leibnizschen Akademiegründung den »Preis der Leibniz-Sozietät für Geisteswissenschaften«; 2003 den 3. Preis für die Beantwortung der Preisfrage des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover. Seit August 2002 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bereich Philosophie der Universität Kassel. Im April 2005 weilte er zu einem Gastaufenthalt mit Vorträgen an der Pontificia Universidade Católica do Rio Grande do Sul in Porto Alégre sowie der Universidade de Passo Fundo (beide Brasilien). Seine wichtigsten Veröffentlichungen sind „Hegels Philosophie des subjektiven Geistes. Ein komparatorischer Kommentar“, Berlin 2001, sowie die Mitherausgabe dreier Werke.

Der Vortrag wendet sich thematisch an die seit einigen Jahren in den Feuilletons verbreiteten Debatten um die Frage nach der Freiheit des menschlichen Willens. Nach einigen einleitenden Bemerkungen zu den Problemen dieser Debatten wird ein Modell zur Differenzierung des Freiheitsbegriffs entfaltet, um u. a. auf diesem Wege einige Missverständnisse in dieser Debatte aufzuklären. Nach diesem Modell lässt sich das Freiheitsproblem in drei unterschiedliche Dimensionen differenzieren: 1.) eine vertikale Dimension unterschiedlicher psychisch-kognitiver Ebenen, die jeweils einen unterschiedlichen Grad an Freiheit aufweisen; 2.) eine horizontale Dimension chronologisch differenzierbarer Handlungsphasen, denen gemäß die Frage nach der Freiheit je unterschiedlich zu beurteilen ist; 3.) eine genetische Dimension geschichtlicher und entwicklungspsychologischer Stufen, die einen fortschreitenden Befreiungsprozess des Subjekts darstellen. Der Entfaltung dieser drei Dimensionen folgt abschließend noch die Thematisierung einiger exemplarischer Detailprobleme. Die Abschlussthese des Vortrags weist darauf hin, dass sich das Freiheitsproblem nicht in einem Ja/Nein-Schema beantworten lässt, sondern einer erheblichen Differenzierung bedarf, der jedoch die gegenwärtigen Debatten nur sehr bedingt gerecht werden.

 

13. September 2007

Christian Stary
Interaktive Lehr-/Lernumgebungen als disziplinenübergreifende Gestaltungsaufgabe

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 37; 21.11.07  

Prof. Stary (46) ist Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik – Communications Engineering sowie des Kompetenzzentrums Wissensmanagement an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Linz und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2006. Er ist ausgebildeter Informatiker der TU Wien und war mehrere Jahre in der Privatwirtschaft tätig. Er promovierte 1988 und habilitierte sich 1993 an der TU Wien auf dem Gebiet des Usability Engineering. Darüber hinaus war er an unterschiedlichen Universitäten in den Vereinigten Staaten, Deutschland und Österreich als Assistant bzw. Associate Professor oder Gastprofessor tätig, ehe er 1995 an die Universität Linz berufen wurde. Im Rahmen der Forschung betreut er die Schwerpunkte Advanced Distributed Learning, Organisational Learning und Adaptive Systems.

Lehren und Lernen haben in den letzten Jahren bedeutende Veränderungen erfahren. Bedingt durch mobile Endgeräte, Breitband-Kommunikationsnetze und hypermediale Informationssysteme wurden interaktive Lehr- und Lernräume geschaffen, die alle Beteiligten vor neue Aufgaben stellen. Lernende sind vermehrt für ihren Lernfortschritt und das Lernmanagement verantwortlich, Lehrende haben zunehmend die didaktische Qualität ihrer inputs zu hinterfragen. An Umgebungsentwickler werden verstärkt Anforderungen gerichtet, die nicht nur die lernendenzentrierte Individualisierung von Inhalten und Features, sondern auch die Anpassung an fachdidaktische Erfordernisse für effektiven Transfer sowie die aktive Einbettung in institutionelle Rahmen zum Inhalt haben.
Der Vortrag widmet sich diesem Spannungsfeld. Er zeigt neuere technische Entwicklungen im Kontext der genannten Anforderungen am Beispiel der Plattform Scholion. Ausgehend von einem fachdidaktisch motivierten Materialentwicklungszyklus werden Annotations- und Individualisierungswerkzeuge gezeigt, welche selbstgesteuertes Lernen und individualisierten Wissenstransfer begünstigen. Von herausragender Bedeutung ist dabei, dass fachdidaktisch relevante Inhaltselemente direkt mit Kommunikationselementen verbunden und als inhärenter Teil von synchronen und asynchronen Transferprozessen gespeichert werden können.
Der Vortrag schließt mit einem Überblick der empirischen Befunde zu dem bisher Implementierten und einem Ausblick auf neuere Entwicklungen, wie die didaktische und software-technische Integration von Montessori-inspired Manipulatives (MiMs). Es werden die Möglichkeiten diskutiert, welche sich bezüglich verständnisgeleiteten, handlungsorientierten Lernens und interaktiver Modellierung von Strukturen und Abläufen ergeben.

 

11. Oktober 2007

Otto Eberhard Rössler
Leibniz‘ Entdeckung des Wohlwollens als Wesensmerkmal des Menschen

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 37; 21.11.07  

Prof. Rössler (67) ist Biochemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2007.

 

8. November 2007

Helmut Bock
Napoleon Bonaparte. Aufstieg und Sturz eines Hegemonialpolitikers

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 38; 09.02.08  

Prof. Bock ist Historiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1994. Vormals am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig, erhielt er danach einen Einzelvertrag im Wissenschaftler-Integrations-Programm der ostdeutschen Bundesländer (WIP) und wurde Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität Berlin. Seine jüngsten Buchpublikationen: „Aufbruch in die Bürgerwelt. Historische Miniaturen aus Vormärz und Biedermeier“ (Hrsg., Münster 1994), „Ferdinand v. Schill. Preußische Köpfe“ (Berlin 1998), „Napoleon Bonaparte“ (Berlin 2006), „Heinrich Heine“ (Berlin 2006). Zur eigenen Person: „Wir haben erst den Anfang gesehen. Selbstdokumentation eines DDR-Historikers“ (Berlin 2002).

Man hat den politischen Höhenflug Napoleons mit der Bahn eines Himmelskörpers verglichen. Sein gleißender Aufstieg, sein irritierendes Strahlen über ganz Europa, schließlich auch sein Verglühen hat Zeitgenossen und Nachgeborene bis zum heutigen Tag fasziniert. Dieses Leben ist die Epopöe eines Individuums, das aus der namenlosen Masse von Millionen zur höchstmöglichen und welthistorischen Macht gelangte – und das somit den Bruch der frühen Moderne mit der Feudalwelt veranschaulicht: mit ihren knechtenden Geburtsprivilegien, angemaßten Vorrechten und Besitztümern, entwicklungshemmenden Ständestrukturen. Im Guten wie im Unguten war Napoleon das leibhaftige Erzeugnis der bürgerlichen Revolution Frankreichs. Er war der militante Degen eines Bürgertums, dem es gefiel, dass er die Fürsten und die Völker Europas unter die Trikolore beugte. Alles in allem: Mann eines Zeitalters, das in der Historie von 1800 bis 1815 allein seinen Namen trägt.

 

13. Dezember 2007

Dieter B. Herrmann
Quantitative Methoden in der Wissenschaftsgeschichte. Mit Beispielen aus der Geschichte der Astronomie und Astrophysik

Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal
Zusammenfassung: Leibniz Intern Nr. 38; 09.02.08  

Prof. Herrmann (68) studierte an der Berliner Humboldt-Universität Physik, Astronomie und Wissenschaftsgeschichte und wirkte ab 1987 dort als Honorarprofessor sowie später auch als Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Berlin. Er ist Mitglied der Internationalen Astronomischen Union, der Astronomischen Gesellschaft, der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft und zahlreicher anderer wissenschaftlicher Vereinigungen.
Er publizierte mehr als 150 wissenschaftliche Beiträge, setzte sich aber auch mit zahlreichen Beiträgen in Fernsehen, Rundfunk und Printmedien stark für die Popularisierung der Wissenschaften ein. Mehrere seiner insgesamt 35 Bücher erschienen auch in ausländischen Übersetzungen.
Dieter B. Herrmann ist seit 2006 Präsident der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, war von 1976-2004 Direktor der Archenhold-Sternwarte Berlin-Treptow und von 1987 bis 2004 auch Gründungsdirektor des Zeiss-Großplanetariums Berlin.

Seit den Pionierarbeiten von D.de Solla Price, G.M.Dobrov, E.Garfield u.a. in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich die Anwendung quantitativer Methoden für die Klärung wissenschaftshistorischer Fragen stark entwickelt und als eigenständige Disziplin mit dem Journal „Scientometrics“ (ab 1978) etabliert. Dennoch sind die meisten Wissenschaftshistoriker noch immer skeptisch, was den Aussagewert quantitativer Untersuchungen anbelangt.
Der Vortragende entwickelt anhand von Beispielen aus seinen eigenen Forschungen Aussagen über das Kennziffernproblem, die Wachstumsprozesse wissenschaftlicher Erkenntnisse und Institutionen, die Messung der Bedeutung von Forschern für die Entwicklung des jeweiligen Gebietes. Er kommt zu dem Schluss, dass quantitative Methoden von großer Bedeutung für die Bewertung und Gestaltung aktueller Wissenschaftsprozesse sein können, wenn die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Anwendbarkeit sorgfältig analysiert werden.