Wissenschaftliche Sitzungen der Klassen der Leibniz-Sozietät im Jahre 2005

Nachfolgend werden die im Jahr 2005 stattgefundenen wissenschaftlichen Sitzungen der beiden Klassen der Leibniz-Sozietät zusammen mit den Kurzreferaten und Angaben zu den C.V. der Vortragenden aufgelistet.
Die Namen der Autoren sind mit dem Autorenverzeichnis verlinkt, weiterhin sind Links zu den Publikationen der Leibniz-Sozietät angegeben, falls die Vorträge bereits publiziert wurden.

 

20. Januar 2005

Erdmute Sommerfeld
Menschliche Informationsverarbeitung – Theorie und Experiment

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Bibliothekswissenschaft, Berlin; Saur-Bibliothek

Frau Prof. Sommerfeld (61) ist Psychologin und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004. Nach Studium und Aspirantur arbeitete sie von 1969 bis 1991 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin bzw. der Akademie der Wissenschaften der DDR, am Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse, in den Bereichen “Grundlagen der Kybernetik”, “Künstliche Intelligenz” und “Psychologie”.
Von 1985 bis zur Abwicklung der Akademie der Wissenschaften leitete sie die Abteilung “Mathematische Modellierung und Simulation kognitiver Prozesse”, danach die Projektgruppe “Mathematische Psychologie” im Rahmen des Wissenschaftler-Integrations-Programms (WIP) und war anschließend wissenschaftliche Oberassistentin am Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1994 erhielt sie den Ruf auf die Dozentur “Methoden der Psychologie” der Universität Leipzig und wurde 2003 zur Außerplanmäßigen Professorin ernannt, bis zur Emeritierung im Vorjahr.
1998 ist sie durch die International Society for Psychophysics als Verantwortliche Vorsitzende des Programm- und Organisationskomitees für das Internationale Symposium “Fechner Day 2001” nominiert worden. Diese Tagung wurde 2001 in Leipzig ausgerichtet – zu Ehren des 200. Geburtstages von G. Th. Fechner, des Begründers der Psychophysik und der experimentellen Psychologie.

Übliche Intelligenztests leiten Maße für Intelligenz ab – auf der Grundlage von Fragebogenmethoden oder durch Erfassen der Anzahl gelöster Aufgaben pro Zeiteinheit oder der Lösungszeit. Damit kann jedoch nicht erklärt werden, was im Wesen den Unterschied von Intelligenzgraden ausmacht. Will man darüber differenzierte Aussagen machen, muß man die Elementarprozesse der menschlichen Informationsverarbeitung genauer kennen.
Im Vortrag wird ein theoretischer Ansatz zur Systematisierung und exakten Beschreibung von Elementarprozessen und Ökonomieprinzipien in der menschlichen Informationsverarbeitung für eine Klasse von Anforderungen diskutiert. Dazu werden einige Experimente vorgestellt. Zum experimentellen Nachweis der kognitiven Elementarprozesse und ihrer Effizienz dienten experimentalpsychologische Daten, die durch neurowissenschaftliche Daten untermauert wurden. Weiterhin werden Differenzen in der synchronen Aktivität spezifischer Hirnareale (hier gemessen auf der Basis der EEG-Kohärenz) als Indikatoren (Messgrößen) von Differenzen im kognitiven Aufwand aufgedeckt.
Die durchgeführten theoretischen und experimentellen Untersuchungen und die dabei gewonnenen Resultate eröffnen neue Möglichkeiten für die Diagnostik geistiger Leistungen.

 

Siegfried Wollgast
Zur Frühaufklärung im deutschen Katholizismus im 17. Jahrhundert

Vortrag vor der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Bibliothekswissenschaft, Berlin; Raum 3 e

Prof. Wollgast (71) ist Philosophiehistoriker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1996. Nach dem Studium der Philosophie und der Geschichte in Jena und Berlin arbeitete er von 1968 bis 1992 an der Technischen Universität Dresden – von 1976 an als Professor für Philosophiegeschichte. 1978 bis 1994 war er Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Die Liste seiner Publikationen zählt mehr als 600 Titel, darunter etwa 30 Bücher. Einen nicht geringen Teil davon hat Prof. Wollgast der Ehrenrettung wenig beachteter, verkannter oder dogma¬tisch interpretierter Personen und Tendenzen in der Philosophiegeschichte gewidmet.

Unter den sechs Hauptrichtungen der deutschen Frühaufklärung – sie währte von 1672 bzw. 1675 bis 1721 bzw. 1723 – ist der Katholizismus am wenigsten erforscht. Der Vortragende sucht eine Übersicht über den Forschungsstand zu vermitteln. Gleich den anderen Richtungen der geistlichen Frühaufklärung in Deutschland (Pietismus und radikaler Pietismus) weist die katholische Frühaufklärung spezielle Eigenheiten auf. Sie will Aufklärung mit der und durch die Kirche sein. Insgesamt tritt sie später als die anderen Formen der deutschen Frühaufklärung in Erscheinung. Sie ist keine Mogelpackung mit einem falschen Etikett, wie manche meinen, vielmehr ein Überraschungspaket.

 

17. Februar 2005

Helmut Pichler (Innsbruck)
Das Wirken Hans Ertels in Österreich und die Bedeutung seines Wirbelsatzes in der alpinen Meteorologie

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Bibliothekswissenschaft, Berlin; Saur-Bibliothek

Prof. Pichler (61) war seit 1971 ordentlicher Universitätsprofessor für theoretische Meteorologie an der Universität Innsbruck und langjähriger Vorstand des Instituts für Meteorologie und Geophysik an der gleichnamigen Universität. Seit 1998 ist er emeritiert. Er gehört der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an, war von 1987 bis 1997 Erster Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Meteorologie, von 1982 bis 1990 Member of the Scientific Advisory Committee of the European Centre for Medium Range Forecasts in Reading, sowie bis zur Emeritierung Member of the Commission for Atmospheric Science of the World Meteorological Organisation in Genf. In zahlreichen Herausgeberfunktionen war er tätig, z.B. in der Meteorologischen Zeitschrift. Aus seiner Feder stammt das Lehrbuch “Dynamik der Atmosphäre” ( 3 Auflagen).

Im ersten Teil des Vortrages wird an Hand von Quellen aus den Archiven der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien das Wirken von Hans Ertel in Österreich beleuchtet. Seinen Wirbelsatz, der ihn später weltberühmt machen sollte, veröffentlichte er 1942 als Mitglied der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien. Seine erste Professur als ordentlicher Professor für die Fächer Meteorologie und Geophysik trat er 1943 an der Universität Innsbruck an. Auch nach dem 2. Weltkrieg rissen seine Beziehungen zu Österreich nicht ab. 1956 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt.
Im zweiten Teil des Vortrages wird auf die Bedeutung des Ertel`schen Wirbelsatzes für die alpine Meteorologie eingegangen. Mit seiner Hilfe konnten tiefere Einsichten in das Strömungsverhalten der Luftschichten unter dem Einfluss der Orographie der Alpen gewonnen werden. Dies gilt ganz besonders für das Entstehen von Zyklonen im westlichen Mittelmeer. An Hand von Fallbeispielen mit Hilfe des ALPEX-Datensatzes konnte dies eindrucksvoll demonstriert werden. Zur Veranschaulichung wurden dabei für den Alpenraum erstmals 3D-Analysen angestellt.

Adolf Laube
Bergarbeiter- und Bauernbewegungen in Deutschland von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des Bauernkriegs 1525/26

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Bibliothekswissenschaft, Berlin; Raum 3 e

 

17. März. 2005

Öffentliches wissenschaftliches Kolloquium

„Albert Einstein in Berlin“

Archenhold-Sternwarte in Berlin, Alt-Treptow 1, Einstein-Saal

Vorträge:

Prof. Dr. Heinz Kautzleben:
Die Leibniz-Sozietät und Albert Einstein

Prof. Dr. Werner Ebeling:
Einstein und die Theorie der Brownschen Bewegung

Prof. Dr. Karl Lanius:
Kosmologie heute

Dr. Rainer Burghardt, Hadres/Österreich:
Gödelkosmos ohne Zeitreisen

Prof. Dr. Horst-Heino von Borzeszkowski, TU Berlin:
Einsteins Arbeiten zur unitären Feldtheorie in der Berliner Zeit

Prof. Dr. Dierck-Ekkehart Liebscher, Astrophysikalisches Institut Potsdam:
Die Relativitätstheorie als Lösung des Fresnelschen Paradoxons

Prof. Dr. Heinz Kautzleben:
Die Geophysik und Albert Einstein

Prof. Dr. Karl-Heinz Bernhardt:
Teetassen-Zyklonen und Flußmäander – Einstein klassisch

Prof. Dr. Hans-Jürgen Treder:
Einstein und Planck

Prof. Dr. Herbert Hörz:
Das Geheimnisvolle als Grundgefühl wahrer Kunst und Wissenschaft. Zur Aktualität philosophischer Gedanken von Einstein

Prof. Dr. Rainer Schimming:
Einstein als Wissenschaftstheoretiker

Prof. Dr. Dieter B. Herrmann:
Einstein, Archenhold und die Popularisierung der Naturwissenschaften

Dr. Mario Kessler:
Albert Einsteins politisches Denken

Prof. Dr. Viktor Mairanowski, WIGB:
Meine Zugehörigkeit zu diesem Volk ist ein Geschenk des Schicksals …“. Jüdische Herkunft und Weltbild von Albert Einstein

Prof. Dr.Helmut Moritz:
Auf den Spuren von Einstein und Heisenberg in Südosteuropa

Dr. Ekkehard Sieker, MPIWG:
Einsteins Friedensengagement während seiner Berliner Zeit

14. April 2005

Prof. Dr. Wolffram Schröer
Struktur und kritisches Verhalten von Lösungen ionischer Flüssigkeiten

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Bibliothekswissenschaft, Berlin; Raum 3 e

Prof. Schröer (62) ist Physikochemiker. Nach der Promotion (1974) und der Habilitation (1978) wurde er als Professor für Physikalische Chemie an die Universität Bremen berufen. Zu Studienaufenthalten bzw. als Gastprofessor wirkte er in Cambridge, Dublin, Nancy und Salzburg. Er beschäftigt sich vorzugsweise mit der Entwicklung molekular-statistischer Theorien zum Verständnis und zur Berechnung von Struktur, Dynamik und makroskopischer Eigenschaften von Flüssigkeiten und fluiden Mischungen sowie deren Bestimmung mit thermodynamischen, elektrodynamischen und laserspektroskopischen, insbesondere Lichtstreu-Experimenten.

Der Schmelzpunkt typischer anorganischer Salze – z.B. von Kochsalz – liegt bei 1000 °C. Salze mit organischen Ionen haben wesentlich niedrigere Schmelzpunkte. In neuer Zeit haben Salze starkes Interesse gefunden, die bereits Raumtemperatur flüssig sind, manche sogar bis -70° C flüssig bleiben. Sie versprechen vielfältige Anwendungen als Reaktionsmedien und Hilfsmittel in Trennverfahren. Wegen ihres geringen Dampfdruckes und der guten Recyclebarkeit werden sie als „grüne“ Lösungsmittel propagiert.
Allerdings sind die physikalischen Eigenschaften dieser neuen Substanzen und deren Mischungen nur wenig untersucht. In diesem Vortrag werden die mikroskopische Struktur und das thermodynamische Verhalten der Lösungen Ionischer Flüssigkeiten dargestellt.
Neben den möglichen technischen Anwendungen berühren die Untersuchungen naturwissenschaftliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung: Was ist ein Molekül.? Gilt die für nicht-ionische Systeme abgeleitete Universalitätshypothese der kritischen Phänomene auch beim Phasenübergang in ionischen Systemen? Neue experimentelle und theoretische Arbeiten zu diesen Fragen werden vorgestellt und im historischen Zusammenhang erörtert.

 

Jörg Roesler
Die deutsche “Währungsunion” 1990 – Intentionen und Konsequenzen im Wechselspiel von Politik und Ökonomie

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Institut für Bibliothekswissenschaft, Berlin; Raum 3 e

Prof. Roesler (64) ist Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1996. Er arbeitete von 1961 bis 1964 am Insti¬tut für Wirtschaftswissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR, von 1992 bis 1995 am Forschungsschwerpunkt Zeithistorische Studien in Potsdam und 1994/95 als Gastprofessor in Toronto. Heute ist er Unternehmensberater mit dem Spezialgebiet Firmengeschichte. Besonders interessiert er sich für die ökonomischen Transformationsprozesse in Ostdeutschland und für die vergleichende Wirt¬schaftsgeschichte der vormals sozialistischen Länder. Er kann auf mehr als 100 Publikationen verweisen.

Die am 1.7.1990 in Kraft getretene Währungsunion war zweifellos eines der markantesten Momente des Vereinigungsprozesses und der mit ihm einsetzenden Transformation von der Planwirtschaft sowjetischer in die Marktwirtschaft bundesrepublikanischer Prägung. Die Folgen dieses Schrittes für die ostdeutsche Wirtschaft werden heute noch kontrovers diskutiert.
Das Argument, dass mit der Währungsunion, insbesondere der Umtauchformel 1:1 im Osten Deutschlands eine Wirtschaftskatastrophe eingeleitet wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. Warum hat man sich auf einen so riskanten Schritt zu so einem frühen Zeitpunkt eingelassen?
Im Vortrag werden 7 Erklärungsmuster aufgeführt, analysiert und beurteilt: Sie reichen vom Machtkalkül der Politiker bis zur Angst vor dem Volk, von neoliberaler ideologischer Verblendung bis zum Glauben an die Wiederholung des Erfolgs der Währungsreform von 1948, die dem Wirtschaftswunder voranging.

 

12. Mai 2005

Ekkehard Diemann (Bielefeld)
Das Geheimnis von Carl Wilhelm Scheeles Lösungen “brennbarer Wasserbleyerde”

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Dr. Diemann (61) ist Chemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004. Nach Studium in Göttingen und Promotion in Dortmund ist er seit 1977 an der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld tätig (Schwerpunkte: Anorganische und Analytische Chemie, Chemieunterricht). Er ist Gastprofessor an der Fakultät für Exakte Wissenschaften an der Nationaluniversität La Plata (Argentinien) und war Gastwissenschaftler am Dalian Institute of Chemical Physics der Academia Sinica. Neben weiteren internationalen Kontakten stehen derzeit Projekte mit den rumänischen Universitäten Cluj-Napoca und Sibiu im Vordergrund.

Der Vortrag beginnt mit einem kleinen chemiehistorischen Exkurs. Einige der von Carl Wilhelm Scheele zwischen 1770 und 1780 an Verbindungen des Molybdäns (“Wasserbley”) durchgeführten Experimente werden vorgestellt und im Rahmen des damaligen Verständnisses (Phlogiston-Theorie) diskutiert. Besonders die von ihm durch Reduktion erhaltenen blauen Lösungen haben in der Folge viele hochrangige Chemiker beschäftigt, ohne dass jedoch deren Natur abschließend geklärt werden konnte.
Erst vor zehn Jahren gelang es dem Arbeitskreis um Achim Müller in Bielefeld, daraus einige höchst überraschende, nanometergroße Spezies zu isolieren und zu charakterisieren. Doch auch die Lösungen selbst zeigen ein höchst erstaunliches Verhalten, sicherlich mit ein Grund, warum den früheren Chemikern des Rätsels Lösung nicht gelang. Die nanometergroßen Spezies aggregieren nämlich entgegen allen Erwartungen weiter zu sphärischen Vesikeln und bilden so einen neuen Lösungszustand für Ionen. Die aktuelle Entwicklung wird vorgestellt und diskutiert.

 

Reimar Müller
Montesquieu über Umwelt und Gesellschaft – die Klimatheorie und ihre Folgen

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät zum 250. Todestag von Montesquieu
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 125

Prof. Müller (72) ist Altertumswissenschaftler im Bereich der Kulturgeschichte und der antiken Literatur und Philosophie sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1993. Spezialgebiete seiner Forschung sind die hellenistisch-römische Philosophie (Epikur, Lukrez, Cicero), die antike Sozial- und Rechtsphilosophie, Menschenbild und Humanismus der Antike sowie die Rezeption der antiken Philosophie vom 18. Jh. bis in die Gegenwart. Er hat u.v.a. eine Kulturgeschichte der Antike in zwei Bänden sowie ein Werk über Rousseaus frühe Schriften und die antike Tradition publiziert.

 

9. Juni 2005

Burkhard Schneeweiß
Impfen gestern – heute – morgen

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Prof. Schneeweiß (74) ist Kinderarzt und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2004. Nach seiner Ausbildung in der Charité als Mikrobiologe und Kinderarzt war er fast 25 Jahre lang Chefarzt der Kinderklinik „Martin-Luther-King“ des städtischen Klinikums Berlin-Friedrichshain und Professor an der Akademie für Ärztliche Weiterbildung in Berlin-Lichtenberg. Neben seiner klinischen Tätigkeit widmete er sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit Problemen der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter sowie den Infektionskrankheiten und ihrer Bekämpfung durch Impfen. Auch nach seiner Emeritierung ist er als Chefarzt der Kinderabteilung der Ostseeklinik in Kühlungsborn sowie als Gastprofessor und Gutachter tätig. Er ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften.

Ein Rückblick auf zweihundert Jahre Impfgeschichte erlaubt es, auf eindrucksvolle Erfolge bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu verweisen. Der Siegeszug der Pockenimpfung konnte 1980 mit der weltweiten Beseitigung (Eradikation) der Seuche beendet werden. Die Impfung gegen Tetanus bestand unter Kriegsbedingungen sehr erfolgreich ihre Bewährungsprobe. Diphtherie und Keuchhusten sind weitere Beispiele für die Zurückdrängung gefährlicher Infektionskrankheiten, an denen zwischen 1930 und 1940 allein in Deutschland jährlich etwa 6000 bzw. etwa 2000 Kinder starben.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden viele neue Impfstoffe eingeführt. Sie zeichnen sich durch ihre bessere Verträglichkeit aus. Auf diese Weise können alle Kinder bereits in den ersten 14 Lebensmonaten einen Impfschutz gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Poliomyelitis, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln und Varizellen erhalten. Die geplante Ausrottung der Poliomyelitis hat sichtbare Erfolge – beispielsweise in Amerika und Europa – zu verzeichnen, bedarf aber noch intensiver Bemühungen mit landesweiten Schluckimpfungen in Risikoregionen und nationaler Kontrollen. Trotz unbestreitbarer Impferfolge und hoher Impfsicherheit melden sich immer wieder Impfgegner zu Wort, die zumeist die Impfstoff-Nebenwirkungen dramatisieren und Verunsicherung verbreiten. Dies ist zweifellos eine wesentliche Ursache für Impfverweigerer in Deutschland mit der Folge regionaler Ausbrüche von Infektionen wie Masern.
In Zukunft werden Impfungen nicht nur gegen weitere Infektionskrankheiten, sondern auch gegen Krebs eingesetzt werden können. Während die seit Jahren eingeführte Impfung gegen Hepatitis B einen Schutz vor dem seltenen primären Leberzellkrebs verleiht, steht der Impfstoff gegen das Humane Papillom-Virus unmittelbar vor seiner Zulassung. Er soll einen Schutz vor dem Zervix-Krebs, einem der häufigsten Krebsarten der Frau, bieten.

Helmut Meier (Leipzig):
Constantin Frantz (1817-1891) – Ein konservativer Gegner der Nationalstaastsbildung. Mitteleuropäische Union als Alternative

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 125

Prof. Meier (70) ist Historiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1998.

 

8. September 2005

Hans-Heinz Emons,
Salze im Reich der Mitte

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Prof. Emons (75) ist Chemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1993. Nach Studium und Promotion (1957) in Dresden sowie Habilitation (1962) lehrte er bis 1975 an der TH Leuna-Merseburg, danach bis 1988 an der Bergakademie Freiberg. 1988-89 war er Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1990-92 Arbeitsgruppenleiter an deren Zentralinstitut für anorganische Chemie in Berlin-Adlershof. Er verfasste zahlreiche Veröffentlichungen und erwarb 35 Patente, vorzugsweise zur Chemie und Technologie anorganischer Salze sowie zur Chemie konzentrierter Elektrolytlösungen und Salzschmelzen. Mit dem Dr. h.c. ehrten ihn Hochschulen in Leningrad, Merseburg und Leoben (Österreich); die Königlich-Norwegische Wissenschaftsakademie in Trondheim sowie die Norwegische Akademie der Wissenschaften in Oslo wählten ihn zu ihrem Mitglied.

Das sicher bekannteste anorganische Salz – das sogenannte Kochsalz, dringend benötigt als Würz- und Konservierungsmittel, heute zu über 80% als Rohstoff für die Industrie – ist in China seit über 4500 Jahren bekannt. Es hatte nicht nur eine große wirtschaftliche, sondern auch eine hervorgehobene kulturhistorische Bedeutung.
Heute entwickelt sich in China eine auch international sehr beachtete Industrie zur Produktion einer breiten Palette anorganischer Salze einschließlich der Mineralsalze. Daraus leiten sich – beginnend bei der Erkundung, Erschließung, Gewinnung, Aufbereitung bis zur Veredelung einheimischer mineralischer Rohstoffe – umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte ab.
Ausgehend von längerfristigen Einsätzen als Senior Experte legt der Vortragende insbesondere wissenschaftlich-technische Entwicklungen in der Region Shandong und der Xinjiang Uygurischen Autonomen Region u.a. zur Düngemittelherstellung dar und diskutiert sie.

 

Wolfgang Küttler
Parteilichkeit und Objektivität in Max Webers Wissenschaftskonzept.

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 125

Prof. Küttler (69) ist Historiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1993. Von 1974 bis 1991 leitete er den Wissenschaftsbereich „Theorie und Methodologie der Geschichtswissenschaft“ am Zentralinstitut für Geschichte der AdW der DDR; bis zur Emeritierung 2001 war er Mitarbeiter am Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Mehrere Bücher und zahlreiche andere Publikationen repräsentieren seine Arbeitsergebnisse auf den Gebieten Geschichtsmethodologie, Historiographiegeschichte und Wissenschaftsgeschichte.

Hinter den vielschichtigen Kontroversen über “Parteilichkeit” und “Objektivität” verbirgt sich gegenwärtig mehr denn je der Streit um die gesellschaftlich-kulturelle Funktion der Wissenschaft und ihrer Akteure. Die fundamental veränderten geschichtlichen Bedingungen erfordern ein neues Herangehen an diese Auseinandersetzung vor allem auch im Hinblick auf kognitiven Geltungsanspruch und ethische Verantwortung der Wissenschaften generell, einschließlich der Naturwissenschaften. Eine ebenso zentrale wie umstrittene Rezeptionsfigur in dieser Grundlagendebatte ist nach wie vor Max Weber – insbesondere für diejenigen Disziplinen, die sich mit Geschichte, Gesellschaft und Kultur befassen.
Eine kritisch-produktive Auseinandersetzung mit Weber lohnt sich aktuell in zweifacher Richtung. Sein Wissenschaftskonzept zeigt zum einen die Interessenlage des spätbürgerlichen Liberalen im wilhelminischen Deutschland, damit aber zugleich auch die ideologischen Schranken einer davon geprägten normativen und kognitiven Perspektive. Zum anderen reflektierte Weber rigoros kritisch die Konsequenzen, die sich aus wachsender Diskrepanz zwischen erfahrener und erforschter gesellschaftlicher Wirklichkeit einerseits und den eigenen Interessen sowie den davon geleiteten Ideen ergaben. Beides zusammen genommen ergibt eine erstaunliche Modernität und Aktualität für die Rolle der Wissenschaft im Kapitalismus.

 

13. Oktober 2005

Gemeinsame Sitzung von Klassen und Plenum
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Ernstgert Kalbe
Sowjetische Osteuropapolitik der Nachkriegsperiode (1944-1953) in Dokumenten russischer Archive

Kurt Pätzold,
Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß ab 1. November 1945 (Arbeitstitel)

 

10. November 2005:

Götz Nowak,
Blutgerinnung und Gerinnungskrankheiten – eine Herausforderung

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Prof. Nowak (61) ist Pharmakologe und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2005. Nach Studium und Promotion (1969) in Erfurt wurde er 1976 Oberarzt am Pharmakologischen Institut der Medizinischen Akademie Erfurt. 1983 habilitierte er sich, 1989 erhielt er eine Dozentur für Pharmakologie. Seit 1992 leitet er eine selbständige Arbeitsgruppe der Max-Planck-Gesellschaft an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo er 1994 zum Universitätsprofessor für Pharmakologische Hämostaseologie berufen wurde. Er befasst sich vorzugsweise mit Hemmstoffen der Blutgerinnung, z.B. den Thrombininhibitoren und deren Einsatz in der Tumortherapie, sowie mit neuen diagnostischen Verfahren.

Das Blut ist das wesentlichste Vitalorgan des Menschen. Das Blutgerinnungssystem besteht aus drei Komponenten (Virchowsche Trias): die Blutzellen, die Gerinnungseiweiße und die Gefäßwand. Angeborene oder erworbene Störungen jeder einzelnen Komponente führen zu Gerinnungskrankheiten, häufig chronisch, aber auch akut mit vitaler Bedrohung. Hierzu zählen z.B. der Herzinfarkt und der Schlaganfall, aber auch vaskuläre Komplikationen der Zuckerkrankheit mit Organstörungen. Trotz vielfältiger therapeutischer Bemühungen führen diese Gerinnungskrankheiten die Mortalitätsstatistiken der Industrienationen an. Neue Wege der Akutdiagnostik und der therapeutischen Intervention sind nötig, um hier entscheidende Verbesserungen zu erreichen.
Nach einer kritischen Darstellung der augenblicklichen Therapieregime werden Forschungsergebnisse zur pharmakologischen Beeinflussung einer gestörten Gerinnung vorgestellt. Des weiteren sollen durch innovative diagnostische Verfahren möglichst frühzeitig diskrete Zeichen einer Thrombophilie (Übergerinnbarkeit) erfassbar werden. Erst dann ist es möglich, präzise pharmakologisch zu intervenieren. Neueste Anwendungsmöglichkeiten von speziellen Gerinnungstherapeutika, den direkten Thrombininhibitoren, sind Tumorerkrankungen. Erste experimentelle Ergebnisse zeigen originelle Wege zur Therapie von Krebserkrankungen.


Otto Dann
Tendenzen der deutschen Nationsbildung in den 1970er Jahren – Die Diskussion zur Nationsbildung in beiden deutschen Staaten in den 1970er Jahren

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 125

Prof. Dann (68) ist Historiker. Nach Promotion (1968) und Habilitation (1974) wurde er 1980 zum Professor für Neuere Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln berufen. Seit 1986 leitet er den interdisziplinären Arbeitskreis für Nationalismusforschung. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2002 war er im Akademischen Jahr 2002/3 Stipendiat am Wissenschaftskolleg der Niederlande (NIAS) in Wassenaar.
Er arbeitete mit am Lexikon “Geschichtliche Grundbegriffe”, an der Schiller-Nationalausgabe und anderen wissenschaftlichen Projekten. Er ist Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens, der Vereinigung für Verfassungsgeschichte, der Internationalen Herder- Gesellschaft, des Verbandes der Historiker Deutschlands … und des Kölner Dombauvereins.
Sein Verzeichnis wissenschaftlicher Schriften umfasst 135 Publikationen, darunter 21 Bücher. Thematische Schwerpunkte bilden die Nationsforschung, die Geschichte bürgerlicher Vereinsbildung, die politische Ideengeschichte, die nationale Frage in Deutschland sowie die Forschung über Fichte, Herder und Schiller.

Mit den deutschlandpolitisch relevanten Verträgen zu Beginn der 1970er Jahre wurde eine neue Phase im Verhältnis der beiden deutschen Staaten eingeleitet.
Denkwürdig ist vor allem der Versuch der staatstragenden Kräfte in der DDR, eine sozialistische deutsche Nation zu konstituieren. Aber auch in der BRD vollzogen sich in jenem Jahrzehnt tiefgreifende Wandlungen der Identitätsbildung.
Diese Situation soll vergleichend dargelegt und zur Diskussion gestellt werden. Vorweg wird jedoch zu klären sein, was unter Nationsbildung zu verstehen ist, speziell in der deutschen Nachkriegssituation.

 

08. Dezember 2005

Wolfgang Schiller
Hochleistungskeramik und Multilayer-Folien-Technik für Mikrosysteme

Vortrag in der Klasse Naturwissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Otto-Suhr-Saal

Dr. Schiller (61) ist Festkörperchemiker und Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 2005.

 

Helmut Steiner
Russland unter Putin

Vortrag in der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften der Leibniz-Sozietät
Neues Stadthaus, Parochialstr. 1-3, 10179 Berlin, Raum 125

Prof. Steiner (69) ist Soziologe und Wissenschaftshistoriker sowie Mitglied der Leibniz-Sozietät seit 1994. Er war bis zur Schließung der Akademie der Wissenschaften der DDR 1991 in ihr als Soziologe beschäftigt. Seit 1992 hat er sich mit der Analyse der Entwicklung in den ost- und südosteuropäischen Ländern beschäftigt, an wissenschaftlichen Veranstaltungen organisierend teilgenommen und sowohl in Deutschland als auch in Polen, Rußland, der Ukraine, Bulgarien, Tschechien und Ungarn darüber publiziert.

Heuer jährt sich der Beginn der vom M. S. Gorbatschow 1985 eingeleiteten gesellschaftspolitischen Perestroika der UdSSR zum zwanzigsten Mal. Die grundlegenden und turbulenten 20-jährigen Transformationsprozesse der sowjetisch-russischen Gesellschaft lassen sich in Anlehnung an ihre politischen Repräsentanten in 3 Phasen gliedern:
– die Gorbatschow’sche „Perestroika“ – vergeblicher Versuch einer Reform des staatssozialistischen Systems, sein Scheitern und der Zusammenbruch der UdSSR (1985 – 1990);
– die umfassende Privatisierung des staatlichen und gesellschaftlichen Eigentums, die Durchsetzung einer freien Marktwirtschaft und einer parlamentarischen Präsidialordnung in Rußland (wie auch in den anderen Nachfolgestaaten der UdSSR) in der Jelzin-Periode (1990 – 2000);
– der Übergang vom „chaotischen Kapitalismus“ der Jelzin-Periode zu einem staatlich-autoritären „law and order“-Kapitalismus seit Beginn der Putin’schen Präsidentschaft (seit 2000).
Auf dem historischen Hintergrund der beiden ersten behandelt der Referent die dritte Phase und konzentriert sich dabei erstens auf die Formierung kapitalistischer Klassenverhältnisse (im besonderen den widersprüchlichen Prozess der Herausbildung einer neuen russischen Bourgeoisie), zweitens auf die Konflikte zwischen gesellschaftlicher Modernisierung und staatlichem Autoritatismus sowie drittens auf einige spezifische Entwicklungsprobleme der Wissenschaft und des geistigen Lebens im gegenwärtigen Rußland.
Abschließend wird eine zusammenfassende Charakterisierung des Putin’schen Rußland und der Spezifik des russischen „Kapitalismus“ versucht.