Von der Kurfürstlich Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften zur Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin

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Die Leibniz-Sozietät entschied sich für ihren Namen in Erinnerung an Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716). Er war der Initiator und der erste Präsident der 1700 gegründeten Kurfürstlich Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften. Aus ihr ging die Akademie der Wissenschaften in Berlin hervor, die verschiedene Bezeichnungen führte. Die bekanntesten sind Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres (seit 1746), Preußische Akademie der Wissenschaften (bis 1945), Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1946-1972) und schließlich Akademie der Wissenschaften der DDR (seit 1972).

Die Gemeinschaft der Mitglieder der Akademie konstituierte sich von Anfang an durch Zuwahlen von Wissenschaftlern. Auf diese Weise wurden in 300 Jahren mehr als 3000 Persönlichkeiten unterschiedlicher Bedeutung aus allen Bereichen des wissenschaftlichen Forschens aus dem In- und Ausland in die Gelehrtengesellschaft gewählt. Eindeutige, in Statuten festgelegte Regeln für die geheime Zuwahl und die Anzahl der Mitglieder sowie für die Struktur der Gesellschaft, die seit 1710 in Klassen unterteilt war, gibt es seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Sie wurden im Umfeld der Neuorganisation der Wissenschaft in Preußen formuliert, als 1810 im Geiste und auf Initiative der Akademiemitglieder Wilhelm von Humboldt (1767-1835) und Alexander von Humboldt (1769-1859) auch die Berliner Universität gegründet wurde, und die seit 1949 den Namen der Brüder führt. Zahlreiche an diese Universität berufene Professoren wurden zu Akademiemitgliedern gewählt.

Die Forschungseinrichtungen der Akademie, in denen im 18. Jahrhundert von Mitgliedern der Gelehrtengemeinschaft beispielsweise auf den Gebieten Astronomie, Physik, Mechanik, Chemie, Zoologie und Botanik gearbeitet wurde, sind ab 1810 an die Universität überführt worden. Die Akademie ging daher seit 1815 zur Bildung von Kommissionen für die Edition wissenschaftlicher Werke und für die Bearbeitung von Teilproblemen der Wissenschaft über. Durch den Vortrag und die Diskussion eigener Forschungsergebnisse ihrer Mitglieder in den Klassen und im Plenum und durch ihre Kommissionen leistete die Akademie wesentliche Beiträge zur Entwicklung der Wissenschaft. Sie sind in einer großen Zahl von Publikationen dokumentiert.

Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts lassen sich Bemühungen der Akademie verfolgen, eigene Forschungsinstitute zu unterhalten. Die Übernahme bestehender und die Gründung neuer Institute durch die Akademie seit 1946 veränderte deren Struktur in den folgenden Jahrzehnten grundlegend. Die nun entstehende Forschungsakademie, wie sie sich selbst nannte, wirkte in erster Linie als ein Forschungsverbund Dutzender Akademieinstitute. Auf deren inhaltliche Arbeiten, die auf der Grundlage staatlicher Vorgaben durchgeführt wurden, übte die Gelehrtengesellschaft als solche keinen direkten, sondern allenfalls einen indirekten Einfluß aus. Letzterer manifestierte sich vor allem in der Erörterung wissenschaftlicher Probleme im Plenum und in den Klassen sowie im Wirken von Akademiemitgliedern in den Instituten und in den Leitungsgremien der Akademie.

Die Ergänzung der Gelehrtengesellschaft erfolgte unverändert durch Zuwahlen von Mitgliedern nach wissenschaftlichen Kriterien. Zuwahlen bedurften, wie schon in allen Entwicklungsetappen der Akademie, der Bestätigung durch die vorgesetzte Behörde. Das bedeutete in der DDR, die laut ihrer Verfassung ein sozialistischer Staat unter der Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands war, dass Parteiinstanzen seit den fünfziger Jahren zunehmend bereits im Vorfeld der Zuwahlen Einfluss auf diese zu nehmen versuchten. Doch wurde auch nach der Wende von 1989 kein Beleg dafür erbracht, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ohne erforderliche fachliche Voraussetzungen Mitglieder der Gelehrtengesellschaft wurden.

Durch eine Verordnung des Ministerrats der DDR vom 27. Juni 1990 wurde das bis dahin geltende Statut der Akademie der Wissenschaften der DDR außer Kraft gesetzt und diese zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts umgestaltet. Gleichzeitig wurde erwogen, die administrativen Bindungen zwischen der Gelehrtengesellschaft und dem Forschungsverbund unter Wahrung der wissenschaftlichen Kontakte zwischen beiden zu lösen.

Die Mitglieder der Gelehrtengesellschaft haben sich einer innerakademischen Evaluierung unterzogen. In einem Entwurf für eine neue Satzung der Akademie definierte sich diese am 27. Juli 1990 „als Vereinigung juristisch selbständiger Gemeinschaften“, die einerseits aus den Akademiemitgliedern, andererseits aus den wissenschaftlichen Instituten und Einrichtungen der Akademie bestehen sollten.

Der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands“, der am 31. August 1990 unterzeichnet wurde, verfügte in Art. 38 (2) erstens, dass die Akademie „als Gelehrtensozietät von den Forschungsinstituten und sonstigen Einrichtungen getrennt“ wird, und zweitens: „Die Entscheidung, wie die Gelehrtensozietät der Akademie der Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik fortgeführt werden soll, wird landesrechtlich getroffen.“ Die Bemühungen der Mitglieder der Gelehrtensozietät, die ihren wissenschaftlichen und organisatorischen Aufgaben in periodischen Zusammenkünften bis zum Sommer 1992 nachkamen, um die Sicherung der Existenz der Sozietät stießen auf den Widerstand der zuständigen Behörden des Landes Berlin. Gemeinsam mit dem Land Brandenburg hat das Land Berlin in einem am 22. Mai 1992 abgeschlossenen und am l. August 1992 in Kraft getretenen Staatsvertrag die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wissenschaften) „neu konstituiert“.

In einem Brief an jedes Ordentliche, Korrespondierende und Auswärtige Mitglied der bestehenden Gelehrtensozietät informierte der zuständige Senator des Landes Berlin im Juli 1992 über diesen Staatsvertrag und schrieb: „Eine Fortführung der Gelehrtensozietät der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR in ihrer bisherigen Gestalt oder eine Überführung der annähernd vierhundert Mitglieder sieht der Staatsvertrag nicht vor. […] Mit der Beendigung der früheren Gelehrtensozietät ist auch Ihre Mitgliedschaft erloschen.“

Diese Regelung ist umstritten. Betroffene ehemalige Mitglieder der Akademie der Wissenschaften der DDR vertraten die Auffassung, dass die Berliner Landesregierung durch den Einigungsvertrag von 1990 verpflichtet war, landesrechtlich darüber zu entschieden, in welcher Form die Gelehrtensozietät weitergeführt werden sollte. Eine Auflösung war nicht festgelegt worden. Die Mitglieder verzichteten jedoch aus individuell unterschiedlichen Gründen auf eine Klage

Ein beachtlicher Teil der Mitglieder der Gelehrtensozietät begann noch 1992 mit Vorbereitungen für die Gründung eines eingetragenen Vereins als neuer Organisationsform der wissenschaftlichen Tätigkeit. Nach dem Leibniztag 1992 setzten sie als „Mitglieder und Freunde der Leibniz-Akademie“ ihre monatlichen wissenschaftlichen Zusammenkünfte außerhalb der ihnen nicht mehr zugänglichen Räume der Akademie fort. Eine Vorbereitungsgruppe wurde gebildet, um die Gelehrtensozietät als Wissenschaftsakademie im privatrechtlichen Rahmen weiter zu führen.

Der Verein konstituierte sich am 15 April 1993 als Leibniz-Sozietät und führt die seit 300 Jahren bestehende Gelehrtensozietät der Akademie der Wissenschaften in Berlin fort. Die Leibniz-Sozietät ist die Gelehrtensozietät des Einigungsvertrages von 1990. Der Leibniz –Sozietät gehören die bis 1990 gewählten Mitglieder der Akademie der Wissenschaften der DDR an, die ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklärten. Seit 1994 wurden in jedem Jahr neue Mitglieder aufgenommen, für deren geheime Wahl akademieübliche wissenschaftliche Kriterien verbindlich sind. Gegenwärtig hat die Leibniz-Sozietät über 300 Mitglieder aus dem In- und Ausland.

Im Januar 2007 beschloss die Geschäftssitzung der Mitglieder, den Namen auf Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin zu erweitern.

Die Mitglieder der Leibniz-Sozietät versammeln sich seit September 1992 monatlich – außer in der Sommerpause – zu Plenar- und Klassensitzungen, auf denen wissenschaftliche Vorträge gehalten und diskutiert werden. Zum Merkmal des geistigen Lebens in der Sozietät wurden die Pflege der vorurteilslosen wissenschaftlichen Debatte und die Pluralität der in ihr vertretenen Meinungen. Die Leibniz-Sozietät hat ihren Willen zur Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftsinstitutionen einschließlich der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erklärt Die Sozietät veranstaltet weiterhin jedes Jahr im Sommer den Leibniz-Tag, wie es zuerst im Statut der Akademie von 1812 festgelegt worden ist. Ergänzend werden wissenschaftliche Jahrestagungen, Beratungen von Arbeitskreisen und Kolloquien durchgeführt. Die wissenschaftlichen Veranstaltungen der Sozietät, oft mit entsprechenden Kooperationspartnern, sind öffentlich.

Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Bestrebungen publiziert die Leibniz-Sozietät seit 1994 in der Reihe „Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät“, seit 1999 außerdem in der Reihe „Abhandlungen der Leibniz-Sozietät“ (beide verlegt im trafo-Wissenschaftsverlag Berlin) sowie seit 2005 in der Online-Zeitschrift „Leibniz Online“. Über aktuelle Ereignisse aus dem Leben der Sozietät informieren das Mitteilungsblatt „Leibniz Intern“ und die Homepage.

Zur Sicherung der Arbeiten werden Mitgliedsbeiträge erhoben und Fördermittel eingeworben, da die Leibniz-Sozietät bis 2003 keinerlei staatliche Förderung genoss. Seit 2004 gewährt der Berliner Senat projektgebundene Mittel, die das allgemeine Budget der Sozietät entlasten.

Alle Arbeiten der Mitglieder erfolgen ehrenamtlich.

Traditionslinie der ehemaligen Präsidenten der Leibniz-Sozietät und ihrer Vorgängergesellschaften:   Hier